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Leben und Werk Jules Vernes: 

Aus dem Archiv

TriangelTriangelDer nachfolgende Textbeitrag dieser Seite ist keine Ausarbeitung von mir, sondern eine Ergänzung meiner Homepage. Für die Veröffentlichung des Artikels auf meinen Jules-Verne-Seiten habe ich durch den Autor Otto Werner Förster die Genehmigung erhalten. Die Erstveröffentlichung erfolgte als Funk-Essay Eins mit der Welt. Bemerkungen zu Jules Verne vom MDR-Kultur, mit Ausstrahlung am 4.11.1995. Im Februar 2003 wurde der Essay erneut ausgestrahlt. Begleitend dazu erschien in der MDR-Zeitschrift TRIANGEL, Das Radio zum Lesen, 8. Jahrgang 2003, Februar 2003 Seite 22 bis 27,  ISSN 1432-9476 - CF /6986/. Als Einstimmung dazu der nachfolgende Textauszug. Die nachfolgende Wiedergabe erfolgt ohne publiziertem Bildmaterial und unter Einbindung der vom MDR gewählten Zwischenüberschriften. Otto Werner Förster ist Diplom Germanist und freiberuflicher Schriftsteller. 


Eins mit der Welt - Bemerkungen zu Jules Verne

Reise von der Erde zum Mond

Von Otto Werner Förster
Die Mär vom verkannten Dichter trifft auch auf ihn nicht zu. Gut sein und originär garantiert Publikum, und also Erfolg. Zu Lebzeiten übrigens. Durchschnitt und gutes Management natürlich auch. Aber es hat keine Nachwirkung. Die Nachwelt lässt sich nicht täuschen. Da spielen Schminke und Moden und zeitgemäßes Mimikry keine Rolle mehr. Das ist vergessen. Jules Verne wirkt noch immer. Das hat zu tun mit seinem Talent und mit seinem Gespür für das Jahrhundert.

Jules Verne war ein Technik-Euphorist, ein Technik-Freak, ein Technik-Humanist. Wie die Mehrzahl seiner Zeitgenossen. Am Anfang war das Wasser. Aber wer wollte es? Denn das Mittelalter war finster, und die Leute haben sich weder gebadet noch gewaschen. Dafür gab es sogar Zeugen!

Es war ein aufregendes Jahrhundert: Frankreich läuterte sich über diverse Revolutionen: Von der großen 1789 über die Julirevolution 1830 und die im Februar 1848 zur Pariser Kommune 1871 und zum bürgerlichen Nationalstaat. Selbst Deutschland entkam der Kleinstaaterei - nach einem siegreichen Krieg, den der Neffe Napoleons begonnen hatte. Die letzten weißen Flecken auf der Weltkarte verschwanden in diesem Jahrhundert. Und die letzte Scham der europäischen Staaten, die Welt unter sich aufzuteilen.

Das wissenschaftliche und technische Gewerbe explodierte an Ideen und Lösungen - nach Jahrhunderten der empirischen Naturbetrachtung, der Vermutungen und der geistigen Fesselung durch kirchliche Dogmen. Die bis dato unbedarften Stände kamen zu elementarer Bildung und damit zu Lektüre. Der Ingenieur war der Größte. Unbildung out. Belehrung (wieder einmal) angesagt. Der Aufklärungsschub der Lessings und Voltaires, Diderots und Kants wirkte noch fort. Sapere aude -Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! Vernunft, Wissen, Licht durch Wissenschaften und Technik, durch Bildung. Die neuen Spannungen sah man als prinzipiell lösbar. Als da waren: Maschinenstürmerei aus Angst vor dem Verlust der Arbeitsplätze, Misstrauen zwischen den europäischen Ländern, Aufbegehren der untersten Schichten.

Die Technik wird's schon richten...

Die Technik wird's schon richten. Technik war Zukunft an sich. Technik verhieß allgemeine Glückseligkeit. Literatur, bildende Künste, die durch neue Technologien aufkommenden Massenmedien waren eingebunden in die große Euphorie. Jules Verne gab diesem Lebensgefühl literarischen Ausdruck. Er ist 19. Jahrhundert und vermag es auch fortdauernd zu vermitteln. Aber es dauerte dennoch, bis Verne zu Ruhm und Geld und Nachruhm kam.

