Das amerikanische U-Boot Nautilus O-12
(SS-73): |
Nachfolgend möchte ich eine Geschichte vorstellen, die zeigt,
wie im Geiste Jules Vernes eine faszinierende Forschungsreise mit einem U-Boot in
den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stattfand. Bis zu diesem Zeitpunkt war
die weltweite Geschichte der U-Boote leider eine Geschichte von
Unterwasserwaffen. Daher nimmt das hier vorgestellte Boot eine Sonderrolle ein,
denn aus einer Waffe wurde eine Expeditionsbasis. |
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Simon Lake: Geboren am 4. September 1866, gestorben am 25. Juni 1945 (Foto: Submarine Warfare Division)
Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne
empfehle ich das
/1/ Herbert
Corey / Simon Lake: SUBMARINE
– The Autobiography of Simon
Lake; D.
Appleton-Century Company
Incorporated, New York / London, 1938; Bild oben /2/ ebenda, Information von Seite 10 /3/ ebenda, Information von Seite 117 /4/ Le Miroir du Monde No. 53 v. 7. März 1931, CF /6691/; Artikel: WILKINS IRA-T-IL AU POLE EN SOUS-MARIN?; Bildzitat von Seite 294, CF /21192/ /5/
Telegramm-Übersetzung von mir. Die noch 2018 vorhandene WEB-Seite der
Familie von Simon Lake wurde Ende 2019 vom Netz genommen. Damit ist das
Telegramm
von Jules Verne
an Simon Lake nicht mehr im WEB verfügbar. Für Hinweise zu aktuellen Quellen wäre ich dankbar!
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Wenn ein Traum zum Lebensplan wird: Simon Lake
Zuerst stelle ich den Mann, der der geistige Vater des schon angesprochenen U-Bootes war, vor. Der 1866 geborene SIMON LAKE beschreibt autobiographisch /1/, dass ihn der Autor Jules Verne sein ganzes Leben lang begleitet hat und er sagt von sich, dass in gewisser Weise Jules Verne der Generaldirektor seines Lebens war /2/. Als er mit zehn oder elf Jahren den Roman 20.000 Meilen unter den Meeren las, war seine Fantasie entflammt worden. Er träumte von abenteuerlichen Unterwasserreisen und verborgenen Schätzen. Gleichzeitig versuchte er, die Ausrüstung des von Verne beschriebenen U-Bootes zu analysieren und in Gedanken verbesserte er es. Der junge Lake träumte von einer eigenen Nautilus.
Folgerichtig wurde er später Maschinenbau-Ingenieur und Schiffskonstrukteur. Auf diesem Weg entwickelte er eine Reihe von bedeutenden technischen Neuerungen im Marinebereich. Sein erstes selbständig entworfenes U-Boot war 1894 die Argonaut Junior, wobei ihm das Folgeprojekt Argonaut im Jahre 1898 große öffentliche Aufmerksamkeit brachte. Doch davon weiter unten mehr. Diese beiden Boote und alle folgenden bis 1910 dienten der Unterwasserbergung. 1912 gründete er die Lake Torpedoboat Company, die im Ersten Weltkrieg insgesamt sechsundzwanzig U-Boote für die US-Navy baute. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er schon über zweihundert Schiffsbaupatente angemeldet, darunter unter anderem das ausfahrbare Periskop. Bild oben: Links Simon Lake, rechts Sloan Danenhover, Kommandant der NAUTILUS auf der Werft. Sie sichten den Notausstieg, der als Eisbohrer mit besteigbaren Innenrohr eine FLucht im Havariefall ermöglichen sollte. /4/ Ab Beginn der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelte und baute er
ausschließlich Forschungs- und Bergungs-U-Boote. Zu seinen großen Pioniertaten gehörte im Jahre 1898 ohne Zweifel der Bau und die Nutzung des U-Bootes Argonaut. Dieses hatte sich auf hoher See, national und international beachtet, wacker geschlagen. Berühmt wurde dessen Sensationsreise über tausend Seemeilen von Norfolk / Virginia nach Sandy Hook / New Jersey als Meisterstück der Navigation. Die amerikanische und internationale Presse war voll mit Meldungen der seemännischen Erfolge Lakes. Die Agenturen kabelten die Ergebnisse seiner maritimen Einsätze um die ganze Erde. Die Tausend-Meilen-Fahrt