Quellenangaben:
/1/ Stich
von FélixBenoist: Port
de Nantes aus Nantes et la Loire Inférieure;
Carpentier, Nantes 1850
/2/ Fakten aus Meyers Konversationslexikon
Leipzig 1878; Collection Fehrmann
/3/ Faltblatt:
Laissez-vous conter Nantes - sur le pas de Jules Verne,
Herausgeber: Musée Jules Verne - Ville de Nantes - Bibliothèque
Municipale Nantes, ca. 2010
/4/ Historische Postkarte aus meiner Sammlung
/5/ Foto © Fehrmann 2013
/6/ Fakten aus: Albert Gieseler: Dampf- und Kraftmaschinen,
Mannheim 2009
/6/
Jules Verne: Reise mit Hindernissen nach England und
Schottland; Paul
Zsolnay Verlag Wien 1997 ISBN 3-552-04861-8; Seite 20. Siehe auch
hier:
Reise mit Hindernissen nach England und Schottland; CF /6301/ /7/ Postkarte "Trentemoult Les Nantes"; ungelaufen, CF /21206/
/8/ Foto © Fehrmann 2019
/9/
Ausschnitt aus einer stereoskopischen Aufnahme ca 1910, was ich
aufgrund der noch vorhandenen Brücke im Hintergrund datiert habe.
Original aus meiner Sammlung. CF /21102/
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Schon
im Mittelalter hatte Nantes den Ruf, einer der sichersten Seehäfen des
französischen Königreichs zu sein. Denn landeinwärts an der Flussmündung der Loire
gelegen, war der Hafen nicht den Angriffen von See her ausgesetzt. Die
Stellung
als bedeutende Hafenstadt erreichte ihren Höhepunkt mit dem
Überseehandel vor
allem nach Asien und dem Sklavenhandel ab Mitte des 18. Jahrhunderts.
Im
damaligen Hafenbetrieb wurden rund 2000 Schiffe jährlich abgefertigt.
Aber die Geschäfte
hatten im wahrsten Sinne des Wortes auch ihre dunklen Seiten. Die mit
Handelswaren
beladenen Schiffe aus Nantes fuhren entlang der afrikanischen Küsten um
im
Gegenzug, wie schon erwähnt, Sklaven „einzukaufen“. Fast jedes zweite französische
Sklavenschiff
lief aus Nantes aus, um seinen fragwürdigen Geschäften nachzugehen.
Daran
erinnernd wurde 2012 am Quai de la Fosse, der Hauptanlegestelle der
Sklavenschiffe, ein Mahnmal zur Abschaffung der Sklaverei eingeweiht.
Der
durch die Handelsaktivitäten einsetzende Reichtum der Reeder und
Handelsagenturen initiierte viele städtebauliche Aktivitäten. Die
ehemals in
der engen Innenstadt lebenden Kaufleute und Reeder verlagerten zu Anfang des
19. Jahrhunderts und in den ersten Dekaden danach ihre
Geschäftsaktivitäten in
die Viertel um den Quai de la Fosse. Hier
entstanden riesige Lager für den
Überseehandel. Links oben zu sehen der Hafen vor 1850 /1/. Dieses Quartier
hat jetzt inzwischen eine jahrhundertealte Hafentradition. Vielleicht
dazu ein paar Fakten um den Hafen von Nantes, damit man sich in etwa
vorstellen kann, welch ein
pulsierender Handelsstandort Nantes im 19. Jahrhundert war.
Deutlich zeigt es sich in den Zahlen von 1874: Im
internationalen Schiffsverkehr sind in diesen Jahr 729 Schiffe mit fast
82
Tausend Tonnen ausgelaufen und 785 Schiffe mit fast 97 Tausend Tonnen
eingelaufen. In Nantes waren zu diesem Zeitpunkt 643 Segelschiffe mit
128
Tausend Tonnen und 35 Dampfschiffe mit 3207 Tonnen unter Flagge der
dortigen
Handelsmarine. Ergänzend dazu kommt noch die Küstenschifffahrt mit 1800
eingelaufenen Fahrzeugen in einer Tonnage von zirka 80 Tausend Tonnen
und rund
1500 ausgelaufenen Schiffen mit fast gleichem Gehalt /2/
Früher
soll die
gesamte Region um diese Hafenstraße voll von Gerüchen aus Übersee und
damit
voller Sehnsucht nach Abenteuer und Reisen gewesen sein. Beispielhaft
werden
noch heute die Lagerräume der Indienkompanie erwähnt. Kein Wunder, wenn
dadurch
die Fantasie Vernes angeregt wurde. Folgende Bilder: Vernes Saint Michel III im
Wasser der Loire vor dem Quai de la Fosse ca. 1885 /3/ und der
Quai um 1890 an der identischen Stelle /4/
Bild
links: Der Quai de la Fosse heutzutage, fast die gleiche Lage, nur ein
etwas anderer Blickwinkel /5/. Genau in diesen Häusern hatten wir
während eines Urlaubs Quartier genommen - auf halber Strecke zwischen Vernes Geburtshaus und
dem heutigen Verne-Museum. Daher meine Eindrücke sozusagen "aus erster
Hand".