Geordnete Welt ist Juristerei

Das weltmännische Hafenstadt-Kaff und provinziell-muffige Nantes an der bretonischen Küste erlebte am 8. Februar 1828 die Geburt des Jules-Gabriel Verne. Der Vater war geachteter und ehrlicher Rechtsanwalt. Die Mutter musische Hausfrau schottischer Abstammung. Keinerlei existentielle Probleme also. Alles läuft glatt, sauber, geordnet. Zu glatt und zu geordnet. Eigentlich beschränkt und muffig.

Der Knabe liest Edgar Allan Poe, Dumas, Cooper. Phantastik und Abenteuer. Auch Hugo, Balzac, Hoffmann.

Der Knabe sieht die Weltensegler im Hafen, will also fort in die Welt. Er tauscht mit einem Schiffsjungen die Kleider, um nach Amerika zu kommen. Es geht schief, wie die meisten solcher Jungenträume: Papi holt ihn wieder in die geordnete Welt. Der jüngere Bruder Paul aber wird als Marineoffizier die Weltmeere befahren. Ungerecht, wie die Welt nun mal ist. Die Abenteuerträume hatten sie doch gemeinsam.

Geordnete Welt ist Juristerei. Also schickt der Vater ihn nach äußerlich belangloser Kindheit zum Jura-Studium nach Paris. Der Sohn landet im Quartier Latin, dem Künstlerviertel. Dort geht die Reise los. Ins Ich. Selbsterkundung, Ausloten eigener Möglichkeiten, unbefriedigter Ehrgeiz sind die Folgen.

Das zweite Juristen-Examen besteht Jules Verne 1848. Lustlos. Die Juristerei ist wohl nicht die Erfüllung. Er geht um in den Künstlerkreisen, befreundet sich mit dem jüngeren Dumas. Mit echten und mit eingebildeten Künstlern. Mit der ganzen Blase wichtigtuender und unbedarfter Möchtegern-Künstler. Die gibt es überall und zu jeder Zeit. Die Szene.

Verne will auch wichtig sein. "Stilist" will er werden. Darunter versteht er den künstlerischen Literaten. Heraus kommen zunächst mehr oder weniger seichte Komödien und Operetten-Libretti. Alles vergessen heute, wenn auch das Publikum klatschte und jubelte.

Die handgreiflichen Ereignisse von 1848 in Paris sind ihm nur wenige Briefzeilen wert. "Ich verschließe meine Tür und bleibe zu Hause, um zu arbeiten..." Immerhin flossen Hektoliter von Blut; es ging um die Zukunft Frankreichs. Jules Verne verkroch sich in seine Kammer und verschloss Augen und Ohren. Politik und soziale Stellungnahme lagen nicht in seinem Blickfeld.

Er hat einiges vor. Dafür hält er auch den Mund bei politischen Diskussionen in den Künstlerkreisen. Dafür sucht er hilfreiche Bekanntschaften. 1850 erreicht sein erstes gemeinsam mit dem jüngeren Dumas erarbeitetes Stück 12 Aufführungen am Théâtre Historique. Theaterleiter war der ältere Dumas. Bekanntschaften und Beziehungen waren schon vor 150 Jahren so wichtig wie heute.

Nach dem Studium nicht zurück zu den "Trotteln"

1851 schließt Verne sein Studium ab. Zu den "Trotteln" zurück nach Nantes will er aber keinesfalls. Paris hat ihn von der Provinz gründlich geheilt. Verne intensiviert sein Künstlerleben. Verschiedene Bekanntschaften, so mit dem Librettisten von "Hoffmanns Erzählungen", Michel Carré, verhelfen ihm zu weiteren Komödien- und Operettenpremieren. Seichte Späßchen. Aber sie bringen den Unterhalt.