bei Sturm und ungünstigen Sichtverhältnissen machten ihn nicht nur als Erbauer, sondern auch als Kapitän populär. Diese erfolgreiche Fernreise im halbgetauchten Zustand füllte mehrere Wochen lang alle nationalen und internationalen Gazetten. Berichte über die Fahrten wurden so auch in Frankreich abgedruckt. Dabei wurde Lake öfters als der Techniker bezeichnet, der die Ideen Jules Vernes in die Praxis umsetzte. Inspirierte dies den französischen Autor zu einem Schriftwechsel mit Lake? Dieser hat in seiner Biographie den Fakt so beschrieben: Nach den Presseberichten kabelte ihm Jules Verne umgehend ein Glückwunschtelegramm. Nach Lakes Aussage war es der glücklichste Moment seines Lebens /3/. Voller Stolz lasen wir auf der Familienseite /5/ der Lakes:
TELEGRAMM von JULES VERNE
an SIMON LAKE, Während mein Buch "Zwanzigtausend Meilen unter dem
Meer" ein Werk der Phantasie war, ist es meine Überzeugung, dass alles was
ich darin gesagt habe, auch geschehen wird. Eine Tausend-Meilen-Reise in dem
U-Boot Baltimore (The Argonaut) ist ein Beweis dafür. Dieser deutlich sichtbare
Erfolg der U-Boot-Navigation in den Vereinigten Staaten wird die
Unterwassernavigation auf der ganzen Welt vorantreiben. Wenn solch ein
erfolgreicher Test ein paar Monate früher gekommen wäre, hätte er vielleicht
eine wichtige Rolle in dem soeben beendeten Kriege gespielt. Der nächste große
Krieg könnte weitestgehend ein Wettbewerb zwischen U-Boot-Booten sein. Ich
denke, dass Elektrizität und nicht Druckluft die Antriebskraft in solchen
Schiffen sein wird, denn das Meer ist voll von diesem Element. Es wartet darauf
wie Dampf verwendet zu werden. Es wird dann nicht mehr notwendig sein, für
Treibstoff an Land zu gehen, nur noch für Vorräte. Das Meer wird Nahrung für
die Menschen und grenzenlos Energie liefern. Die U-Boot-Navigation ist jetzt der Luftschifffahrt voraus und
sie wird von nun an viel schneller voranschreiten. Bevor die Vereinigten
Staaten ihre volle Entwicklung erlangen, werden sie wahrscheinlich mächtige
Flotten nicht nur am Rande des Atlantiks und des Pazifiks, sondern auch in der
Luft und unter der Wasseroberfläche haben. Simon Lake fühlte sich wie nach einem Ritterschlag. Die geistige
Nähe zu den Ideen Vernes brachte er bis zum Ende seines Lebens stets in Reden
und Publikationen zum Ausdruck. |
![]() Sir George Hubert Wilkins: Geboren am 31. Oktober 1888, gestorben am 30. November 1958. Hier im Bild /6/ beim Betachten des Eisbohrers, der im Notfall den Ausstieg aus der Nautilus unter dem Packeis ermöglichen sollte. Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne empfehle ich das ![]() /6/ Le Miroir du Monde No. 53 v. 7. März 1931, CF /6691/; Artikel: WILKINS IRA-T-IL AU POLE EN SOUS-MARIN?; Bild CF /21194/ /7/ ebenda, Seite 295, CF /21193/ /8/ Fakten aus /1/, Seite 288/289 /9/ ©
Photo by Ohio State University Libraries |
Forscherdrang
und Mut: Sir George Hubert Wilkins
Bild: Wilkins auf der Werft, beim Betrachten der Steueranlage der NAUTILUS /7/. Das Spektrum seiner Untersuchungen war breit gefächert: Dazu gehörten erdkundliche Erkundungen, die Erforschung der Meeresströmungen, die Ermittlung klimabeeinflussender Faktoren und die Wechselwirkungen zwischen den Polarregionen und dem globalen Klima. Dies zeigt sich wie ein Spiegelbild in seinen Forschungsreisen: 1923-1925 führte er die Wilkins Australia and Islands Expedition durch, dann 1926 die Detroit Arctic Expedition und 1927-1928 die Detroit News Wilkins Arctic Expedition. 1928 war er Organisator und Flieger des ersten Motorflugs über die Antarktis, dem 1930 die Wilkins-Hearst Antarctic Expedition folgte. Der heldenhafte Flug über die südliche Polregion brachte ihm weltweite wissenschaftliche und fliegerische Anerkennung und vom britischen König George V. wurde er geadelt.
