Beispielbuch:

Buch
oben: © 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN:
3-8224-1080-2 - Nachdruck v. Verlag A. Hartleben, Inh. Dr. W. Rob, Wien
I. Ungekürzte, nur orthographisch angepasste Ausgabe. Pawlaks
Collection Jules Verne Band 80 (CF /4801/)

Quellenangaben der
Abbildungen:
/1/ Karten aus der
Geographisch-artistischen
Anstalt von F. A. Brockhaus in: Brockhaus'
kleines Conversations-Lexikon; Leipzig F. A. Brockhaus 1888
/2/ Bildzitat aus: Atlas der Expeditionen
von Karen Farrington © Tosa Verlag Wien 2001
/3/ Bildzitat
aus: Der Nil – Die
Geschichte seiner Entdeckung
und Eroberung von Gianni Guadalupi © Karl Müller Verlag
Erlangen 2001
/4/
Le Village aérien – Collection Hetzel Paris 1901; 236
Seiten, Vollillustriert und zusätzlich 6 Chromo-Ganztafeln und eine
Karte – CF /4802/
/5/ aus /4/ Bildzitat von
Seite 135
Alle Bücher aus Collection
Fehrmann.
/6/ Zitat aus: Entretiens avec Jules Verne
(Bibliographie Bd. 5, Genf 1998), genutzt in Volker Dehs Jules Verne
/7/ Charles Robert Darwin; zeitgenössischer Stich um 1870, Sammlung Fehrmann
/8/ Werbepostkarte der Firma SOLUTION PAUTAUBERGE mit Erläuterungen der Franz. Kolonien. Hier die Karte Colonies Françaises. Le Congo von 1902, also zeitlich passend zum Roman. Aus meiner Sammlung CF /21346/.
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Das Dorf in den Lüften (1901)
Die Originalausgabe erschien am 11. Juli 1901 unter
dem Titel Le
Village aérien bei Pierre-Jules Hetzel in Paris (Rechts:
Titelei mit Frontispiz 1901 /4/)
Mitten
in Afrika lernen
wir eine bunt zusammengewürfelte Reisegesellschaft kennen: Der
Franzosen Max Huber hat sich mit dem befreundeten Amerikaner John Cort
und ihrem Pflegekind Llanga, einem zehnjährigen Eingeborenenkind, dem
Karawanenführer Urdax, einem Portugiesen, angeschlossen. Die Führung
der Gruppe unterliegt dem Foreloper Khamis, der aus Kamerun stammt.
Huber
und Cort waren von
Französisch Kongo aufgebrochen, um von der dortigen Hauptstadt
Libreville einen Ausflug ostwärts bis zum Lauf des Ba-har-el-Abiad,
eines südlichen Zuflusses des Tschadsees zu machen. Sie begleiteten
Elfenbeinjäger, die ihr erbeutetes Elfenbein dem Transport des Händlers
Urdax anvertrauten. Von Libreville ging es in Richtung Osten über die
Ebenen des Ubanghi, um dann in Richtung des südlichen Tschadsees zu
gelangen.
Ergänzendes Bildmaterial: Zur Verdeutlichung der Gesamtlage, ganz links eine Karte, markiert mit dem mittleren Westafrika /1/, daraus links im Text ein Kartenausschnitt mit Französisch Kongo
um 1888. Zu erkennen: Im
Norden der Tschadsee mit Ba-har-el-Abiad in der unteren
rechten Ecke des Sees. Dazu auch noch eine alte Postkarte von 1902 weiter unten rechts: Les Colonies Françaises. Le Congo
/8/, Motive: U.a. unsere Orte der Handlung: Links die Stromschnellen
des Ubanghi (franz: Oubangui) , rechts der Strand von Libreville,
ergänzt von einer Flussimpression des Ogooué (dt. Ogowe).
Inzwischen
befand sich die
Reisegesellschaft auf dem Rückweg. Dabei philosophierte Huber über das
Fehlen “außergewöhnlicher” Zwischenfälle, die doch erst eine Reise
abwechslungsreich und interessant machen.
Zu
Abwechslungen sollte es
schneller kommen, als es allen lieb war. Man ruhte am Rande eines
riesigen Waldgebietes, welches die Gruppe an den Folgetagen umgehen
wollte, da der dichte Wald für die Fahrzeuge nicht passierbar war. Da
wurde in den Abendstunden das Camp von einer riesigen Herde von
Elefanten angegriffen. Das Lager befand sich genau auf der Route, die
von den hunderten von Tieren durchkämmt wurde. Es kam wie es kommen
musste.