Louis-Napoleon, Neffe des großen Napoleon, kommt an die Macht. Victor Hugo geht ins Exil. Viele andere auch.
"... ich mische mich nicht ein", der Kommentar Vernes. Er wird Sekretär des Direktors am Théâtre Lyrique. Gelegenheit zu wichtigen Kontakten. Aber die Magenbeschwerden, Krämpfe und Koliken nehmen zu. Lange nach seinem Tod wird man die immer wiederkehrende Krankheit als Diabetes erkennen.

Das 19. Jahrhundert - bis heute zu gering geschätzt mit all seinem Erfindergeist

Er veröffentlicht erste Reiseerzählungen in einer verbreiteten Familienzeitschrift: populärwissenschaftliche Unterhaltung, Abenteuer, moralische Fingerzeige für den schlichten, aber bildungshungrigen Kleinbürger. Man will schließlich "in" sein. Immerhin sind hier Gegenstände späterer Romane vorgeprägt: Reisen, Abenteuer, der Kampf des Guten gegen das Böse. Die Pariser Weltausstellung 1855 fasziniert ihn. Hier ist modernste und spektakuläre Technik versammelt und angewandt!

Man halte sich nur vor Augen, was für Namen von wissenschaftlicher Weltgeltung bis heute dieses Jahrhundert zu bieten hat: Darwin, Haeckel und Brehm, Livingstone und Nobel, Bunsen, Siemens, Faraday, Gauß, Virchow, Morse ... Eine Häufung großer Geister wie in allen weltgeschichtlichen Epochen grundsätzlicher Umschwünge. Es war ein Jahrhundert der Techniker, Erfinder und - selbstverständlich ? der Kriegsherren. Den elektromagnetischen Telegrafen zum Beispiel gab es schon seit 1833, die Schreibmaschine länger. Verne wusste von Elektromotor und Dampfturbine, von Fotografie und Lichtbogenschweißen. Die Zeitgenossen wurden mit Erfindungen konfrontiert - und vielleicht überfordert - wie U-Boot und Gasmotor, elektrischer Glühbirne und Fernsprecher, 4-Takt-Motor und Rotationsdruckmaschine. Hubschrauber-Modelle waren ebenso im Gespräch wie hydraulische Aufzüge, Nähmaschine, Füllfederhalter und Sicherheitszündhölzer. Man schätzt dieses Jahrhundert heute mit Sicherheit zu gering. Vor allem aus Unwissen.

Das Erotische und die Liebe

Verne war fasziniert von diesen Entwicklungen. Und er hielt sich auf dem Laufenden: Hier lagen scheinbar die Lösungen aller Probleme. Nur nicht seiner eigenen: Er hatte Pech mit den Frauen, wollte gern heiraten, kam aber nicht zurecht mit den Damen. Oder sie mit ihm? Dem Umtriebigen, dem Eigenbrödler, dem rücksichtslosen Ich-Menschen. Wahrscheinlich muss ein Kunst-Mensch rücksichtslos sein. Aber er merkt es selbst nicht. Erotische oder nur Partnerbeziehungen kommen folgerichtig in Vernes Büchern kaum vor. Er erklärt es selbst mit seiner "linkischen" Natur. Und heiratet trotzdem. Im Januar 1857 die 26jährige Witwe Honorine aus Amiens. Mit 2 Töchtern. Jules Verne hat nun Familie und Verantwortung. Die Einkünfte müssen also sicherer werden. Das Elternhaus, die Etikette, der Ruf der Familie ... Verne wird Börsenmakler. Allerdings zahlt der Vater, wenn auch ungern, die dazu notwendigen 50.000 Francs.

Die Börsengeschäfte lassen ihm Raum zum Schreiben. Erzählungen und Komödien. Die Ehe hindert ihn nicht am Reisen. Zum Beispiel mit einem Freund nach England und Schottland, nach Dänemark und Norwegen. Wichtige Eindrücke für Späteres. Da kann man schon mal die Geburt des eigenen Sohnes verpassen: Michel, geboren am 3. August 1861. Ein über Jahre und Jahrzehnte durchaus unleidlicher und garstiger Knabe, wie sich herausstellen wird. (Anmerkung A.F.: Michel Verne 3.08.1861 bis 1925)

