Zu Hause bei Jules Vernes in Amiens(1871 bis 1905)
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Quellenangaben, und vielleicht der Reiz etwas mehr darüber zu lesen? (Die Systematisierung bezieht sich nur auf die Nutzung für diesen Beitrag) /1/ Volker Dehs: Jules Verne Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1986; Seite 78 (Detailangaben siehe Quelle /5501/ ) /2/ ebenda, Seite 104 /3/ ebenda, Seite 116 /4/ Paule Roy und Maurice Duvarel: Amiens de Daguerre à Jules Verne 1849 – 1905; Seite 97; Detailangaben siehe Quelle CF /5710/ /5/ Zeitgenössische Postkarte ca. 1910, ungelaufen; CF/21170/. /6/ L'Illustration - Journal
Universel Hebdomandaire; Nr. 3239, 25. April
1905; Paris; Seite 196; CF/6814/ /7/ George Newnes: The Stand Magazine - An Illustrated Monthly; Vol. IX, January to June 1895, Bild von S. 206, CF /6793/ /8/ aus /7/ Seite 209 bis 212 /9/ Fotos © Fehrmann 03/2005 /10/ Jules Verne: La Chasse au Meteore; Collection Hetzel 30 April 1908, Paris; Bildmotiv von G. Roux auf Seite 17; CF /8703/ /11/ Zeitgenössische Postkarte koloriert, ungelaufen, ca. 1900; CF/21255/ /12/ Fotos © Fehrmann 09/2021 /13/ Foto © S. Crampon, von mir beschnitten und verkleinert, gefunden auf: visit-somme.com /14/ Dieses Foto existiert in verschiedenen Varianten und Qualitäten. Ich habe eine hochaufgelöste alte Fotografie genutzt, um alle Fehlstellen, Schlieren, Entwicklungsfehler (Bläschen) etc. auszumerzen und gleichzeitig Tiefenschärfe und Kontrast wieder hergestellt. /15/ Mail von V. Dehs an Fehrmann vom 24.6.2020. /16/ Zeitgenössische Postkarte, ungelaufen, ca. 1900; CF/21228/
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Noch
während man in Le Crotoy wohnte, wurde von den Vernes eine Wohnung in
Amiens genutzt. Diese am Boulevard Saint-Charles Nr. 3 war ein
Anlaufpunkt auf halben Wege nach Paris, aber eben keine dauerhaft
genutzte Wohnung. Im Jahre 1871 entschließt man sich ganz von Le Crotoy
nach Amiens zu ziehen. Dies hatte mehrere Beweggründe. Ein Grund war
die gesuchte Nähe zu Paris, in der Jules seine Geschäfte abwickelte,
aber gleichzeitig war es auch die Stadt Honorines. BILDER:
Ganz oben in Farbe: Amiens La Rue des Tanneurs /11/, links – Die Cathédrale aus der Sicht von La Place des
Huchers 1870
/4/; unten - Le Cirque Muncipal,
zu dessen Eröffnung 1889 Jules Verne eine Rede
als Stadtrat für Kultur hielt. Hier eine Aufnahme von 1910 /5/ Trotz
mancher andersgearteter Veranstaltungen, war das Haus ständige
Heimstatt von Zirkuskünstlern. 1856 hatte Jules hier in Amiens seine zukünftige Frau kennen gelernt, denn hier lebten ihre Eltern. So ist es nicht verwunderlich, dass Honorine auch nach der Heirat öfters in Amiens Besuch war, gerade wenn Jules wieder mal längere Zeit unterwegs war. Wer die Karte der Picardie nicht sofort im Kopf hat, der muss sich die Lage der Orte wie folgt vorstellen: Während Le Crotoy an der Kanalküste an der Mündung der Somme als verträumtes Fischerstädtchen und später als Ausflugsort lag, ist in Richtung Paris, am gleichen Fluss liegend, noch nicht einmal hundert Kilometer weiter das regionale Zentrum der Picardie - Amiens - zu finden. Aber die siebzig Kilometer zwischen Le Crotoy und Amiens waren mehr als eine Entfernung: Amiens war zwar mit seinen damals etwa 62.000 Einwohnern nicht riesig, doch immerhin voller Leben und nicht so ruhig wie Le Crotoy mit seinen damals zirka 1.500 Einwohnern. Gerade Honorine soll sich dort gelangweilt haben. Amiens wurde schnell das Lebenszentrum der Familie Verne. Seine Liebe zur Stadt brachte Jules 1875 in seiner Kurzgeschichte Eine ideale Stadt zum Ausdruck. Auf meiner Seite zu dieser Kurzgeschichte habe ich auch noch weitere Fotoeindrücke aus dem alten Amiens eingebunden.
