FILM
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Der Film
lief seit Ende der 40er Jahre in deutschen
Kinos. Hier zwei Programmhefte aus den 50er Jahren in Ost und West:
oben die PROGRESS
Filmillustrierte Nr. 38 / 1953 und unten Illustrierter Film-Kurier
Nr. 159

BEISPIEL-DVD:
Bei der Erstellung dieser Seite stellte ich damals die Frage: Wer erlöst den Film aus seinem
„Dornröschenschlaf“ und produziert daraus eine Klassik-DVD? Im Jahr 2017 war es dann soweit:

© Schröder Media 2017: Jules Verne Early Classics mit den Filmen: Die Geheimnisvolle Insel (SU 1941); Der Kurier des Zaren (Deutschland 1936, auf dem DVD-Cover seltsamerweise: Virginia 1864 genannt), Reise durch die Sonnenwelt (Animationsfilm USA 1967), 20.000 Meilen unter dem Meer (USA 1916) und Die Reise zum Mond (Frankreich 1902)
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Die Geheimnisvolle Insel:
Verfilmung SU 1941
Originaltitel: Tainstwenni
Ostrow / Die Geheimnisvolle Insel (Таинственный
остров); UdSSR / CCCP; s/w; Laufzeit original: 94 Minuten,
wurde teilweise in Fassungen von 75 Minuten als Kopie vertrieben;
Regie: Eduard Penzlin ( Eduard Pentslin / Эдуард Пенцлин), Buch: Boris
Schelonzew ( Boris Shelontsev / Борис Шелонцев) und Michail Kalinin (
M. Kalinin / Михаил Калинин); Darsteller:
Alexej Krasnopolski (A. Krasnopolsky / Алексей Краснопольский) als
Captain Cyrus Smith/Jarding; Andrej Sowa (Andrei Sova / Андрей
Сова) als Pencroft; Pawel Klianski (Pavel Kiyansky / Павел Клянский)
als Gideon Spilett; R. Ross (Р. Росс) als Nab; in weiteren Rollen: Juri
Grammatikati (Yuri Grammatikati / Юрий Грамматикати), Nikolai
Kommissarow (Nikolai Komissarov / Николай Комиссаров), Boris Schelonzew
(Boris Shelontsev / Борис Шелонцев) und Pawel Kijanski (Pavel Kianski /
Павел Киянский)
Gefechtsszenen
des
amerikanischen Bürgerkrieges eröffnen den Film: Der Krieg nähert sich
dem Ende, seine Heftigkeit nahm aber noch zu. Im umkämpften Richmond
wartet ein Ballon auf besseres Wetter. Unweit von ihm spielen sich
dramatische Szenen ab: Ein Schwarzer soll nach wilder Verfolgung vom
Mob gelyncht werden. In letzter Sekunde schreiten die im Innenhof sich
bewegenden Nordstaatler unter Initiative von Cyrus Smith ein. Nach
einem Handgemenge nehmen die Beteiligten die Chance war, ihr Leben
durch eine kühne Flucht mit dem Ballon zu retten. Gerade noch so können
sie sich in die Luft erheben. Erst nach einer gewissen Sturmfahrt
stellen sie sich gegenseitig vor. Stimmig zum Roman sind alle
Hauptakteure, selbst der Hund Top, an Bord. Dieser Aha-Effekt setzt
sich jetzt verstärkt fort. Gerade wer die Originalillustrationen der
alten Hetzelausgaben kennt, der hat jetzt ständig ein Dejavu. Denn die
Macher des Films bemühen sich, die Bildsprache der Vorlage
nachzuempfinden. Aus diesem Grunde habe ich fortlaufend im
Text einige
Vergleiche eingefügt. Der Originalbezug fängt beim Hund Top
an, setzt
sich bei der jetzt auftauchenden Insel fort und immer wieder bei
späteren Szenen muss man unwillkürlich an die Bilder denken (Bild oben
rechts: Cyrus auf der Insel bei der Positionsbestimmung nach Auffinden
des geheimnisvollen Strandgutes).
