Zu den Personen:
Daniel
Defoe
(1660 – 1731)
Friedrich Gerstäcker
(1816 – 1872)
Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne
empfehle ich das Personenregister dieser Domain.
Quellen
/1/
Hermann Schreiber: Das
Abenteuer und seine Autoren © Weltbild Verlag, Augsburg
1999; Zitat Seite 17: Paradiese
und ihre Fehler
/2/
Nachwort von Christian Robin zu: Jules Verne Onkel Robinson; 1991
by le cherche midi éditeur, für die deutsche Ausgabe nymphenburger in
der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München 1993; Zitat Seite
276 Eine der
ersten Lektüren des Schriftstellers ; CF /6501/
/3/
Pourquoi j`ai
écrit
Seconde Patrie, Vorwort zu Seconde Patrie
1900. (Deutscher Titel: Das
zweite Vaterland). Zitiert aus /2/, gleicher Abschnitt
Seite 276; CF /6501/
/4/
Zitat © Thomas Ostwald: Friedrich
Gerstäcker und seine Vorbilder auf der Homepage www.gerstaecker.org
/5/ Jules
Verne: Die
großen Seefahrer des XVIII. Jahrhunderts, Ausgabe A.
Hartleben's Verlag Wien Pest Leipzig 1881; CF /G0302/
/6/ Jules
Verne: Zwei
Jahre Ferien; Ausgabe detebe-Klassiker 20440 (Details
siehe auf Link zum Buch, CF /3202/
/7/ Bildzitate
aus: Robinson Crusoe,
Das Original des Daniel de Foe, 1908, 4. Aufl. Verlag von
Otto Spamer Leipzig (Bearbeitung: Otto Zimmermann, Illustr. von F.H.
Nicholson)
/8/
Foto © Andreas Fehrmann 05/2010 (Caribic Strand)
/9/ Buchtitel: ©
nymphenburger in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, München
1993, ISBN 3-458-00673-4 (CF /6501/)
/10/ Inselfoto:
© Andreas Fehrmann 08/2001 (Adriainsel vor Kroatien)
/11/ Inselfoto:
© Andreas Fehrmann 08/2004 (Insel vor Beruwela, Indischer Ozean)
/12/
Jules
Verne: Die Kinder des
Kapitän Grant; A. Hartleben's Verlag Wien, Pest, Leipzig
1876; sog. Prachtausgabe; Zitat von Seite 270 - 271; CF /0510/
/13/
Foto © Andreas
Fehrmann 07/2011 (Waldimpression in Kolumbien)
Ergänzender
LINK: Die Vielfalt der im deutschsprachigem Raum verlegten Robinsonaden
stellt
Dr. Walter Wehner auf seiner Seite vor. Eine Fundgrube für alle
Robinsons', mit der Möglichkeit auch nach vergessen geglaubten Büchern
zu recherchieren.
|
Robinsonaden und Inselabenteuer
bei Jules Verne
Sobald man in seiner Jugend beginnt, sich der
Abenteuerliteratur zuzuwenden, kommt man nicht umhin einem speziellem
Genre zu begegnen: Den Robinsonaden.
Gerade
dieses Genre bedient unsere Sehnsüchte nach Fernweh und exotischen
Schauplätzen. Ist es denn verwunderlich, wenn sich Generationen von
Schülern von ihren Schulbänken weg, zu Sonnenstränden, maritimen Flair
und interessanten Jagden im Dschungel fremder Länder hin träumten? Ist
nicht überhaupt für einen alltagsgeplagten Mitteleuropäer der fiktive
Kampf um das Überleben auf einer einsamen Insel, fernab der großen
Schifffahrtswege, viel attraktiver als die tägliche Hausarbeit,
Einkäufe im Supermarkt oder dem alltäglichen Stress in der Firma?
Selbst die heutzutage überall ausliegenden Prospekte für Fernreisen
initiieren unsere Sehnsüchte in diese Richtung. Wenn sich zum Picknick
im Grünen die Väter mit angsteinflößenden Messern am Gürtel bewaffnen,
um dann noch ihren Sprösslingen theoretische Unterweisungen im
Überlebenskampf zu geben (stell dir vor du müsstest ohne Hilfsmittel
Feuer machen...), dann wird es ein Rückerinnern an Jugendträume geben.
(Bild unten Quelle /11/).