Die große Roman-Idee und sein Erfolgsrezept

Zu dieser Zeit hat Verne die große Roman-Idee. Der Gegenstand: Eine Ballonüberquerung Afrikas. Das Thema: Entdeckung der Nilquellen mit modernen technischen Hilfsmitteln. Der Hintergrund: Ballonversuche waren groß in Mode. Der Busenfreund Michel Nadar - bekannter Fotograf, Hans Dampf und kompromissloser sozialkritischer Republikaner - lässt zu Werbe- und Geldbeschaffungszwecken für seine "Gesellschaft Schwerer-als-Luft" einen Riesenballon bauen. Das Geld wird allerdings nicht eingespielt. Das Luftfahrzeug stürzt vor Hannover ab. 1862 war der Engländer Speke ins Innere Afrikas aufgebrochen.
Die Dinge sind im öffentlichen Gespräch.

Hier liegen Methode und Erfolgsrezept Jules Vernes. Seine Romane handeln sämtlich in der Gegenwart des 19. Jahrhunderts. Die technischen Zutaten sind, wie skizziert, allgemein bekannt oder im Ansatz vorhanden. Vernes Verdienst ist, dass er sie vorsichtig weiterspinnt, glaubhaft macht, sie in abenteuerliche Reisehandlungen kleidet. Der Leser konnte in diesem Trommelfeuer täglicher technischer Neuheiten Wahrheit und Fiktion nicht trennen.

Versuche mit Literatur eine Gesellschaft zu verändern

"Fünf Wochen im Ballon" erschien als erster Roman 1863 beim Pariser Verleger Pierre-Jules Hetzel. Vierzehn Jahre älter als Jules Verne, hatte Hetzel die 48er Revolution als Demokrat und aufklärerischer Humanist mitgemacht und musste danach emigrieren. Über gezielte verlegerische Arbeit - Aufklärung und Bildung - erhoffte er sich nun gesellschaftliche Veränderung. Ein Ansatz wie ein Jahrhundert zuvor; ein Kampf gegen Windmühlen wie ein Jahrhundert danach. Entsprechend das Verlagsprogramm Hetzels: Neben Balzac, Sand, Hugo populärwissenschaftliche Unterhaltungsmagazine für die Familie, die Kinder inbegriffen. Was - mit gewissem Anspruch und Ernst - bis dahin durchaus nicht selbstverständlich war. Kinder galten noch als unfertige Erwachsene, die nur entsprechend dressiert werden mussten.

Fruchtbarer Boden für Technikromane

Freund Nadar - übrigens der Ardan der Mond-Romane - vermittelt Verne an eben diesen Verleger. Hetzel erkennt neben der literarischen auch die profitable Seite der Romanidee und führt Verne zu weiteren Romanprojekten gleichen Zuschnitts.

Der Boden für solcherart Literaturunternehmungen war äußerst fruchtbar und lange aufbereitet. Der ungeheure Erkenntniszuwachs seit der Renaissance führte erst im 19. Jahrhundert zur massenweise praktischen Verwirklichung. Hier gab es einen Stau, der umschlagen musste. Ein Qualitäts-Umschlag. Nachzulesen beim Philosophen Hegel. Ein Umschlag in neue, für alle greifbare und sichtbare Dinge. Eine Technologie hat sich erst durchgesetzt, wenn sie massenweise in den Alltag eingreift. Meint unter anderen der heutige Vernsche Enkel Stanislaw Lem. Galvanische Elemente, Telegrafen, Elektro- und Verbrennungsmotoren, Telefon, die Glühlampe. Die Elektrizität überhaupt. Sie war das Zauberelement der zweiten Jahrhunderthälfte. Schaut man heute in die Trödelläden, findet man die staubigen Reste jener Euphorie: Elektrisierapparate, Kolben, Kugeln mit Glühwendeln und Lichteffekten, ganze Sets für jede Lebenslage.

Alles war möglich geworden. Technikfortschritt wurde mit Menschheitsfortschritt gleichgesetzt. Die bürgerlichen Ideale der Großen Französischen Revolution fanden hier, kanalisiert zwar, aber immerhin, eine nahtlose Fortsetzung und wiesen über die Gegenwart hinaus. Die Dimension Zukunft schien berechenbar geworden.

