Collection Fehrmann

Jules Vernes „Voyages extraordinaires"

- Band VE 45: Der stolze Orinoko -

VERFILMUNGEN

© Bildmaterial: VANGUARD CINEMA



FILM 1




Cover

DVD-Cover Venezuela 2005 © VANGUARD CINEMA






Der stolze Orinoko als Verfilmung aus Venezuela 2005

Originaltitel: 1888, el extraordinario viaje de la Santa Isabel, auch unter 1888, el extraordinario viaje de Jules Verne und 1888 The Extraordinary Voyage of Jules Verne als DVD in Amerika vertrieben

Venezuela 2005; Regie: Alfredo Anzola; Drehbuch Alfredo Anzola und Gustavo Michelena. Originalsprache: Spanisch. Laufzeit:1 Stunde und 36 Minuten; Produktionsfirma: VANGUARD. Darsteller: Kristin Pardo als Juan / Juana de Kermor (span. Variante von Jean/Jeanne); Elba Escobar als Honorine Verne; Ronnie Nordenflycht als Geograf Ernano 'Conde' Stradelli und Marco Villarubia als Jules Verne

Eine der seltenen Überraschungen in der Filmwelt: Eine Produktionsfirma hat sich einer doch eher unbekannten Romanvorlage Jules Vernes angenommen: Der stolze Orinoko. Wenn man dann jedoch bedenkt, dass die Romanhandlung in Venezuela spielt, dann ist es eigentlich naheliegend, dass dort ansässige Firma die Idee dazu hatte. Außergewöhnlich ist auch die Rahmenhandlung in der die Geschichte eingebettet wurde: Jules Verne selbst ist Hauptperson der Handlung. Obwohl der Film im März 2006 im französischen Toulouse auf dem Lateinamerikanischen Filmfestival vorgestellt wurde, ist er in Europa noch weitestgehend unbekannt.

Honorine Verne ist erbost: Konfrontierte sie doch ihr Gatte mit neuen Reiseplänen: Diesmal soll es zum Orinoko gehen. Als sie dann auf Nachfrage feststellt, dass dieses Reiseziel auf der anderen Seite des Ozeans liegtt und das Jules offensichtlich wieder längere Zeit unterwegs ist, ist sie nur schwer zu beruhigen. Doch dieser lässt sich nicht von seinen Plänen abbringen und kurz darauf landet er mit seinem Schiff an der Mündung des Orinoko. Dort trifft er den italienischen Geografen und Forscher Stradelli, der die noch unbekannte Quelle des Orinoko erkunden will.

SzenenbildGemeinsam mit Einheimischen machen sie sich ein Auslegerboot flott, um dann den Weg flussaufwärts zu nehmen. Durch die authentische Umgebung der Originalschauplätze und den wunderschönen Naturaufnahmen, einschließlich der Bilder vom Leben am Fluss, erhält der Film einen wunderbaren Rahmen. Während Stradelli seine Untersuchungen durchführt, lässt Verne sich von den Schönheiten der Umgebung inspirieren und er macht sich ständig Reisenotizen An einem Rastplatz werden sie Zeugen, wie ein junger Mann der auf einem Pferd angaloppiert kommt, von drei Reitern verfolgt wird. Da diese offensichtlich unlautere Absichten haben, vertreiben sie die Verfolger mit Flintenschüssen. Der junge Juan ist dankbar für die Hilfe. Aufmerksam auf die noch weiterhin drohenden Gefahren als Alleinreisender. gemacht, nimmt er das Angebot der beiden an, sie ein Stück auf dem Boot zu begleiten (siehe Szenenbild links © Vanguard Cinema). Juan erzählt, dass er auf der Suche nach seinem vermissten Vater, Oberst Kermor, ist. Dieser soll, nachdem er seine Frau und seinen Sohn verloren hatte, am Oberlauf des Orinokos siedeln. Doch bei dem damaligen Schiffsunglück überlebte der damals noch ganz kleine Sohn - von seinem Vater blieb nur ein Amulett. Jetzt größer geworden, ist er auf der Suche nach ihm.

Dem Zuschauer ist recht bald klar, dass sich hinter dem jungen Mann eine verkleidete Frau verbirgt. Nur die beiden Hauptakteure scheinen etwas „blind“ zu sein. Nach einigen Tagen kommt ihm / ihr allerdings Verne auf die Schliche, als er durch Zufall Augenzeuge eines ausgiebigen Bades Juans wird. Genüsslich betrachtet er die nun offensichtliche Juana, die sich hinter der Verkleidung verbarg. Als diese auch noch ungeschickt aus dem Wasser steigt und sich dabei am Bein verletzt, springt Jules galant ein. Es dauert auch nur noch wenige Filmszenen, bis die beiden zueinander finden. Stradelli, der den jungen Mann nicht so richtig leiden kann will man das Geheimnis noch nicht offenbaren. Die Verkleidung scheint sicherer im Busch zu sein. Als Stradelli zu Erkundungen bei Indios unterwegs ist, finden Juana und Jules auch körperlich zu einander. Honorine ist im fernen Europa und Generationen von der jugendlichen Begehrlichkeit Juanas entfernt. Dies scheint die Vitalität des 60jährigen zu fördern…