Aber
blicken wir zurück auf den Klassiker schlechthin: Im Jahre 1719
erschien in England ein Buch, welches in seiner Art völlig neu war und
das Pate für viele andere stehen sollte. Schon der ellenlange Titel
verhieß Spannung: The
Life and Strange Surprizing Adventures of Robinson Crusoe
nach einigen weiteren Erläuterungen kam dann die Aussage: „Written by
himself“. Aber wir wissen natürlich, dass nicht Robinson sondern Daniel
Defoe (1660 – 1731) der wirkliche Autor war. (Bild links:
Quelle /7/).
Defoe selbst wurde durch die realen Abenteuer des Matrosen
Selkirk inspiriert, von dem noch weiter unten im Text berichtet wird.
Ich will an dieser Stelle nicht über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit
des 28jährigen Überlebenskampfes Robinsons philosophieren – das haben
Andere schon genügend getan. Aber an eins möchte ich erinnern: Schafft
es nicht Defoe auf wunderbare Weise, dass sich Generationen
Jugendlicher und Erwachsener auf eine einsame Insel gesehnt haben? Was
macht die Faszination aus? Ist es die schon erwähnte exotische Ferne,
die Herausforderung des Einzelnen oder einer kleinen Gruppe, die dem
Ungemach widriger Umstände trotzt und auf einem Außenposten der
Zivilisation eine Existenz aufbaut? Oft ist nicht die eigentliche
Rettung vom Eiland, sondern der Überlebenskampf und die Organisation
des Lebens auf der Insel das Hauptaugenmerk der Autoren, denn sie
versuchen die Sehnsucht ihrer Leser auf genau diesen Fakt zu stillen.
Dabei wird die Realität, die solchen Geschichten eigentlich zugrunde
liegt, völlig verklärt.
„Träumt man
in
Schulstuben, Internatsbetten oder Dienerzimmern von der großen Welt und
der verheißungsvollen Ferne, dann stellen sich großzügig und bunt alle
Farben der Phantasie ein. Nicht wenige der Abenteurer, die im
achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert die Sieben Meere bevölkerten,
waren zwölf, vierzehn, allenfalls sechzehn Jahre alt, und so mancher
ging zugrunde, ehe er zur Besinnung kam, denn die Inselparadiese, die
leuchtenden Fernen, die man aus dem Reisebuch eines Marco Polo zu
kennen meinte, sie konnten nur in langen, mühseligen und
entbehrungsreichen Reisen erreicht werden.“ (Zitat Quelle /1/ siehe
links)
Aber
Entbehrungen und Tod sind allemal nur schmückendes Beiwerk in der
Abenteuerliteratur – eine abschreckende Wirkung können sie nicht
erzielen. Heutzutage ist natürlich die Gefahr, dass ein Buch zur Flucht
aus gewohnten Bahnen des Alltags beiträgt ziemlich gering. Aber noch in
Artikeln um 1900 konnte man lesen, dass vor der „jugendverderblichen
Wirkung“ von Abenteuerliteratur gewarnt wird. (Bild rechts: Robinson
schlachtet das Schiffswrack aus. Illustration aus /7/)
Gerade die Herausforderungen in den Geschichten
beflügeln oft unsere Phantasie und in Gedanken meistert man natürlich
alle Probleme besser als die Betroffenen in realitätsnahen
Beschreibungen und dem dort geschilderten persönlichen Leid. Ja und
dann kommt da noch die Überheblichkeit der später Geborenen: Ist man
nicht den vor 100 oder 150 Jahren Lebenden haushoch an Wissen
überlegen?
Was nutzt uns aber die Kenntnis moderner
Kommunikationstechnologien, wenn wir, natürlich rein
hypothetisch, von allen Errungenschaften der modernen Technik
abgenabelt wären? Spätestens dann, wenn in der Praxis unsere
Hightech-Werkzeuge oder das von uns gewohnte, gut organisierte Umfeld
fehlt, dann merkt man, dass uns viel Wissen verloren ging. Wissen um
die einfache Dinge des Lebens, Grundfunktionen der Technologie,
Kenntnis einfachster Werkzeuge und Tätigkeiten, ja selbst die Kunst aus
wenigen Dingen eine schmackhafte oder zumindest gehaltvolle Nahrung zu
erhalten. Wie kann man aus Getreidekörnern Brot gewinnen? Was tun, wenn
keine aufbereiteten und verpackten Lebensmittel zur Verfügung stehen?
Könnten wir, selbst wenn vorhanden, aus Wolle auch Kleidung herstellen?