Das zunehmende Ziel seiner
Forschungen war die Beantwortung der Fragen: Wie beeinflusst die Arktis
Wetterschwankungen? Wie bekommt man Wettervorhersagen besser in den Griff? Wie
kann man den nördlichen Teil des Golfstromes erforschen, zumal wenn dieser
unter dem Packeis des Nordpols liegt? Wilkins sah nur eine Lösung: „Ich brauche ein U-Boot!“. Der Gedanke
kam ihm, als er mit seiner Frau eine Luftschiffreise mit dem LZ 127 Graf Zeppelin von Lakehurst nach
Friedrichshafen durchführte, eine Dankeschönreise seines Finanziers, dem Medientycoon William Randolph Hearst, für die letzte,
öffentlich wirksame Expedition. In Deutschland traf Wilkins den US-Amerikaner
Lincoln Ellsworth, der ebenfalls Flieger und Polarforscher war. Dabei nahm die
Idee Gestalt an, den Nordpol mit einem Unterseeboot zu erreichen. Alternativ
zum Flugzeug war ein U-Boot unabhängig von Wetterbedingungen und es war in der
Lage jederzeit für Forschungsaufgaben beliebig oft verweilen. Gleichzeitig war
es möglich, selbst unter dem Eis zu forschen. Schwierig war es nur, diese Idee
zu finanzieren. Bild links: Ellsworth und Wilkins /9/. |
/10/ © NavSource: Submarine Photo Archiv, Ausschnitt aus dem Bild USN photo # 19-N-871B, from the National Archives and Records Administration (NARA) /11/ ©
NavSource: Submarine Photo Archiv, Photo provided by the late
Rick Larson MMCM
Bemerkung zum Bezeichnungssystem
der amerikanischen
U-Boote: Die US Boote waren neben ihrer
Klassifizierungsnummer (in diesem Fall
Klasse O, Nummer 12) mit einer sogenannten hull number (Rumpf-Nummer)
versehen.
So war die O-12 gleichzeitig unter der hull number SS-73 registriert. |
Der Plan: Mit dem U-Boot zum Nordpol
Bild rechts: das Boot O-12 hinter dem
kleineren Boot N-4 auf der Lake Topedo Boat & Co Werft am 16.