Verne heute

Jules Verne gilt heute gemeinhin als Prophet technischer Entwicklungen der Zukunft. Das ist Unsinn, kolportiert aus Unkenntnis jener Zeit. Gegenwart ist immer vergesslich. Er wird genannt als geistiger Vater des U-Boots, der Superwaffen, des Hubschraubers, der Raumfahrt und so weiter. Nichts von alledem. Alles schon da im 19. Jahrhundert. Wenn schon nicht als technische Realität oder Erfindung, so doch in der Literatur seit Generationen.

Beispiel U-Boot: Über Versuche in der Antike bis zum Renaissancemenschen Leonardo da Vinci und schließlich zu Wilhelm Bauer reicht die Geschichte. Letzterer hatte 1851 sein Tauchboot im Kieler Hafen getestet. Aber schon achtzig Jahre zuvor hatte ein amerikanisches U-Boot im Unabhängigkeitskrieg ein Schlachtschiff versenkt. Und ging dabei allerdings für immer unter.

Man hat dem Antrieb von Kapitän Nemos Tauchboot aus dem nach wie vor faszinierenden Roman "20.000 Meilen unter den Meeren" eine "Atomkraft" angedichtet. Dagegen hilft einfaches Lesen: "Es gibt eine starke, folgsame, schnelle, willige, zu allem dienliche Kraft hier an Bord", sagt Nemo zu Professor Arronax, dem Ich-Erzähler, "Diese Kraft ist die Elektrizität. (...) Ich verwende Bunsensche Elemente, nicht Ruhmkorffsche. Diese wirkt durch sehr große Elektromagneten auf ein System von Hebeln und Zahnrädern, das die Welle der Schraube antreibt ..." Nichts Übersinnliches, Mystisches, Prophetisches bei Jules Verne. Alles schon da. Ein hellwacher Zeitgenosse allerdings.

Technische Absurdität und Widersprüche

Familie Verne kann standesgemäß umziehen. Der Erfolgsautor muss aber auch Zugeständnisse machen, bis in Figuren-Ensembles und Struktur der Romane. Der Umsatz hing an zu befriedigenden Leserbedürfnissen. Literaturjahrmarkt schon damals. Die großen zeitlosen Romane erscheinen hintereinander: "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde", "Von der Erde zum Mond", "Die Reise um die Erde in 80 Tagen", "20.000 Meilen unter den Meeren", hier haben die Übersetzer uns Jahrzehnte belogen ...

Dabei nimmt es Verne mit der Wissenschaftlichkeit nicht immer so genau, obwohl die Bücher von detaillierten Erklärungen strotzen. Er rechnet vor, erläutert, führt scheinbar lückenlose Beweisketten. Wer vollzieht das schon nach. Dort liegen aber die Fehler.

Die technische Absurdität der beiden Mondbände etwa muss Verne auf jeden Fall bewusst gewesen sein. Eine abgeschossene Kugel kann nie die Geschwindigkeit erhalten, die Erdanziehung zu verlassen; das Projektil samt Rohr wäre schon beim Abschuss explodiert. Die Beschleunigung hätte überdies die Reisenden zerquetscht. Der Roman in zwei Bänden funktionierte trotzdem. Warum ist Verne nicht auf den Raketenantrieb gekommen? Das Prinzip der Pulverrakete gab es schon im alten China, in Moskau wurde 1680 ein Raketeninstitut gegründet, die indische Armee hatte seit 1766 ein Raketencorps. So ignorant war Verne mit Sicherheit nicht, wie sein sonstiger Wissensfundus beweist.

Der Schlüssel zu den Widersprüchen liegt in der Romanintention: Die Mondromane, vor allem der erste Band, sind über weite Strecken Satire! Die Jungs vom Kanonenclub im amerikanischen Baltimore sind allesamt waffenfanatische Krüppel im Wortsinne. Der Roman handelt zwar im fernen Amerika. Das ungeliebte und einschlägig agierende Preußen aber liegt direkt vor der Haustür. Der Schießdrang der Kanonenfreunde in einer kriegsarmen Zeit führt zur Mondreise. Als Ersatzbefriedigung. Mittels einer Superkanone natürlich ..


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