Collection Fehrmann

Jules Vernes Voyages extraordinaires*

(* Diese Bände sind nicht offizieller Bestandteil der VE)

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Zu diesem Beitrag:

Aus dem ersten Teil des Beitrages Geographie und Geschichtsbücher hatte ich einen Artikel formuliert, der in der NAUTILUS Nr. 2 (Clubzeitung des deutschsprachigen Jules Verne Clubs) gedruckt wurde. Aufbauend auf diesen Artikel hat Volker Dehs die Ausführungen ergänzt und erweitert. Nebenstehend der Text des Beitrages, der dann in der Nautilus Nr. 3 erschien. Aus diesem Grunde ein Beitrag auf meiner Seite von einem Gastautor.



Bildmaterial:

Das Bildmaterial war nicht Bestandteil des Artikels von V. Dehs.

/1/ Die oben rechts abgebildeten Motive des Titels und des Frontispiz' der Géographie illustrée de la France et de ses colonies wurden mir freundlicher Weise von Stephan Bühlmann  zur Verfügung gestellt, als ich noch nicht selbst das Buch in meinem Bestand hatte.

/2/ Die untere Abbildung ist eine komplette Seite aus der Géographie illustrée de la France et de ses colonies – Seite 233. Die vorliegende Abbildung ist aus einer achtseitigen Werbebeilage von: Verne / Hetzel / Mace: Magasin d'Éducation et de Récréation Band 53 und 54 – 1. und 2. Halbjahr 1891; exakt zur Lieferung 643 vom 1. Oktober 1891; CF /6617/







CREDITS / DANKE: Ich bedanke mich bei Volker Dehs für das Recht der Veröffentlichung seines Artikels und bei Stephan Bühlmann für die Zusendung von Bildmaterial /1/. In memorian an diesen lieben Menschen bleibt sein Bild auf dieser Seite, obwohl ich das Buch inzwischen selbst besitze.


Geographie- und Geschichtsbücher Teil 2

Ergänzend zum o.g. ersten Teil des Beitrages Geographie und Geschichtsbücher hat Volker Dehs die Ausführungen ergänzt und erweitert. Diesen Beitrag gebe ich nachfolgend als Textzitat  wieder.

FrontispizJules Vernes Geographie- und Geschichtsbücher – ein Nachtrag

Andreas Fehrmanns Artikel über Jules Vernes Geographie- und Geschichtsbücher (1864) ist insofern ein Kuriosum, als diesem Aspekt von Vernes Schaffen, ähnlich wie seinen Theaterstücken und Gedichten – wohl zu Recht – wenig Bedeutung zugemessen worden ist. Da er Vernes schriftstellerische Aktivität aber aus einer anderen, ergänzenden Perspektive beleuchtet, kommt ihm nichtsdestoweniger eine gewisse Bedeutung zu. Im folgenden möchte ich ein paar ergänzende Hinweise liefern.

Bild links: Frontispiz /1/

Bei jener Géographie illustrée de la France et de ses colonies (Bild rechts und links folgend im Text /1/), verfasst zwischen Anfang 1867 und Februar 1868, handelt es sich um ein Nachschlagewerk ohne literarischen Anspruch, dessen einziger zusammengehöriger Text neben einem Vorwort des Verlegers Hetzel die von Théophile Lavallée verfasste Einleitung ist. Im Anschluss daran hat Verne die französischen Departements in alphabetischer Reihenfolge nach folgenden Kriterien abgehandelt: 1. Lage, Grenzen, allgemeine Erscheinung; 2. Gebirge und Gewässer; 3. Klima; 4. Oberfläche; 5. Landwirtschaft; 6. Bergbau; 7. Industrie und Handel; 8. Verkehrswege; 9. Geschichte; 10. Prominente; 11. Verwaltung; 12. Städtebeschreibungen.- Wie man sieht, keine leicht verdauliche Lektüre auf über 800 eng bedruckten Seiten, die immerhin von 203 Stichen und Karten aufgelockert werden. Von Interesse mag dieses Werk allenfalls noch für Sammler und Historiker sein, da die Fülle exakter Fakten in der Tat erdrückend ist. Von unfreiwilligen Humor sind bisweilen die Charakterisierungen der nach Landstrich unterschiedlichen Bevölkerungen.

Über die Einwohner seiner bretonischen Heimat schreibt Verne beispielsweise: “Sie haben zwar eine rege Intelligenz, aber Urteilsvermögen und und gesunder Menschenverstand sind stärker ausgeprägt als Geist und Einbildungskraft, und sie sind weniger Künstler als Kunstfreunde. Auf dem Lande haben sich die alten Bräuche in großer Reinheit erhalten; das Leben ist genüg- und geruhsam, die Familienverbundenheit stark und die Gastfreundschaft sehr aufrichtig; die Trunksucht nimmt ständig ab, ebenso wie es die Vorurteile und Aberglauben tun.”

Zunächst 1868 als Buch veröffentlicht, erschien das Werk ab 1876 in einer von dem Ingenieur Dubail aktualisierten Fassung. Für Sammler absoluter Raritäten ist von Belang, dass zu Beginn des Deutsch-Französischen Krieges 1870 unter dem Titel Paris au Rhin ein Teildruck über die von den kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Departements erschien. Verleger Hetzel war ohne Zweifel ein gewiefter Geschäftsmann!