Januar 1917 /10/ Die darauffolgende Indienstnahme erfolgte noch kurz vor Ende
des 1. Weltkrieges bei der US Navy. Die letzten der gebauten Boote dieser
Klasse hatten keinen guten Ruf: Ein Teil der Boote hatte Probleme mit der
installierten Elektrik – existenziell im Batteriebetrieb – und einige hatten
fortwährende Motorenprobleme. Zu den technischen Daten im ursprünglichen
Bauzustand: Die Verdrängung betrug aufgetaucht 485 und im getauchten Zustand
566 amerikanische Tonnen. Das Boot hatte eine Länge von 53,4 Meter und eine
Breite von 5,06 Meter. Seine Geschwindigkeit betrug aufgetaucht 14 und im
getauchten Zustand 11 Knoten. Dies war eine Leistung, die mit zwei verbauten
Dieselmotoren Busch-Sulzer mit je 500 PS erreicht wurde. Die maximale
Tauchtiefe betrug ca. 60 Meter. Bei der Navy hatte das Boot eine Besatzung von
2+27. Während der Zeit des Militäreinsatzes wurde es übrigens nicht unter dem
Namen NAUTILUS geführt. Es gehörte während des militärischen Einsatzes zur US
Submarine Division 1 und es hatte seine Basis in der Panama-Kanalzone. Bereits
am 17. Juni 1924 ging das Boot außer Dienst und eine Verlegung zum Arsenal der
Reservekräfte im Philadelphia Navy Yard erfolgte.
Die Werft, die die O-12 unter Federführung von Simon Lake gebaut hatte,
übernahm nach der Außerdienststellung 1924 wieder das Schiff zu Werterhaltungszwecken.
Die Firma firmierte inzwischen unter dem Namen Lake& Danenhower Inc.. Noch
dümpelte das Boot ungenutzt im Arsenal …
Bild: Das U-Boot im Arsenal der
Reservekräfte im Philadelphia Navy Yard /11/. Jetzt waren konstruktive
und organisatorische Probleme zu lösen: Der notwendige Umbau des Kriegsschiffes
zu einem Forschungsboot war technisch aufwendig und zeitgleich war das Boot und
die Expedition zu finanzieren. Als Erstes setzte Wilkins fast sein gesamtes
privates Vermögen ein. Dann gewann er nochmals den Medienmogul Hearst, der die Exklusivrechte
an der Geschichte erwarb. Gleichzeitig erhöhte dieser das Spektakuläre der
Forschungsfahrt: Forschung allein reicht nicht, Spektakel brauchen die Medien.
Es wurde geplant, dass das U-Boot am Nordpol das deutsche Luftschiff Graf Zeppelin treffen sollte. Als diese
Idee nicht umsetzbar ist, wird in der Planung die „Riesenzigarre“ durch ein
amerikanisches Flugzeug ersetzt. Ergänzend dazu bringt jetzt der
Verne-begeisterte Lake die Idee ein, dass eine Mission im Geiste des
französischen Romanciers Werbewirksamkeit verspricht. Davon überzeugt er Forscher
und potentielle Geldgeber. So baut Simon Lake aus dem Navy-U-Boot O-12 eine Nautilus. Wilkins startet die Werbetour
und Lake beginnt seinen Jugendtraum zu verwirklichen ... |
/12/ Le Miroir du Monde No. 53 v. 7. März 1931, CF /6691/; Artikel: WILKINS IRA-T-IL AU POLE EN SOUS-MARIN?; Seite 293, CF /21189/ /13/ L'Illustration No. 4597 v. 11. April 1931 Seite 445, CF /6843/; Bild /21139/ |
Lakes Nautilus
entsteht
Bild unten: Die O-12 auf dem Weg zum Umbau /12/.
Bild links: Die Überführung des Bootes nach New York /13/ Der gesamte Bug wurde frontseitig gepanzert, um gegebenenfalls ein
kleineres Hindernis aus Eis rammen zu können. In einem ehemaligen Torpedoraum
im Bugbereich wurde an der Unterseite eine Öffnung eingebaut, die für
Tauchgänge, Sondenversenkungen und zur Aufnahme von Lebewesen und Wasserproben
genutzt diente. Alle Arbeiten wurden handwerklich perfekt umgesetzt, doch der
Zwang zum Sparen begrenzte den ursprünglich geplanten Modernisierungsumfang.
Trotz aller Modifizierungen hatte das Boot die alte Steuerungsanlage, die recht
überholungsbedürftige Elektroausrüstung und die originale Maschine behalten.