Bild links: Le Cirque Jules Verne,
wie er heute heisst /12/. Nach umfangreicher Renovierung wurde der
Zirkus im Jahre 2003 unter diesem Namen wiedereröffnet. Die Liebe Jules
Vernes zum Zirkus zeigt sich auch in den Romanen Cäsar Cascabel und Mathias Sandorf. Wo wohnte Jules Verne in Amiens?Kaum
war die Familie 1871 nach Amiens an den Boulevard Guyencourt 23
gezogen, der am südlichen Stadtring liegt, wechselte man im März 1873
von dort in ein Reihenhaus am Boulevard Longueville 44, der heute
Boulevard Jules Verne heißt. Dieses recht unscheinbare Haus sollte
Jahre später auch die letzte Wohnung Jules Vernes sein. Parallel zu
diesem Haus hatte das Ehepaar im September 1877 noch eine Zweitwohnung
in Nantes angemietet. Vertiefend dazu siehe Zu
Hause bei Jules Verne in Nantes.
Der nächste Wohnungswechsel fand 1882 zum zirka hundertundfünfzig Meter weiter entfernten Haus in der Rue Charles-Dubois statt. Man zog sozusagen gleich um die Ecke. Dieses repräsentative und geräumige Haus ist mit seinem markanten Turm heutzutage das markanteste Gebäude mit Bezug zu Jules Verne in Frankreich. Es ist es eine sehr attraktive Immobilie. Dies unterstreichen die Bilder im Hochkant-Format: Jules Verne im Garten des Hauses /6/ und gemeinsam mit Honorine (in der Tür stehend) im Innenhof des Hauses /7/. Durch das gläserne Vestibül in das Haus tretend, dort wo im rechten oberen Bild Honorine steht, gelangt man in die großzügigen Räume. Zentraler Punkt des Hauses war der Salon, der offenbar für Besucher besonders attraktiv eingericht war. Heutzutage hat man versucht das Flair vergangener Tage weitestgehend wieder herzustellen. Dazu wurden die Räume Salon, Speisezimmer und Arbeitskammer nach alten Bildern in der Ausstattung nachempfunden. Im Nebengebäude des Anwesens, dort wo im linken Bild Jules Verne mit seinem Hund steht, sind heute wechselnde Ausstellungen untergebracht. Insgesamt hatte das Anwesen in den letzten Jahren eine recht bewegte Geschichte. Eigentlich sollte das heutzutage Maison Jules Verne genannte Gebäude zu Vernes 100. Todestag komplett renoviert sein. Der Termin wurde nicht punktgenau eingehalten, so wurde eben das modernisierte Gebäude ein Jahr später zum 101. Todestag am 24. März 2006 neu geweiht. Inhaltlich aufgewertet wurde das Haus, als es nach dem Umbau die umfangreiche Sammlung mit über 30.000 Stücken von Piero Gondolo della Riva aufnehmen konnte. Das vorher dort angesiedelte Centre International Jules Verne (CIJV) wurde bei dieser Gelegenheit "ausgelagert". Nach einer Zwischenlösung hat es ab 2011 sein Domizil in der Rue Jacobin aufgeschlagen. Wie sah es bei Jules Verne zu Hause aus?Die Bilder unten zeigen Räume des Hauses. Links der Salon, dann die Bibliothek und folgend das Arbeitszimmer /8/. Die Ausstattung und die Nutzung hat man, wie es auch die Vernes taten, trotz Orientierung an Vorlagen in den jetzt als Ausstellung besichtigbaren Räumen etwas geändert. Vieles wurde aber wieder lagerichtig eingerichtet. Der markante Schreibtisch Jules Vernes, der viele Jahre im unteren Geschoss stand, hat heutzutage wieder seinen Platz neben dem "Arbeitsbett" gefunden.
Jules wird Amienser Aber
Jules Verne war nicht der unbekannte Bürger, der einfach so nach Amiens
kam. Als die Familie nach Amiens ziehen wollte,
eilte Jules Verne schon der Ruf eines erfolgreichen Schriftstellers
voraus. „Natürlich freut man sich in der Provinz über den
berühmten Neuling und beeilt sich, ihn in die »gute Gesellschaft« zu
integrieren. Am 8. März 1872 wird er einstimmig in die Académie
d'Amiens aufgenommen und soll am 28. Juni seine Begrüßungsrede halten.“
/1/ In den Jahren 1875 und 1881 wird er sogar zum Vorsitzen der
Akademie gewählt. Aber es drängt ihm auch in politische Ämter und so
erhält er im Jahre 1888 1892, 1896 und 1900 ein Mandat für den
Stadtrat. An
dieser Stelle gleich mal eine Korrektur eines weitverbreiteten Irrtums.