OriginalillustrationBild links /2/

Die Erstfassung der Entdeckung der Erde entstand um die Jahreswende 1869/70 (nicht bereits ab 1864 – in diesem Jahr war Verne mit der Überarbeitung seines Kapitäns Hatteras, der Reise zum Mittelpunkt der Erde und Von der Erde zum Mond bereits voll ausgelastet) und entspricht, abgesehen von kleineren Korrekturen, dem ersten Teil der Fassung von 1878, die auch ins Deutsche übersetzt wurde. Vernes “Zuarbeiter” Gabriel Marcel fügte lediglich das Kapitel VIII über Die Eroberung Indiens und der Gewürzländer hinzu. Unveröffentlicht blieb in der Erstfassung ein Kapitel über Adam, den Verne zum Ahnherrn aller Robinsons macht, und die Reisenden aus Bibel und Antike, ein Kapitel, das Hetzel vermutlich zu wenig seriös erschien und das in zwei Manuskriptfassungen erhalten ist.
Die von A. Fehrmann angesprochene Conquête scientifique et économique du globe stellt ein noch ungelöstes Problem der Verne-Forschung dar. Es handelt sich, soviel ist sicher, um die von Marcel zwischen 1880 und ca. 1886 angefertigte Fortsetzung der vorausgegangenen Trilogie und war wie diese auf drei Doppelbände ausgelegt: Le Nouveau Monde (Die Neue Welt: Ozeane, Nord- und Südamerika, Australien), Les Vieux Continents (“Die alten Kontinente”: Afrika (und Asien?)) sowie L’Ancien Monde (Die Alte Welt: Europa, vielleicht auch Russland). Alle drei Werke blieben unveröffentlicht, obwohl Marcel für die Anfertigung ein Honorar von nachweisbar 26.500 Euros erhielt, das aber um ein Drittel höher gewesen sein muss, da die Belege für den dritten Teil noch nicht wiedergefunden worden sind. Während von den letzten beiden Teilen nur Fragmente überliefert blieben, sind mir vom ersten Teil neun vollständig erhaltene Exemplare als Druckfahnen in privaten Sammlungen und öffentlichen Bibliotheken (Bibliothèque Nationale, Paris und Amiens) bekannt, die zwischen März 1881 und November 1888 gedruckt wurden und teilweise handschriftliche Korrekturen Jules Vernes tragen. Mein Exemplar – ohne Korrekturen -, von dem die ersten beiden ersten Seiten als Illustration beigefügt sind, wurde zwischen dem 26. und dem 31. Oktober 1888 angefertigt und stellt den vorletzten Zustand vor der endgültigen Fassung dar, die in Amiens verwahrt wird.

Weshalb blieb das umfangreiche Werk trotz aller Investitionen unveröffentlicht? (zu denen noch das Honorar für mindestens 100 ausgeführte Illustrationen von George Roux und Léon Benett hinzukommt: Weitere 21.000 Euros! [Anmerkung A.F.: Volker Dehs hat die damalige Werte in die heutige Währung umgerechnet]). Wenig wahrscheinlich sind juristische Probleme, wie etwa finanzielle Nachforderungen von Seiten Marcels, da Hetzel in der Formulierung seiner Verträge äußerst penibel vorzugehen pflegte. Bemerkenswert ist, dass sich die Entstehung des Werks über acht Jahre hinzog. Hinzu kommt, dass die Fortsetzung auf Betreiben Jules Vernes angefertigt, vom Verleger jedoch nur mit mäßigen Enthusiasmus begleitet wurde. Ich vermute, dass der Verkaufserfolg der Entdeckung der Erde hinter den Erwartungen zurück blieb, was die Veröffentlichung der Fortsetzung hinausgezögert hat; nach Hetzels Tod im Jahre 1886 musste sich sein Nachfolger und Sohn mit sinkenden Einnahmen (auch unter den Neuheiten seines Zugpferdes Jules Verne) arrangieren, so dass die Entscheidung, es bei den bisherigen Auslagen beruhen zu lassen, weniger unternehmerisches Risiko zu bergen schien als sich auf die kostspielige Veröffentlichung einzulassen.

Eine aktuelle Veröffentlichung wäre, soweit ich das beurteilen kann, nur für den ersten Teil, möglich. Wer sich erfolgreich durch die Lektüre der Entdeckung der Erde durchgekämpft hat, mag mit mir einer Meinung sein, dass diese Art von Geschichtsschreibung für heutige Leser wenig Reiz bietet. Immerhin sehen sich die Verfasser von Le Noveau Monde verstärkt zu Stellungnahmen über die politischen und ideologischen Seiten der geographischen Welterschließung veranlasst, wie das folgende Beispiel über die Indianer Nordamerikas zeigt: “Es ist jedoch nicht ihre Vergangenheit, die uns hier beschäftigen soll, sondern ihr gegenwärtiger Zustand und die Rolle, die sie zukünftig in den Vereinigten Staaten spielen können. Nicht die Regierung der Union hat die Vereinbarungen mit den Rothäuten gebrochen, sondern ihre Unterhändler, die versuchten, aus den geschlossenen Verträgen ihren eigenen Vorteil herauszuschlagen. Immer wieder getäuscht, ausgebeutet und beraubt, haben die Indianer von Zeit zu Zeit versucht Rache zu nehmen, und damit – wie zuletzt bei der Niederlage des Generals Custer – zu verstehen gegeben, dass sie keinesfalls aus der Art geschlagen sind.” Ein aufwendiger Vergleich der verschiedenen Fassungen müsste allerdings erweisen, in welchem Maße Jules Verne Einfluss auf die Ausarbeitung des Textes genommen hat und welche Aussagen man ihm zuschreiben kann.

Volker Dehs                 

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© fehrmann 11/01, letzte Aktualisierung 28. Januar 2023