Das Boot wurde nach der Fertigstellung der Umbauten zum Hafen Brooklyn in New
York überführt. |
/14/ L'Illustration No. 4597 v. 11. April 1931 Seite 445, CF /6843/; Bild /21140/ /15/ ebenda, Bild /21141/ /16/ Le Miroir du Monde No. 58 v. 11. April 1931, CF /6853/; Artikel: LE NAUTILUS EST PRET A PARTIR POUR LE POLE; Bild hat Quellenangabe: Photo Trampus; CF / 21178/ /17/ ebenda, Seite 294, CF /21190/ /18/ ILLUSTRAZIONE DEL POPOLO; Torino / Turin Italien; 30. August 1931; Nr. 35 des Jahrgangs XI; CF /6700/; Bildzitat von Seite 1, im Format beschnitten; Bildregistratur CF /21275/ Bild unten: Quelle /16/ mit der Taufe auf der Titelseite Siehe dazu das Bild oben links /13/![]() |
Das Wagnis beginnt: Die Nautilus
erobert das Polarmeer Getreu der Werbeidee, eine Expedition im Geiste Vernes
durchzuführen, hatte man öffentlichwirksam eine dementsprechende Schiffstaufe
vorbereitet. So lud man aus Frankreich als Taufpaten Jules Vernes Enkel
Jean-Jules Verne ein. Als zweite Taufpatin fungierte die junge Ehefrau Wilkins,
die Schauspielerin Suzanne Bennett. Ein Detail der Taufe erscheint heutzutage
als kurios: Durch die Prohibition in den Staaten war es verboten eine
Schiffstaufe mit Champagner durchzuführen – ein Eimer mit Eisbrocken musste
herhalten. Abergläubische Seeleute sahen bei dieser Prozedur schon ein
Vorzeichen der dann später folgenden Missgeschicke und Pannen. Wilkins Frau
ließ den Eiskübel an die Bordwand prallen und schickte das Boot mit den Worten:
„Schiff, ich taufe dich auf den Namen Nautilus.
Geh jetzt auf deine wunderbaren Abenteuer“ auf die Reise. Bilder unten:
Links die Schiffstaufe /14/ und rechts, werbewirksam inszeniert:
Jean-Jules Verne und Sir Robert Wilkins /15/.
Bild rechts: Eine seltene Aufnahme - Blick von
der Nautilus in Richtung Bug. Hier unterwegs vom Delaware-Fluß kommend
nach New York /16/. Die geplante Reiseroute lässt bei den technischen Voraussetzungen und den Leistungsparametern des Bootes auch heute noch den Kopf schütteln: Von New York plante man eine Fahrt über den Atlantik, dann die Umrundung Großbritanniens, vorbei an der norwegischen Küste über Spitzbergen zum Nordpol. Das Packeis des Pols war zu unterqueren, um dann mit Hilfe des Eisbohrers am Pol „auszusteigen“. Die weitere Route war in Richtung Beringsee vorbei an Alaska geplant um dann entlang der Westküste der USA über San Franzisko zum Panamakanal zu kommen. Die letzte Etappe führte dann wieder zurück nach New York. Die Auslegung des Bootes, die aufwendige Umrüstung, vor allem aber die begrenzte Tauchleistung zeigt das eigentliche Handicap bzw. das Risiko dieses Unternehmens: Unter idealen Bedingungen war die Nautilus bis zu fünf Tage mit einer maximalen Tauchfahrt von zweihundert Kilometern fähig. Bei der sich ständig variierenden Ausdehnung des Polareises und der unbekannten Stärke der Eisdecke war die Polareisunterquerung ein wahnwitziges Vorhaben. In den damaligen zeitgenössischen Quellen wurden Stimmen laut, die den Expeditionsleiter Wilkins und dessen Mannschaft als Selbstmörderclub bezeichneten. Dass diese Risiken von der Crew unter Kapitän Sloan Danenhauer eingegangen wurden, verwunderte damals und heute.