Fast
im gleichen Zeitraum wie die Lagerhäuser, die Hafenbüros und die
Reedereiniederlassungen wurden etwas weiter davon
repräsentative Wohnviertel
errichtet. Diese wuchsen am
Uferstreifen der heutigen Ile Feydeau
und deren Umfeld. Noch heute künden die reich verzierten Bürgerhäuser,
die im
Stile an venezianische Paläste erinnern, vom Reichtum seiner Besitzer.
Dazu
zählen auch die Häuser der Rue Kervegan
mit ihren runden Balkonen und ihrem reichen exotischen Schmuck.
Dies
war auch das Wohnumfeld der jungen Eltern Jules Vernes, denn die
Familie der
Braut lebte dort. Auch die Rechtsanwaltspraxis von Pierre Verne war in
diesem
Viertel untergebracht
und die ersten
Wohnungen der Familie waren alle in diesem Quartier. Siehe dazu meine
Seite
Zu Hause bei Jule Verne in
Nantes. Jules wurde in eine Zeit hineingeboren, als Nantes
die
Hoch-Zeit der Segelschifffahrt erlebte. Die Schiffe lagen in den Kais
teilweise
in Doppel- oder Dreierreihen entlang der Hafenanlagen. Wenn die Familie
ab 1838
auf den Weg nach Chantenay zu ihrem Sommerhaus unterwegs war, war dies
das
ständige Panorama entlang der Ufer der Loire. Der Hafen von Nantes
selbst
konnte rund 300 Schiffe gleichzeitig, allerdings nur mit einer Tonnage
von 300 Tonnen
aufnehmen. Schiffe mit größerer Tonnage mussten noch im 19. Jahrhundert
auf den
an der Loiremündung liegenden Hafen St. Nazaire ausweichen. Dieser
Hafen war
der sogenannte Vorhafen Nantes.
Und
weil wir gerade an dieser Passage entlang der Loire sind, hier noch
eine interessante Perspektive: Auf halben Wege nach Chantenay zum
Sommerhaus der Vernes liegt heutzutage das Jules-Verne-Museum und kurz
davor an der Rue de l'Hermitage
steht linksseitig ein Ensemble von zwei Bronzen. Das ist der junge
Jules Verne und sein späterer Romanheld Kapitän Nemo. Naheres dazu und
auch Bildmaterial ist auf meiner Seite Jules Verne in Nantes zu finden. Mehrere Meter steil unterhalb der Rue de l'Hermitage
fließt die Loire. In einer historischen Aufnahme sieht die Perspektive
so wie links zu sehen aus /9/. Der Blick geht stromaufwärts und die
links zu sehenden gemauerten Säulen versteifen die oberhalb liegende
Plattform, auf der Heute die beiden Bronzen stehen.
Aktuell sieht der Blick so wie auf dem Bild rechts aus /8/. Der Platz heißt jetzt Square Commandant Aubin,
benannt nach einen von 1889 bis 1981 lebenden Hap-Hoornier und
Schriftsteller. Genau hinter der Metallbrüstung im oberen Bildteil
steht heute die Skulptur von Kapitän Nemo. Ein stimmiges Ensemble.
Neben
den schon beschriebenen maritimen Handelsaktivitäten siedelte sich aber
auch im
19. Jahrhundert verstärkt die Industrie in und um Nantes an. Dazu
gehörte vor
allem der Schiffsbau mit der dazugehörigen Zulieferindustrie für
eiserne
Schiffsbestandteile, Kessel, Anker und Ankerketten, Schiffsmaschinen,
Kupferplatten zur Schiffsbekleidung, Kanonen und Motore. Auf andere
Industriezweige gehe ich in diesem Beitrag nicht näher ein. Während der
Schwerpunkt der Werften auf der Ile de Nantes gegenüber dem Quai de la
Fosse
angesiedelt war, waren die Zulieferer in der gesamten Region verstreut.
Auf der
vorgenannten Insel waren viele Warenkais und kleinere Werften zu Beginn
des 19.
Jahrhunderts angesiedelt.
Mit zunehmender Industrialisierung wurden die
Firmen
immer größer. Siehe dazu das Foto links /5/: Die Insel heute, teilweise
entkernt von kleineren Industrieanlagen, bilden die größeren ehemaligen
Werftgebäude (rechts innerhalb des Fotos: Das ehemalige Ateliers de
Chantiers de Nantes) Raum für Freizeitaktivitäten und maritime
Artefakte. Im linken Teil des Fotos ist ein Teil der großen Hallen der
Organisation Les Machines de L'île zu sehen. Siehe dazu vertiefend meinen Beitrag: Besuch in Nantes: Les Machines de l'île. Dazu gehören die alten
Werftanlagen, historische Technik und die Compagnie La Machine, die
2005 mit dem mechanisch
animierten riesigen Elefanten die Idee von Vernes
Stahlelefant
mit Leben erweckte.