Während
beim Erkennen der
Gefahr die einheimischen Träger mit Teilen der Ausrüstung das Weite
suchten, konnten sich Urdax, Huber, Cort, Llanga und Khamis nur noch
auf die ersten vereinzelten Bäume des nahen Waldes retten. Von dort
musste Urdax den Untergang seines Transportes mit allen Zugtieren und
den Wagen beobachten. Nachdem die Elefanten auch noch die recht
schwachen Stämme der Fluchtbäume attackierten, fiel Urdax zwischen die
Tiere und er wurde von ihnen zerstampft. Die restliche Gruppe konnte
nur noch Hals über Kopf flüchten, da auch ihre Bäume zu schwach waren,
um den Angreifern zu wieder stehen. Eine Rettung gab es erst, als die
Fliehenden in den dichteren Wald liefen, der von den Riesentieren auf
Grund der dicht an dicht stehenden Bäume nicht mehr passiert werden
konnte.
Jetzt
war guter Rat teuer. Durch die
hastige Flucht hatte man gerade 50 Schuss Munition bei sich, alle
Transportmittel waren verloren gegangen und das Endziel lag in weiter
Ferne. Jetzt stand die Frage der Entscheidung: Zu Fuß den riesigen Wald
umrunden, so wie es eigentlich im Tross geplant war – oder die kürzere
Route quer durch den Wald. Aber in diesem wurden bereits am Vorabend
verdächtige Lichter gesehen, die auf Eingeborene hinzuweisen schienen.
Trotzdem beschloss man, den Wald zu durchqueren. In 30 Tagesmärschen
sollte es zu schaffen sein und immerhin gab es ja auch noch die
Möglichkeit einen Flusslauf zu finden, der in Richtung Ubanghi floss.
Konnte man sich diesem anvertrauen, müsste eine Beschleunigung der
Rückkehr erreichbar sein, da man diesen dann westwärts in Richtung
Libreville verlassen konnte (siehe Karte).
Während
man dieses Ziel anging, gab es eine rege Diskussion über Affen, deren
Lebensgewohnheiten, deren Gefährlichkeit und deren Stellung in der
Evolution. (Bild rechts aus /2/, ca.1900: Auf der
Gorillajagt – man beachte die vermenschlichte Darstellung in der
Haltung des Gorillas) In diesen Gesprächen brachte Verne
deutlich seinen Standpunkt als Antidarwinist zum Ausdruck. In den
weiteren Dialogen gab es dann Dispute über eine mögliche Intelligenz
der Primaten. Aufhänger war eine vom Amerikaner Dr. Garner vertretene
Theorie der “Sprachausbildung” von Affen. Die dazu durchgeführten
Experimente schienen damals reges Publikumsinteresse gefunden zu haben.
Verne beschrieb alle Zusammenhänge (die offensichtlich den Anstoß zum
Buch gaben) und machte dann die Leser mit der fiktiven Romangestalt des
deutschen Dr. Johausen bekannt. Dieser etwas über fünfzig jährige „Arzt
mit dem Hang zur Zoologie“ wollte die Experimente Garners zur
Vollendung bringen.
Als
unsere Helden dann doch endlich an einen Flusslauf kamen, fanden sie
Überreste eines Floßes und etwas später auch die einer Hütte. In der
Hütte zeigten sich Spuren der Expedition Dr. Johausens. Man malte sich
aus, das Johausens Experiment bestimmt an den wilden Tieren oder den
oft als Menschenfresser bekannten Eingeborenen gescheitert war. (Bild
links aus /3/: Ein junger Vertreter des Volkes Niamniam aus
Zentralafrika, denen früher ebenfalls Kannibalismus angedichtet wurde) Jetzt
war man froh den als sicherer eingeschätzten Fluss für den weiteren Weg
nutzen zu können. So wurde das Floß repariert und es ging Flussabwärts.
Dabei rettete Llanga einen jungen Affen aus den Fluten des Flusses
(siehe Illustration unten rechts /5/). Sein Einsatz wurde initiiert
durch die Rufe des Affenjungen nach seiner Mutter – dieses aber in der
Eingeborenensprache! Diesen Grund traute sich Llanga aber nicht seinen
erwachsenen Freunden zu nennen. Nach etlichen Kilometern weiterer
Floßfahrt kam es dann zu einer dramatischen Szene: An einer
Stromschnelle kollidierte das Floß mit den Felsen und die Freunde
erwachten etwas später mitten im Urwald. Wie waren sie dort
hingekommen? (Die Rettung Cyrus Smith aus der Geschichte „Die
geheimnisvolle Insel“ läßt grüßen ...) Durch einen Fackelschein im
Urwald werden alle Beteiligten durch den Dschungel geführt. So gelangt
man nach mehreren Märschen an ein Waldstück, in dessen Wipfeln ein Dorf
gebaut war.