Der Verlauf der am 4. Juni 1931 in New York beginnenden
Expeditionsfahrt war eine Aneinanderreihung von Pannen. Schon vor dem Auslaufen
war im Hafen ein Besatzungsmitglied über Bord gegangen und ertrunken. Kurz nach
dem Start in den Nordatlantik gab es einen Schaden an der altersschwachen
Maschine. Bild rechts: Danenhover bei der Inspektion des Maschinenraums (noch auf der Werft
beim Umbau der O-12) /17/ So musste die bei einem aufkommenden Sturm hilflos treibende Nautilus nach zehn Tagen auf hoher See den Notruf SOS senden. Die hölzerne Erhöhung der Außenkonturen des Bootes ließen die Nautilus bei Überwasserfahrt zu einem Spielball des Sturmes werden. Die auf den Hilferuf herbeigeeilte USS-Wyoming schleppte das hilflose U-Boot nach Irland und von dort nach Plymouth ins Trockendock der königlich-britischen Marinewerft. Nach der Reparatur fuhr man weiter in Richtung Bergen / Norwegen, wobei auch auf dieser Tour kleinere Ausfälle zu registrieren waren. Als man Bergen erreichte, gab es Filmaufnahmen von der Crew und dem Boot bei einem Besuch des Kommandanten der norwegischen U-Bootflotte. Er wurde später mit den Worten zitiert, dass er sich nie wagen würde mit diesem Schiff zum Pol zu fahren. Trotz aller Bedenken von Außenstehenden ging das Boot am 5. August in Richtung Arktis auf die Reise. An der Küste Norwegens beschädigt ein Sturm die hölzerne Beplankung des Oberdecks. Kommando zurück, man musste erneut an Land. Nach einer Reparatur fuhr man zum zweiten Male in Richtung Spitzbergen, diesmal kam man weiter in den Norden. Die Situation innerhalb des Bootes wurde immer dramatischer: Das unisolierte Boot, denn die Gewichtsbilanz ließ keine Wärmedämmung zu, fuhr an der Oberfläche des eisigen Meeres, die Besatzung war der Kälte in den ungeheizten Räumen schutzlos ausgeliefert, selbst die Trinkwasservorräte froren ein. Zunehmend geriet man in das in der damaligen Saison weit ausufernde Packeis, die Fahrt verlangsamte sich spürbar. Am 28. August erreichte man den 82. Breitengrad. Zum damaligen Zeitpunkt war dies der nördlichste Punkt, den ein Schiff frei navigierend erreichte. Aber die Distanz zum Pol betrug noch achthundert Kilometer. Die dramatische Situation des U-Bootes wurde öffentlichkeitswirksam am 30. August 1931 in einer italienischen Zeitschrfift dargestellt. Siehe dazu das folgende Bild weiter unten mit der Unterschrift: Die NAUTILUS von Commander Wilkins hat auf dem Weg zum Pol in der Barentssee einen erneuten schrecklichen Kampf gegen wütende Wellen bestanden, die jedoch schwere Schäden verursachten (frei von mir übersetzt) /18/.