Zu den damals ansässigen
Industrieansiedelungen gehörte auch die Werft Jollet &
Babin. Sie wurde um 1845
als "Jollet Père et Fils" gegründet, hieß seit 1859 "Jollet Fils
Aîné" und firmierte ab 1869 als "Jollet & Babin". Hier lief
1876 die spätere Saint Michel III
vom
Stapel, dem dritten Schiff von Jules Verne. Näheres dazu siehe auch in
meinem
Beitrag:
Jules Vernes Jachten Saint
Michel I, II & III. Aus dieser Werft wurde 1881 die
Firma "
Société Anonyme des Ateliers et Chantiers de la Loire“ (Fakten aus
/6/). Im
Jahre 2007 wurde der Geschichte der Ile de Nantes im Zusammenhang mit
Jules Verne ein neues Kapitel hinzugefügt. Denn Vernes zweites
Boot Saint Michel II wurde wieder
zu Leben erweckt. Das Projekt der Rekonstruktion der Saint Michel II
wurde erfolgreich abgechlossen.
Dies geschah auf der
Initiative von La
Cale2,
einer Gesellschaft, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich um den
Erhalt und die Restaurierung von Schiffs- und Hafenobjekten zu kümmern,
zur Erhaltung des maritimen Kulturerbes.
Neben dem Erhalt maritimer Einrichtungen und Werftelementen, wie zum
Beispiel des Riesenkrans auf der Ile de Nantes, hat sie den
Neubau
des Verne-Schiffes organisiert. Dies geschah im Hangar 31 Quai des
Antilles. Siehe Foto oben rechts /5/. Ein paar Jahre später ist das
Jules Verne Konterfei von der Außenwand verschwunden und die Halle
macht nur noch Eigenwerbung für sich (siehe Foto oben links /8/).
Etwas
weiter flussabwärts, auf der linken Seite des
Flusses liegt das ehemalige Fischer-und "Kap Hoornier"-Dorf Trentemoult, heute zu Nantes gehörig.
Es ist von der Westspitze der Ile de Nantes aus durch seine roten
Dachziegel
schon zu erkennen. Schon seit dem 18. Jahrhundert ist es Heimstatt von
Fahrensleuten gewesen. Diesem Ort widme ich einen gesonderten Beitrag auf der Seite: Jules Verne im Umfeld von Nantes,
dort im Absatz: Trentemoult. Dort spreche ich auch Hintergründe einer
wichtigen Person in Vernes Umfeld an: Denn von von dort kam der 1825
geborene Charles
Frédéric Ollive,
der Kapitän der Saint Michel III.
Dessen Haus ist heute immer noch in der Rue Boju auf Trentemoult zu finden (Aussage in /2/). Gleichsam
interessant
ist es, dass dieses Fischerdorf zu
Jules Vernes Jugendzeiten bei damals noch unverbautem Blick vom
Sommerhaus in
Chantenay zu sehen war. In einem Roman hat Verne dieser Region ein
Denkmal
gesetzt: „Am Ende des
Hafens von Nantes verbreitert die Loire sich auf
majestätische Weise; ihre Wasserfläche besteht an dieser Stelle aus dem
Zusammenfluß von acht oder neun Armen, deren gelbliche Fluten sich an
den Bogen
vieler Brücken gebrochen haben. Auf der linken Seite erstreckten sich
friedlich
die Insel und das Dorf Trentemoult, deren Bewohner ein recht
auffälliges
Äußeres besitzen, ihre alten Bräuche bewahrt haben und sich, wie es
heißt, nur
untereinander verheiraten. Zur Rechten stieß der Kirchturm von
Chantenay seine
lange Spitze in den abendlichen Nebel.“/6/ Diese 1859/60
geschriebenen Zeilen
zeigen die fast liebevolle Beschreibung Vernes maritimer Heimat.
In
diesem Zusammenhang möchte ich noch auf eine interessante Fehlinterpretation hinweisen.
Im Bild links /7/, einer alten Postkarte von zirka 1905 bis 1910, soll das ehemalige Schiff Jules Vernes, die Saint Michel III
zu sehen sein. Dies ist in einigen internationalen Diskussionsforen publiziert worden, aber wie in meinem Beitrag
Jules Vernes Jachten Saint
Michel I, II & III.ausgeführt, ist diese Vermutung nicht haltbar. Das in den Konturen ähnliche Schiff liegt auf dem Bildmotiv in der Nähe des alten
Hafen von Nantes auf der Loire, gerade gegenüber der Siedlung Trentemoult.
Wer
diesen Beitrag gelesen hat, der wird verstehen, welch eine nachhaltige
Wirkung dieses Umfeld auf die Prägung eines Jungen und eines Mannes
haben kann, wenn dieser mit offenen Augen bewusst alles aufnimmt.
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