Gerade
noch so gelangen
die Flüchtenden auf die am Horizont auftauchende Insel, Top und Cyrus
stürzen vorher in das Meer. Nach der ersten Nacht in den Schloten hören
sie Hundegebell und kurz darauf finden sie Cyrus in einer Höhle. Nach
der Namensgebung von Inselteilen und der Taufe der Insel auf „Lincoln“
macht Pencroft den Vorschlag, dass sie sich Neusiedler (deutsche
Synchronfassung) nennen sollen, nicht Schiffbrüchige. Darauf machen
sich die Siedler das Leben auf der Insel lebenswerter. Wir sehen die
Arbeit in der Ziegelei, die Siedler beim Töpfern und später wird das
Granite House, in der deutschen Synchronfassung „Felsenheim“ wohnlich
gemacht (Die Namensgebung wird übrigens auch in einigen älteren
deutschsprachigen Literaturfassungen von Verne und beim Schweizerischen
Robinson genutzt. Bildvergleich: links der Film, rechts die
Originalillustration von der Strandsicht des Granite House). Als dann
das geheimnisvolle Strandgut angespült wird, sind alle vom Inhalt
begeistert. Neben den wirklich nützlichen und notwendigen Dingen ist
auch noch für Harbert eine angenehme Überraschung dabei: Bücher! Und
selbst sein Lieblingsbuch ist darunter: „20.000 Meilen unter den
Meeren“ (ein Augenzwinkern des Drehbuchs). Nur Pencroft ist enttäuscht,
sein sehnlichster Wunsch ist doch ein Pfeifchen mit
Tabak. Immer wieder ereignen sich
mysteriöse Dinge. Da ist zum einen die ständige helfende Hand und dann
taucht öfters noch eine Schattengestalt auf, eine zerlumpte Figur. Der
Verne-erprobte Zuschauer erahnt es: Es ist Ayrton, den man
offensichtlich aus Gründen der Straffung gleich auf der LINCOLN-Insel
ausgesetzt hat. Als er Harbert durch einen Überfall ein Gewehr abjagen
will, kann man ihn überwältigen und nach Felsenheim bringen. Aber er
ist stumm und verwirrt. Erst nach einer gewissen Zeit kommt er
freiwillig zurück zu den Kolonisten um über seine Geschichte zu
erzählen. Spontan wird er von der Gruppe aufgenommen.
Das Gemeinwesen der
Insulaner entwickelt sich zunehmend und man richtet sich ein. Nachdem
nach dem Fund des berühmten Samenkorns nach mehreren Ernteperioden auch
Ernährungsfrage gesichert scheint, bauen die Siedler eine Windmühle.
Selbst die Onagergespanne der Romanvorlage finden sich wieder. Aber
nicht nur das: Cyrus stellt Nitroglyzerin her und sprengt einen
künstlichen Flusslauf in Richtung Meer. Dieser kann jetzt die neueste
Erfindung der Siedler antreiben: Einen Fahrstuhl zum luftigen Einstieg
in das Felsenheim (Bildvergleich: links der Film, rechts die
Originaillustration der Kaminszene im Granite House).