Während man zur Lektüre von Fach- oder Sachbüchern in Ausbildung und
Freizeit motiviert sein muss, kann man bei geschickt angelegten
Robinsonaden noch quasi „nebenbei“ einiges an Grundwissen reaktivieren
oder sogar dazu lernen. So wird selbst die Technologie des Überlebens
zum Abenteuer in diesem Genre der Literatur. Und diese Idee habe ich
in alten und in neuen Versionen dieser Geschichten
gefunden.
Kehren wir zurück zu unserem
„Original-Robinson“: Anknüpfend an den Erfolg Robinson's
versuchten bereits kurz nach ihm die ersten Nachahmer, weitere
Geschichten dieser Art zu publizieren. Aber auch einen zweiten
„Original-Robinson“ gab es bald: Als bei Defoe das Geld knapper wurde,
schrieb er selbst eine Fortsetzung seines Erfolgsromans: Die späteren Fahrten des
ROBINSON CRUSOE zu seiner Insel rund um die Welt. Damit
konnte er zwar nicht an den ersten Erfolg anknüpfen, aber all diese,
besonders auch die nachfolgenden Bücher, gehörten schnell zur
Standardlektüre junger Erwachsener aber auch zunehmend zu der der
Kindern. „In solch einer Atmosphäre ist es nicht weiter verwunderlich,
dass der Robinson Crusoe in den Bücherschränken von
Reedern und Schiffsmaklern stand und von deren Kindern gelesen werden
konnte ....“ /2/. Jules Verne wuchs ebenfalls mit dieser Art Lektüre
auf, ja sie gehörte (nach Aussagen seiner Biographen) zu seinen
persönlichen Favoriten. „Verne stand also eine beeindruckende Auswahl
zur Verfügung, und er begeisterte sich für den Schweizerischen
Robinson von Wyß, den Zwölfjährigen
Robinson von Frau Mallès de Beaulieu, den Robinson
im Wüstensand von Frau de Mirval, die Abenteuer von
Robert-Robert von Louis Desnoyers, die eine Mondreise
enthalten, den Robinson im Eis von Fouinet, dessen
Titel für den zweiten Teil von Die Abenteuer des Kapitän
Hatteras übernommen wurde, und dem Krater
von Cooper. Noch bei dem zweiundsiebzigjährigen Verne ist diese
Faszination lebendig wie eh und je: Die Robinsone waren die Bücher
meiner Kindheit, und ich habe sie in bleibender Erinnerung behalten,
nicht zuletzt deshalb, weil ich jedes gleich mehrmals gelesen habe. Ich
habe auch in den späteren Jahren nie wieder solche Leseerlebnisse
gehabt wie damals. Das meine Vorliebe für derlei Abenteuer mich
instinktiv auf den Weg gebracht hat, den ich einmal eingehen sollte,
ist unbezweifelbar.“ /3/
Aber
Verne setzte dem originalen Robinson, nämlich Alexander Selkirk auch in
seinen Büchern ein bleibendes Denkmal. So beschreibt er in seinem Buch Die
großen Seefahrer des XXIII. Jahrhunderts, wie 1709 bei Annäherung eines
Schiffes an eine Insel ein Feuer am Strand beobachtet wird: „Es war das ein schottischer Matrose, mit
Namen Alexander Selkirk, der in Folge eines Zerwürfnisses mit seinem
Kapitän vor nun viereinhalb Jahren auf dieser wüsten Insel ausgesetzt
worden war. Dieser hatte auch das wahrgenommene Feuer entzündet.
Während seines Aufenthaltes in Juan Fernandez sah Selkirk zwar viele
Schiffe in der Nähe vorüber segeln, doch gingen nur zwei der selben
hier vor Anker.“ (Zitat aus /5/, Seite 17. Bild links im
Text ebenfalls aus dieser Quelle Seite 19. Text zum Bild: „Selkirk
stürzt samt seiner Beute“). In seinem Roman Zwei
Jahre Ferien (VE 32) spricht er nochmals Selkirk
an: „Auf der Strecke zwischen
Auckland und der Westküste Amerikas lagen im Norden und unterhalb des
Tuamotu-Archipels nur die Osterinsel und die Insel Juan Fernandez, auf
der Selkirk – ein echter Robinson – einen Teil seines Lebens verbracht
hatte.“ (Zitat aus /6/, Seite 77)
Im
Schaffen Jules Vernes lernen wir dann das gesamte Spektrum möglicher
Inselabenteuer kennen. Aber während Verne in seinen Büchern meist
„Kopfreisen“ durchführte, gab es andere, die sich direkt am Virus
Robinson infiziert hatten und die die Enge der gewohnten Umwelt
verließen. Friedrich Gerstäcker (1816 – 1872),
Abenteurer, Weltenbummler und Schriftsteller sagte 1870 in einer
Publikation über sich: „Was mich so in die Welt hinausgetrieben? - Will
ich aufrichtig sein, so war der, der den ersten Anstoß dazu gab, ein
alter Bekannter von uns allen, und zwar niemand anders als Robinson
Crusoe. Mit meinem achten Jahr schon faßte ich den Entschluß, ebenfalls
eine unbewohnte Insel aufzusuchen, und wenn ich auch, herangewachsen,
von der letzteren absah, blieb doch für mich, wie für tausend andere,
das Wort 'Amerika' eine gewisse Zauberformel, die mir die fremden
Schätze des Erdballs erschließen sollte.“ /4/
Aber
kehren wir wieder zurück zu den Reflexionen Jules Vernes. Bei ihm gibt
es Bücher, bei denen die Robinsonade der eigentliche Aufhänger
der
Geschichte ist, aber es gibt auch mehrere „Nebenbei"-Robinsonaden.