Der Italiener findet keinen „Draht“ zu Juan, außerdem glaubt er, dass dessen Suche nur vom Ziel der eigenen Expedition abhält. Um den Unmut von Stradelli nicht noch weiter herauszufordern, will sich „Juan“ von der Gruppe absetzen. Aber seine Reise im kleinen Kanoe endet recht schnell in einer Stromschnelle. Die Beiden können ihn / sie völlig entkräftet retten. Als Stradelli allerdings von einem späteren Tagesausflug unerwartet schneller zurückkommt, weil er Teile der Ausrüstung vergessen hat, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen. Freund Verne steht mit der Plattenkamera am Fluss und macht Aktaufnahmen von einer badenden jungen Frau. Als er die Frau erkennt, ist er natürlich noch mehr sauer … hat man ihn doch die ganze Zeit belogen.

Doch die Demaskierung hat auch sein Gutes. Juana kann sich freier bewegen, zieht sich wieder fraulich an – hat jetzt aber die Küchenarbeit am Halse. Während Juana auflebt und Sartadell diese immer interessanter findet, hat Verne gesundheitliche Probleme. Er hat einen Diabetisanfall der ihn schwächt und bei einem Ausflug zu einem Berg muss er zurückbleiben, was das neu gefundene Pärchen sichtbar genießt.

Mit dieser neuen Konfiguration scheint man sich zu arrangieren. Verne, sichtlich froh über die neue Lösung, macht der jungen Frau klar, dass diese offensichtlich den Schriftsteller in ihn verehrt hat was zur Affäre führte. Nicht ausgesprochen stellt sich die Frage natürlich umgekehrt: Was trieb Jules? Als sich nun unsere Dreiergruppe Indios am Flussufer nähert, die auf ein Boot warten welches sie stromab bringen soll, beschließt Verne sich von den Beiden zu trennen. Sie sollen gemeinsam den Oberlauf des Orinokos erkunden und dabei nach Juanas Vater suchen. Er tritt den Rückweg an.

Der Schluss ist schnell erzählt - natürlich findet man den Quellfluss, ob es genau DER Quellfluss des Orinokos ist, ist inzwischen für Stradelli nebensächlich geworden. Er hat für sich das Ziel erreicht. Und die andere Aufgabe? Als die Beiden in einer nahe gelegenen Missions den Padre nach dem verschollenen Kermor befragen, schließt dieser seine wiedergefundene Tochter in die Arme. Gefunden!

Nachbemerkungen: Den dramatischen Teil der Romanvorlage, dem Auftreten von Buschräubern und den sich daraus ergebenen Verwicklungen haben die Drehbuchschreiber gleich weggelassen. Schon im Roman war dieser Konflikt sehr durchsichtig angelegt. Was im Film blieb ist eine bunt illustrierte Dreiecksgeschichte, angelehnt an einer Romanidee Vernes. Ungewöhnlich ist, dass der Film mit biografischen Details aus Vernes Leben gespickt ist und dass er selbst aus seinem Leben plaudert. Aus diesem Grunde hat die im Jahre 1888 angesiedelte fiktive Reise auch den alternativen Filmtitel: … The Extraordinary Voyage of Jules Verne erhalten. Dazu passt, das Verne während der Filmreise einen Diabetisanfall hatte, was durchaus seinem damaligen Gesundheitszustand entsprach. Im Film reist er auf seiner Jacht Saint Michel, die er in der Realität allerdings schon zwei Jahre vorher verkauft hatte. Der Zuschauer erfährt aus den Dialogen, dass Verne Opfer eines Attentates geworden war (die Schußwaffenattacke seines Neffen Gaston im Jahre 1886). Dies hätte rein hypothetisch zur fiktiven Filmereise auf dem Orinoko im Jahre 1888 passen können, aber Verne konnte schlimmer weise nach dem Attentat nie wieder richtig gehen und er verließ nur noch selten seinen Heimatort. Da er im gleichen Zeitraum auch mehrere Todesfälle beklagte, befand er sich in einer Phase des Pessimismus. Das der so vom Schicksal Getroffene zeitgleich im fernen Venezuela heißblütig im wahrsten Sinne des Wortes „auf einer Frau“ zu sehen ist, ist bei diesen Hintergrundfakten irgendwie peinlich. Aber vielleicht sehe ich das Ganze viel zu verbissen. Wie sah der Hintergrund zur Romanidee wirklich aus? Verne verfolge damals mit Interesse die Reise seines Landsmanns Jean Chaffanjon, der die Quellen des Orinoko aufsuchte. Auf Grund dessen Reiseberichte, die jener ihm zuschickte, entstand das Buch Le superbe Orénoque. Da ist die fiktive Filmgeschichte natürlich viel prosaischer …

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Hinweis: Beschrieben werden nur in meiner Sammlung befindliche Bücher und Verfilmungen. Copyright © Andreas Fehrmann – 01/09, letzte Aktualisierung 24. Januar 2016

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