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/19/ Vorarlberger Wacht Nr. 106; Dornbirn 27. August 1931; Zitat von Seite 4; CF/6952/ /20/ Le Miroir du Monde No. 53 v. 7. März 1931, CF /6691/; Artikel: WILKINS IRA-T-IL AU POLE EN SOUS-MARIN?; Seite 296, CF /21197/ /21/ Vorarlberger Wacht Nr. 103; Dornbirn 5. September 1931; Zitat von Seite 6; CF/6955/ |
Das Ende der Mission
![]() Ein kontrollierender Tauchgang eines schweren Helmtauchers
brachte eine weitere unangenehme Nachricht: Das Boot hatte sein Tiefenruder
verloren. Siehe dazu das Bild unten links: Die Eisentreppe
an der
Außenhaut des Bootes wurde auf der Werft für den schweren Helmtaucher vorsorglich
angebracht /20/. Dies war das technisches K.O., denn dadurch war eine Höhen- und
Tiefenregulierung während der Tauchvorgänge unmöglich. Wilkins Verdacht wurde
stärker: Hier schien Sabotage im Spiel zu sein. Doch es gab ein Handycap im
Vertrag mit dem Geldgeber: Die Zahlungszusagen der Sponsoren, liefen auf die
Forderung hinaus, dass das Boot unter das Eis zu tauchen hatte. Per Funk wurde
dies von Hearst als Hauptsponsor nochmals bestätigt. Die Expeditionsleitung
entschied sich zu einem Kompromiss: Am 31. August postierte man auf einer
Eisscholle einen Kameramann und das Schiff wurde waghalsig präpariert: Man
versenkte alle nach oben ragenden Anbauteile in den Schiffsrumpf und die
vorderen Ballasttanks wurden soweit geflutet, dass die Schiffsschraube gerade
noch im Wasser war. Mit der dadurch nach vorn entstandenen Schräglage wurde bei
voller Kraft des Antriebes das Boot unter den Meeresspiegel gedrückt. So kam
man an die Unterseite einer zirka einem Meter dicken Eisscholle. Deren
Kratzgeräusch an der Oberseite des Bootes während der scheinbar nicht enden
wollenden Tauchfahrt, riefen das blanke Entsetzen der Crew hervor.
Faksimile rechts: Zeitungsmeldung aus Österreich über die Fakten
vom 2. bis 8. Sept. 1931 /21/ Eiligst wurde auf dem Packeis
eine externe Langdrahtantenne installiert. Nachdem man wieder funkfähig war,
wurde nach Rückfragen in den USA beschlossen, weitere Fahrten unter Eis als zu
riskant für das Leben der Besatzung zu unterlassen. Am 6. September 1931 wurde
die Rückreise nach Norwegen angetreten, begleitet von weiteren
ozeanographischen Messungen, Wasseranalysen und biologischen Probeentnahmen.
Doch die Pannenserie war noch nicht zu Ende. In einem Sturm wurde die Nautilus am 30. November so schwer
beschädigt, dass der Entschluss reifte, das Boot aufzugeben. Die Besatzung
wurde evakuiert und das havarierte Boot wurde nach Genehmigung durch die
US-Navy im Bufjorden Fjord kurz vor Bergen in einer Tiefe von 347 Metern
versenkt. |
/22/ Wiener Zeitung Nr. 225 vom 29. Sept. 1931; Zitat von Seite 4; CF/6954/ /23/ Le Miroir du Monde No. 58 v. 11. April 1931, CF /6853/; Artikel: LE NAUTILUS EST PRET A PARTIR POUR LE POLE; Bild hat die Quellenangabe: Photo Trampus; CF /21178/ Weiterführende Verbindungen im WEB: Franz.
Artikel: |
Epilog
Rechts: Eine Meldung aus Österreich vom 29. September 1931 /22/ Was blieb? Der Pol war nicht
unterquert worden, aber es war die erste Tauchfahrt eines U-Bootes unter das
Polareis. Gleichzeitig wurde bewiesen, dass dieser Schiffstyp prinzipiell zum
Einsatz in der Meeresforschung geeignet ist. Nach Expeditionsende lag eine
eindrucksvolle Sammlung von naturwissenschaftlichen Daten, speziell auch zum
Golfstrom, vor. Die Auswertung der Ergebnisse brachte die ozeanographische
Forschung bis in die 50er Jahre voran. Die meisten Messdaten und Proben waren
unter Wasser entnommen worden. Denn der umgebaute ehemalige Torpedoraum der Nautilus war eine Druckkammer, mit deren
Hilfe man direkt unter der Wasserlinie das Schiff öffnen konnte. Dadurch waren
Probeentnahmen und Sondenversenkungen durch den Schiffsrumpf möglich. Die enthusiastische und
mutige Leistung der gesamten vorbereitenden und ausführenden Mannschaft des
Projektes beeindruckte uns noch heute. Woran scheiterte aber die Nautilus? War es wie vermutet Sabotage?