(Bild rechts: /8/)
Beginnen wir mit den ersteren: In
der Reihenfolge seines Zyklus' der Voyages Extraordinaires (VE) hat es
im Band VE 5 in Die Kinder des Kapitän Grant
den schottischen
Kapitän Grant und zwei seiner Besatzungsmitglieder auf die einsame
Insel Tabor, nach einem Schiffbruch, verschlagen. Wie der Zufall es
will, wird im Roman auch ein fiktives Gespräch über Robinsone geführt.
Ob dabei der Standpunkt Vernes zu Tage tritt? Als Paganel von einsamen
Inseln schwärmt, erhält er darauf eine interessante Antwort : Paganel:
"- Wie, Madame,
Sie glauben nicht, daß man auf einer verlassenen Insel glücklich sein
könne?"
(Antwort von Lady Helena:) " - Ich denke es nicht. Der
Mensch ist zur Geselligkeit, nicht zur Einsamkeit geschaffen. Die
Einsamkeit kann nur die Verzweiflung erzeugen. Es ist das übrigens eine
Frage der Zeit. Wohl mögen die Sorgen um das materielle Leben, die
Bedürfnisse für seine Existenz, den kaum vom Wellentode geretteten
Unglücklichen zerstreuen, und die Noth der Gegenwart ihm die drohende
Zukunft verschleiern; das ist wohl möglich! Dann aber, wenn er sich
allein fühlt, fern von Seinesgleichen, ohne Hoffnung, sein Vaterland
und seine Lieben wiederzusehen, was muß er dann denken, was muß er
leiden? Sein Eiland ist ihm die ganze Welt; die ganze Menschheit stellt
nur er da, und dann, wenn der Tod ihn antritt, der schreckliche Tod in
der Verlassenheit, dann steht er da wie der letzte Mensch am jüngsten
Tage. Glauben Sie mir, Paganel, es ist doch besser, dieser Letzte nicht
zu sein!" (Zitat aus /12/) Eine Standpunkt, dem es nicht
viel hinzu zu fügen gibt.
In seiner nächsten Robinsonade
erhöht sich die Anzahl der Schiffbrüchigen, die aber eigentlich
„Ballonbrüchige“ sind: In Die
geheimnisvolle Insel (VE 12) sind es mutigen Amerikaner
unter Cyrus Smith, die nach einer Sturmfahrt im Orkan mit ihrem Ballon
mitten im Pazifik vom Schicksal auf eine einsame Insel ausgesetzt
werden. Diese wird Heimat der sich später Kolonisten nennenden
Freunde – sie ist uns unter dem Namen Lincolninsel ein
Begriff geworden (Foto rechts: /8/).
In Die
Schule der Robinsons (VE 22) strandet, geplant von
langer Hand, eine völlig der Praxis entfremdete Gruppe Amerikaner
(selbst ein Lehrer für Tanz und Anstand ist dabei) auf einer Insel.
Hier sollen sie eine praktische Lehre für ihr Leben erhalten. Wie so
oft bei solch Versuchen, gerät das Experiment außer Kontrolle. (Bild
links: /13/) Eine weitere Gruppe, diesmal eine ganze Internatsklasse,
wird in Zwei
Jahre Ferien (VE 32) an den Strand einer Insel
angespült. Diesmal ist der Schiffbruch das Ende einer Irrfahrt im Sturm
ohne die eigentliche Stammbesatzung. Das Schiff hatte sich ohne
Besatzungsmitglieder von der Liegestelle gelöst und das führerloses
Schiff trieb mit den bereits an Bord befindlichen Kindern über den
Pazifik. Die Kinder waren von der Schiffsführung völlig überfordert.