Als
dann ein Jubiläum der
Inselankunft gefeiert wird, erlebt Pencroft einen der schönsten Tage
auf der Insel, denn ihm wird ein gestopftes Pfeifchen überreicht. Die
urwüchsige Freude die ihm das lang vermisste Rauchen bereitet ist so
bildhaft dargestellt, das heutzutage jeder Tabakkonzern über dies Art
von Werbung seine Freude
daran gehabt hätte. Kurz darauf sieht Harbert vom Fenster der
Felsenwohnung
ein vermeindlich zur Rettung nahendes Schiff. Doch Ayrton bremst die
Freude der Freunde: Er erkennt ein Piratenschiff, auf dem er selbst
schon „tätig“ war. Deckungsgleich zur Romanvorlage macht sich Ayrton
auf dem Weg zum Schiff. Über die Ankerkette erklimmt er es und durch
eine günstige Gelegenheit ermutigt, versucht er die Pulverkammer in die
Luft zu sprengen (siehe wieder Vergleich: links der Film). Dieser
Anschlag wird jedoch vereitelt. Ayrton kann sich zwar verletzt, aber
gerade noch so retten. Am nächsten Morgen versuchen die Piraten ein
Landemanöver um sich der Insel zu bemächtigen. Als sich die Insulaner
erbittert zur Wehr setzen, beginnt der Rest der Piraten die Insel zu
beschießen. Das Bombardement der Piraten ist jedoch um einiges
Umfassender und Vernichtender als in der Romanvorlage. Bald gehen die
Stallungen und die Mühle nach einem Kugelhagel in Flammen auf. Ob die
Filmemacher auf die Bilder des gerade stattfindenden Krieges
reflektierten? Die sich gerade noch in die Tiefen des Felsenheims sich
retten könnenden Siedler erleben kurz darauf das nächste Wunder: Das
Piratenschiff explodiert, wie man später feststellt, durch ein Torpedo.
Doch bei dem vorangegangen Schusswechsel hat es Harbert schwer
erwischt. Er liegt auf dem Krankenbett und fiebert stark. Nur Chinin
kann ihn noch retten. Harbert ringt mit dem Tode, da gibt es wieder
eine der mysteriösen Handlungen – wie durch ein Wunder gelang eine
Packung Chinin inmitten des Felsenheims. Harbert kann gerette
werden. Die Siedler beschließen
ein Schiff zu bauen, schon lange trug man sich mit diesem Gedanken.
Erfolgreich setzen alle gemeinsam diesen in die Tat um – und Pencroft
wird Kapitän!
Endlich scheint es eine
Auflösung der ständigen geheimnisvollen Dinge zu geben. Der Ticker des
Telegrafengerätes, welches die Siedler installiert haben, meldet sich.
Und dies, obwohl alle Siedler anwesend sind. Der geheimnisvolle Retter
meldet sich! Man solle doch dem Kabel folgen. Dies wird auch getan,
jedoch verschwindet wie im Roman, das Kabel nach einigen Metern im
Meer. Mit einem Boot gelangt man bald in eine Grotte. Sofort erkennt
der Leser im Film die lichtausstrahlende Nautilus wieder, man hat die
Bildvorlage des Holzstiches von Ferat gleich im Film verwendet! (siehe
Bild rechts im Text: Links wieder das Szenenbild und rechts der Stich
als Vergleich). Als die Siedler an Bord
gehen ist es Smith schon klar: Sie werden Kapitän Nemo begrüßen.
…..Kurz darauf wird die Prophezeiung Nemos war – der Vulkan bricht aus
und die Siedler müssen Hals über Kopf die Flucht ergreifen. Im letzten
Augenblick erreichen sie das offene Meer. Sie reisen der Heimat
entgegen, nicht ohne sich zu schwören, gemeinsam an der Zukunft
Amerikas zu arbeiten.
Wenn man einen
Film betrachtet, dessen Alter man nicht nur von der Gestaltung her,
sondern auch von der Qualität der Kopie her erahnen kann, dann
verstärkt sich beim Betrachter der Eindruck, dass man sichtbar in der
Vergangenheit angekommen ist. In der Literatur hatte ich schon einiges
über diesen Film gelesen. Nach vielen Jahren konnte ich 2006 meine
Erwartung mit der realen filmischen Umsetzung vergleichen. Der Film hat
eine eigenartige Ausstrahlung. Durch
seine antiquierte Darstellung und durch seine hohe Detailtreue zur
Handlung und in der Bildsprache, fühlt man sich direkt mit dem Werk
Vernes verbunden. Ohne Zusatzschnickschnack, ohne eingefügte Personen
oder spektakuläre Erfindungen, wie oft in späteren Verfilmungen
kolportiert, kommt man trotzdem zu einem spannenden Film. Die
Romanvorlage gibt es bereits her!
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