Im Jahre 1981 wurde das versenkte U-Boot aufgefunden und ein Tauchroboter
untersuchte es. Bei der Sichtung des Wracks wurde keine sichtbare
Fremdeinwirkung am Tiefenruder festgestellt. Offenbar war das doch recht mutig
zusammengebaute Boot nicht den Anforderungen der rauen See und der polaren
Umgebung gewachsen gewesen. Simon Lake hatte seinen
Jugendtraum verwirklicht. Er hatte sich eine eigene Nautilus geschaffen. Davon kündet heute das Familienmuseum, in
welchem die Resultate der Schiffsbauer, Entwickler und Seefahrer des Hauses
Lake ihren Platz gefunden haben. Eines der Ausstellungsobjekte ist markant und
jeder Verne-Leser kann es zuordnen: Es ist eine Bronzeplakette mit dem
Wahlspruch Kapitäns Nemos aus dem Roman 20.000
Meilen unter den Meeren: MOBILIS IN MOBILI. Im Buch zeigte sich dieser
Spruch im Inneren der Nautilus, Lake
hatte auf seinem Boot außen eine Plakette montieren lassen. Sie wurde vor dem
Versenken des Schiffes demontiert und hat dann den Weg in die Staaten
angetreten. Ein weiteres Exemplar hat den Weg in da Jules-Verne-Museum nach Nantes gefunden.
Und Sir Hubert Wilkins Traum
von der Pol-Tauchfahrt? Diese Idee realisierte 1955 das erste Atom-U-Boot der
Welt, die amerikanische SSN 571. Sie war ebenfalls auf den Namen Nautilus getauft worden. Sie unterquerte
den Nordpol, aufmerksam von Wilkins im Geschehen verfolgt. Er arbeitet in
dieser Zeit als maritimer Berater der US-Navy. Dabei lernte er im Oktober 1958
den U-Boot Kommandanten James Calvert kennen. Der befehligte die SSN 578 Skate.
Als Calvert Wilkins erzählte,
dass er ein Bewunderer dessen Forschungsreisen ist, nahm Wilkins diese
Chance war. Er schlug Calvert vor, mit seinem Boot bei günstigen
Witterungsbedingungen
am Nordpol aufzutauchen. Der sofort begeisterte Calvert überzeugte von
der Idee
die Navy und es gab den Gedanken, Wilkins für diese Fahrt einzuladen.
Doch
sechs Wochen später, am 30. November 1958 starb der Forscher an
Herzversagen. Als die Skate im Frühjahr 1959 zum Nordpol aufbrach, hatte die Besatzung die Asche von Sir Hubert mit an Bord. Das Boot tauchte wie geplant als erstes U-Boot am Pol auf. Zu Ehren des Forschers Wilkins wurde durch die Besatzung des Bootes seine Asche am 17. März 1959 am Nordpol verstreut. James Calvert sprach bei der emotionalen Zeremonie: „An diesem Tag ehren wir einen der größten Männer dieses Jahrhunderts. Er opferte sein gesamtes Leben den verdienstvollsten Aufgaben und dem Versuch die Horizonte der Menschheit zu erweitern“. Wilkins hatte am Ende seines Daseins endlich den Nordpol erreicht. Dieses Finale hätte auch aus der Feder Jules Vernes stammen können. Forscherdrang, Mut und Fantasie ließen die Helden dieser Geschichte aus sich herauswachsen. Einen kleinen Anteil daran hatte unser großer Romancier mit seinen unsterblichen Romanen, der die Fantasie dieser Wissenschaftler und Techniker beflügelte. |
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