Nach der Strandung, die sich zuerst als Rettung darstellte, waren die
Kinder völlig auf sich selbst gestellt, denn an Land gekommen mussten
sie feststellen, dass es sie auf eine einsame Insel verschlagen hatte.
Noch während sie versuchten ihr Leben neu zu organisieren, mussten sie
feststellen, dass es manchmal sogar sicherer sein kann, wirklich einsam
auf einer Insel zu sein.... - In diesem Roman sind die Bezüge zu
Robinson und seine Vertreter besonders deutlich ausgeprägt. Dazu einige
Beispiel die ich fand. So lesen wir über einen der Jungen: „Service ist ganz sicher der fröhlichste und
übermütigste von allen, ein richtiger Clown, der nur von
Reiseabenteuern träumt und dessen Lieblingslektüre >Robinson
Crusoe< und der >Schweizer Robinson<
sind“ (Zitat aus /6/, Seite 40). Oder: „In
der Bibliothek der Jacht befanden sich eine Reihe guter englischer und
französischer Bücher, vor allem Reisebeschreibungen und
wissenschaftliche Werke, natürlich auch die beiden berühmten
Robinsonaden.“ (Zitat aus /6/, Seite 58) Aber mit dem
Schiff wird noch eine andere Parallele hergestellt: „Unsere >Sloughi< ist wirklich
genau im richtigen Augenblick von einer freundlichen Welle, die sie
nicht einmal allzusehr beschädigt hat, auf den Strand getragen worden.
Weder Robinson Crusoe noch der Schweizer Robinson hatten auf ihren
Phantasie-Inseln soviel Glück.“ (Zitat aus /6/, Seite 65).
Als ein Strauß gefangen wurde sagte Service: „Das
überlaßt nur mir, ich mache das schon. Im Schweizer Robinson steht, wie
man das macht.“ (Zitat aus /6/, Seite 148) Und weiter geht
es mit der Episode: „Und trotzdem,
meinte er eines Tage und bezog sich auf seinen Schweizer Robinson, den
er immer wieder las, ist es Jack gelungen, aus seinem Strauß ein
schnelles Rennpferd zu machen.“ (Zitat aus /6/, Seite
185). Aber eine Einschätzung trifft es ganz besonders, als es darum
geht wie man sich selbst bezeichnen sollte: „Ein
Robinson-Internat!“ (Zitat aus /6/, Seite 162) - Dies
könnte kurz und prägnant genau die Kennzeichnung des Romans sein ....
Eine
besondere
Stellung nimmt der Roman Das
zweite Vaterland (VE 47) ein. Dieser Roman wurde von
Verne unter dem Zeichen der Rückbesinnung geschrieben. Wie auch schon
bei anderen Romanen und Kurzgeschichten aus der Zeit von Mitte der
neunziger Jahre des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zu seinem Tode,
greift er auf den Fundus seiner literarischen Erstlinge oder auf
Lieblingsbücher seiner Jugend zurück. So schreibt er im Roman Das
zweite Vaterland die Geschichte der Schweizer Robinsons
von Johann
David Wyß weiter. Sein Zweites
Vaterland zeigt das Leben der Familie
Robinson in den späteren Jahren, als diese bereits die Möglichkeit
hatten, die Insel zu verlassen. Dieses, schon in der Jugend von Verne
gern gelesene Buch, war ihm schon Inspiration bei Onkel Robinson.
Onkel
Robinson (Bild links, Quelle
/9/)ist als Buch noch nicht so verbreitet, da es erst 1991
veröffentlicht wurde. Die Geburtsstunde des Buches schlug aber
eigentlich bereits 1870/71, aber es lag nur als unveröffentlichtes
Fragment vor. Die Stadt Nantes, die Geburtsstadt Vernes, kaufte die
Rechte des Manuskripts und so können wir heute die dort enthaltenen
Abenteuer miterleben. Im Onkel
Robinson sind die Hauptakteure eine
Gruppe von Schiffbrüchigen. Eigentlich sind sie die Opfer eines
Piratenanschlags, in dessen Folge sie in einem kleinen Boot ausgesetzt
wurden. Mit diesem gelangen sie auf eine Insel, die wir später in den
Beschreibungen der Geheimnisvollen
Insel wieder finden. Der
Quervergleich beider Bücher ist sehr interessant – selbst die
Schrotkugel im Pekari finden wir wieder, nur ist es hier ein
Hase.