In
100 Fuß Höhe hatte man zwischen den Urwaldriesen eine Holzplattform
errichtet, nur zugänglich durch eine Leiter. Auf dieser Holzplattform
war gestampfte Erde ausgebreitet und darauf befanden sich, verstreut
unter den Wipfeln, die Häuser der Bewohner. Und, wie könnte es anders
sein, es sind sprechende Affen! Sie nennen sich WAGDDIS und ihr Dorf
heißt NGALA. Als Bindeglied und Mittler zu diesem Stamm dient der jetzt
wieder aufgetauchte Affenjunge Li Maï. Trotz dessen die Affen zwar
freundlich sind (man rettete ja einen Stammesangehörigen), gibt es ein
Problem: Man lässt die Besucher nicht mehr aus dem Dorf. So versucht
man den Häuptling des Stammes, Mselo Tala-Tala zu erreichen, um eine
Freilassung zu erwirken. Spätestens nach der Übersetzung des
Häuptlingnamens in „Vater Spiegel“ und der Erläuterung, dass man damit
oft Brillenträger bezeichnet, ist es jedem Leser klar: Jetzt muss Dr.
Johausen seinen Auftritt haben. Richtig! Aber dieser ist völlig
verwirrt, und er ist als Helfer unbrauchbar. Ein gleichzeitig
stattfindendes Zechgelage der Affen nutzt unsere Gruppe zur Flucht. Ein
paar Seiten weiter verliert sich die Geschichte in der glücklichen
Rückkehr Aller.
Die
gleichen Fragen die sich der Leser
stellt, formuliert auch Verne: „ Und
der Doktor Johausen ...? Und Ngala, das merkwürdige Dorf in den Lüften,
das in Baumkronen des großen Waldes verborgen lag ...? Nun, früher oder
später würde schon eine Expedition im Interesse der neueren
anthropologischen Wissenschaft mit den seltsamen Wagddis in nähere
Verbindung treten. Was den deutschen Doktor angeht, so ist und bleibt
dieser dem Wahnsinn verfallen . (....)“ - ENDE
ERGÄNZENDE BEMERKUNGEN
Zu
diesem Roman gibt es eine interessante Passage aus dem Interview
von Hutin mit Verne, welches 1901 stattfand. Nachfolgend ein Zitat: „Und
welche
Frage behandeln Sie darin?“ - „Ich versuche, die Verbindungsart
zwischen dem vollkommensten Affen und dem unvollkommensten Menschen
wiederherzustellen.“ - „Diesen Versuch hat auch Dr. Garner unternehmen
wollen, indem er Affen zum Sprechen brachte.“ - „Mein Held wird der
Rivale des Dr. Garner sein. Der hat die Affen nur von Libreville aus an
der afrikanischen Küste studiert. Ich gebe mich etwas phantasievoller
und werde die Frage auf breiterer Ebene angehen; und auf jeden Fall bin
ich weit entfernt davon zur Schlußfolgerung von Darwin zu gelangen,
dessen Gedanken ich nicht im mindesten teile.“ /6/ Dazu kann ich nur
ergänzen, dass Verne als überzeugter Katholik öfters deutlich gegen die Lehren
von Charles Robert Darwin (1809 bis 1882; Bild links /7/) seine Meinung vertrat. Dies ist ein weiteres Beispiel dazu.
Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne
empfehle ich das Personenregister dieser Domain.
Das Lesen dieses Romans hatte wollte mich nicht so richtig begeistern: Erst nach dreizehn von achtzehn Kapiteln gelangt man zum
eigentlichen Höhepunkt und Namensgeber des Romans: Zum Dorf in den
Lüften. Vorher gab es diverse Detailbeschreibungen des Urwalds, die so
belehrend dargebracht nicht sehr unterhaltsam waren. Leider waren auch
alle "überraschenden" Wendungen vorhersehbar, da der Leser
ziemlich deutlich vorbereitet wurde. In den oben angesprochenen
Diskussionen ist deutlich die Parteiname Vernes und dessen erhobener
Zeigefinger zu spüren. Das Ende der Geschichte - siehe weiter oben das gekürztes Zitat in blau -
zeigt dann den nicht sehr gelungenen Schluss eines Romans, der ziemlich
seicht ausläuft. Schade – das Thema hätte mehr hergegeben.
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