Das dargestellte Bild oben rechts /14/ stellt nicht den Stadtrat von
Amiens, wie oft publiziert wird, dar - es ist anläßlich der Einweihung
derFresken des Museums Ludus Pro Patria am 5. Februar 1888 aufgenommen worden. Volker Dehs erläutert uns die dargestellten Personen: In Amien beginnt eine intensive und erfolgreiche Schaffensperiode des Schriftstellers. Ständig schreibend, gönnte er sich aber auch mit seiner inzwischen angeschafften Dampfyacht Mittelmeerreisen zu allen Anrainerstaaten, nach Norwegen, Irland und Schottland und über die Nord- und Ostsee kommt er auch nach Deutschland. All diese Reisen reflektierte er in seinen Büchern, die gerade durch exakte Beschreibungen von Land und Leuten brillierten. Das Jahr 1886 brachte einschneidende Veränderungen für Jules Verne. Der bis dahin vom Glück begünstigte erhielt mehrere harte Schicksalsschläge. Sein geistig verwirrter Neffe Gaston schoss ihm in den Fuß und jahrelanges, gesundheitliches Leiden sollte daraufhin folgen. Im gleichen Jahr starb sein Freund und Verleger Hetzel und im Folgejahr starb seine Mutter. Verne trug schwer daran. In seinen Romanen spürte man das Nachlassen der Fantasie. Als er dann auch noch seine Yacht verkaufen muss um die enormen Schulden seines Sohnes Michel zu begleichen, zog er sich ganz in das kleinbürgerliche Leben Amiens zurück. Foto
links: Das Stadttheater von Amiens um 1900 /16/ mit der Fassade von
1775/76, sagt eine Plakette an der Fassade. Bild unten rechts: Heute
erinnert nur noch die Fassade an das eigentliche Theater /12/ „Viele meiner Freunde werden Ihnen sagen, (erklärt er 1895 in einem Interview) daß ich auf meine Eigenschaft als Stadtrat von Amiens stolzer bin als auf meinen literarischen Ruf.“ /2/ Der Freund des Theaters, Jules Verne, ist auch im Theaterausschuss tätig. Regelmäßig besucht er dazu die Aufführungen im Théâtre Municipal in der Rue des Trois Cailloux (siehe dazu Bild links: Das Theater /5/) 1892 wird Jules Verne zum Offizier der Ehrenlegion ernannt, der Verdienste um die Stadt Amiens wegen, nicht als Auszeichnung für sein schriftstellerisches Schaffen.“ /3/ Im Oktober des Jahres 1900 erfolgte dann ein letztmaliger Umzug, aus dem großen Haus zurück in den Boulevard Longueville 44. Dort starb Jules am 24. März 1905. Seine Frau Honorine folgt ihm am 29. Januar 1910. Aber Jules Verne hat auch in seinen Werken der Stadt Amiens ein Denkmal gesetzt. So taucht der Name der Stadt in mehreren seiner Werke wieder auf: Im Roman Reise mit Hindernissen nach England und Schottland und in den Kurzgeschichten: Eine ideale Stadt, Zehn Stunden auf der Jagd oder in Paul Vernes Von Rotterdam nach Kopenhagen.... Wobei der „Frieden von Amiens“ in mehreren Romanen vorkommt.
Ergänzendes
Bildmaterial Foto links unten: Das Haus Boulevard Longueville 44 im Jahre 2021
/12/.
Bild rechts oben: Das Haus in der Rue Charles-Dubois mit seinem markanten Turm /12/, der erst vor ein paar Jahren eine aus meiner Sicht gewagte, aber tolle Modernisierung fand. Ich denke, sie folgte im Geiste Jules Vernes Fantasien. Um eine stilisierte Erdkugel sind sphärische Metallringe angebracht, die an ein Flugbild von erdumkreisenden Raumschiffen erinnern. Kritikern sei gesagt: Seht euch diese Konstruktion in den Abendstunden an (Bild rechts /13/). Dann erkennt ihr die Philosophie des architektonischen Kunstwerkes. Links ein Foto aus dem Jahre 2005 /9/, noch ohne dem futuristischem Aufbau. Der Turm muss Inspiration für den Illustrator G. Roux gewesen sein, denn er ist ein Teil der Illustration Das Haus von Mr Dean Fortsyth aus dem Roman Die Jagd nach dem Meteor geworden. Offensichtlich war der Illustrator in Vernes Haus zu Gast. Siehe dazu das Bild unten rechts /10/. |
NACH OBEN - SEITENANFANG | Zum Tode Jules Vernes in Amiens siehe dazu Abschied nehmen von Jules Verne |
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© Andreas Fehrmann – 10/2005, letzte Aktualisierung 19. Mai 2022