Unter
Führung des erfahrenen Matrosen Flip wird das Überleben der
gemischten Gruppe organisiert. Auf mich hat dieser Roman besonders
angenehm gewirkt: Seine klare beschreibende Stilistik, ohne viele
Schnörkel und ohne die oft bei Verne zu finden Erläuterungen und
Belehrungen, sind angenehm zu lesen. Noch
größer wird die Masse der Gestrandeten im Roman Die
Schiffbrüchigen der Jonathan.
In diesem Buch, welches unter
starker Mitwirkung Michel Vernes entstand, und welches erst 1909
veröffentlicht wurde, stranden über 1000 Menschen abseits der
Zivilisation. Unter der Führung des ehemaligen Anarchisten Kaw Djers
wird hier beispielhaft ein komplettes Sozialgefüge geschaffen. Wie in
einer Gesellschaftsutopie wird das „was wäre wenn“ eines
theoretischen kleinen Volkes durchgespielt. Dabei wird,
ungewöhnlich bei Verne,
stark politisiert.
Aber
wir finden auch noch in anderen Romanen Vernes versteckte oder in die
Nebenhandlung eingebaute Robinsons.
Dazu gehören
zuerst die Abenteuer im Roman Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras
(VE 2), in denen der
Brite Hatteras, gestrandet mit seinem Schiff Forward, mitten im
Eis
überwintern muss. Erwähnt sei
dann vor allem Ayrton, der im Roman Die Kinder des Kapitän Grants
auf eine einsame
Insel
ausgesetzt wird. Erst in Die
geheimnisvolle Insel wird er von den Kolonisten der
Nachbarinsel gerettet und wieder resozialisiert. Wir erinnern uns: Die Tabor-Insel
wurde von der
Lincoln-Insel aus erkundet. Im
Roman Ein
Kapitän von 15 Jahren (VE 17) ist die Insel etwas größer.
Hier standen die Schiffbrüchigen vor Afrika, was aber für den
jugendlichen Kapitän nicht erkennbar war. In der VE 42 Die
Erfindung des Verderbens haben wir diesmal nicht
Schiffbrüchige, sondern den entführten Wissenschaftler Thomas Roch und
seinen Pfleger Simon Hart, die es auf eine Insel verschlagen hat.
Eingesperrt von Piraten im Innern der Insel Back-Cup haben sie das
gleiche Ziel eines Robinsons - zumindest Simon -: Zurück zur
Zivilisation, zurück zu den Menschen ihrer Heimat.
Bei
noch intensiveren Nachdenken würden uns vielleicht noch mehr Beispiele
einfallen. Aber betrachten wir all diese Geschichten, so ergibt sich
für den Leser die Frage: Wieso sind die Gestrandeten bei Verne nie
Einzelpersonen - also „richtige“ Robinsons? Meine persönliche Erklärung
dafür ist, dass ich vermute, die oft in Gruppen auftretenden
Schiffbrüchigen hatten für Verne einen großen schriftstellerischen
Vorteil: Ein Robinson führt maximal Monologe, viele Robinsons sind die
Grundlage für Dialoge und durch unterschiedliche Charaktere kann der
Stoff belebt werden. Gleichzeitig schaffen mehrere Personen den Ausgang
für Partei- und Gruppenbildungen innerhalb dieses Mikrokosmos' und
damit lässt sich ein meist spannender Handlungsfaden spinnen. Und da
unter den Mitgliedern Vern'scher Hauptdarsteller meist immer
ein gut
geschultes Teammitglied ist, kann Verne stets aus dem Füllhorn seiner
reichlichen Fakten- und Hintergrundinformationen schöpfen.
Aber ist mit der erschöpfenden Vielfalt der
vorliegenden Robinson-Varianten heutzutage der Bedarf an diesem Genre
gedeckt? Das muss klar verneint werden, denn noch immer stranden in
unseren Büchern Helden die zum Beispiel in Kriegswirren verschleppt,
verschlagen oder entführt wurden. Noch immer entflammt sich unsere
Phantasie an dem Szenario des Überlebenskampfes in exotischer Kulisse
oder in einer von der zivilisierten Welt abgeschnittenen Region. Wie
war das noch mit dem Flugzeugabsturz im Dschungel oder auf einer Insel
im Pazifik .... Robinson lässt grüßen! (Bild links Quelle /10/)
Andreas Fehrmann
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