Collection Fehrmann

Jules Vernes „Voyages extraordinaires"

- Band VE 42 -




Beispielbücher:

KOMPASS

Buch oben: © Verlag Neues Leben, Berlin 1970, 1. Auflage, L-Nr. 303(305/72/70) CF /4202/. Buch unten: © Verlag Neues Leben, Berlin 1982, L-Nr.: 303/305/63/82; CF /4204/





Buch: © 1968 Diogenes Verlag AG Zürich; Ausgabe 2001; ISBN 3 257 20406 x – CF /4201/

nichtgenanntes Bildmaterial:

/1/ Magasin d'Éducation et de Récréation Lieferung 33 vom 1. Mai 1896, Bildzitat von Léon Benett von Seite 273 (CF /6610/)

/2/ Vor der Flagge des Vaterlands; Bekannte und unbekannte Welten Band 69; A. Hartleben's Verlag Wien, Pest und Leipzig 1897; 220 Seiten mit 42 Illustrationen von Benett – CF /4209/

/3/ Bildzitat aus /2/ Seite 97

/4/ Zeichnung von Henri Meyer, publiziert im Petit Journal illustré vom 8. April 1893 (Fragment, leider habe ich nicht die komplette Zeitschrift in meiner Sammlung)

/5/ Face au Drapeau bei Pierre-Jules Hetzel in Paris 1912 mit mehreren Chromotypographien; CF /4210/

/6/ Aus meiner Postkartensammlung: Serie: La Grande Guerre 1914-1915 - M. Turpin dans son Laboratorie; CF /21109/

/7/ Le Petit Journal; Paris 21 Janvier 1893; CF /6807/; Beitrag auf Seite 23 und 24: Recompense nationale! (ohne Autorenangabe; Bild von Seite 24, CF /21301/


Die Erfindung des Verderbens (1896), auch: Vor der Flagge des Vaterlandes; Der fliegende Tod oder: Hoch die Flagge des Vaterlands!

TiteleiChromotypographie SanatoriumDie Originalausgabe erschien am 16. Juli 1896 unter dem Titel Face au Drapeau bei Pierre-Jules Hetzel in Paris. Eine Vorabveröffentlichung erfolgte im Magasin d'Éducation et de Récréation der neuen Serie, Band 3 vom 1. Januar bis zum 15. Juni 1896. Die frühe deutschsprachige Veröffentlichung erfolgte bei Hartleben 1897 (siehe Frontispiz links /2/) unter dem Titel Vor der Flagge des Vaterlands.

Einen Tag, nachdem der geheimnisvolle Graf d'Artigas das Sanatorium Healthful House (siehe farbiges Bild links unten /5/) in North Carolina besichtigt hat, wird etwas Unglaubliches entdeckt: Der geisteskranke Erfinder Thomas Roch und sein Wärter sind entführt worden! Roch der sich einbildete eine Superwaffe von unvorstellbarer Zerstörungskraft erfunden zu haben, bot diese den Weltmächten für eine unglaubliche Summe an. Von keinem ernstgenommen war er in einem Sanatorium „ruhig gestellt worden“. Warum war er jetzt entführt worden? War sein Wundersprengstoff real? Was konnte passieren, vor allem wenn Roch der ärztlichen Kontrolle entzogen war. Wird er den gewissenlosen Entführern das Geheimnis seiner Waffe verraten, das er bisher ängstlich gehütet hatte?

Back Cup

Von den Entführten und den Entführern gab es keine Spur, denn die Entführung des Erfinders war raffiniert vorbereitet worden: Ganz dreist kreuzte Graf d'Artigas mit seinem Segler Goélette vor der Küste North Carolinas. 

Nach der Entführung wurde das Schiff zwar durchsucht, aber es wurde nichts Verdächtiges gefunden. Zuerst bleibt auch rätselhaft, wie das Schiff auf hoher See auf einmal mit gerefften Segeln vorwärts kommt. Bis Simon Hart, der sich als Pfleger Gaydon in der Nähe Rochs befand, die Lösung erkennt: Ein elektrisch angetriebenes Unterseeboot dient als Schlepper. Aber es wird auch für andere Zwecke gebraucht: Als Waffe und als Transportmittel zum Zugang des idealen Verstecks: Die Vulkaninsel Back Cup ist nämlich nur durch einen unterseeischen Tunnel erreichbar (ähnlich der Energiebasis in   20.000 Meilen unter den Meeren in der Disneyverfilmung von 1954. Siehe dazu auch rechts oben die Insel von Außen - eine Illustration von L. Benett  /3/ und rechts unten: Im Inneren Back Cups /1/). Durch künstliche Detonationen und Rauchentwicklung wurden die dort öfters vorhandenen Fischer vertrieben, die nun an einen aktiver Vulkan glauben mussten. Im Innern des Stützpunkts wird nun die Superwaffe entwickelt. Roch der die Weltmächte, einschließlich seinem Vaterland Frankreich, für seine Feinde hält, arbeitet fieberhaft. Er ist zutiefst überzeugt, das Richtige zu tun.
Innerhalb Back Cups

Noch ist die Welt nicht im klaren, welches Drama sich in Back Cup zuspitzt. Da wird am Strand der Bermudainsel Saint Georges eine Flaschenpost  von Rochs Pfleger gefunden, welche die schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Der Seeräuber Ker Karraje ist jetzt im Besitz der schrecklichen Waffe. Nun gilt es rasch zu handeln, denn der Menschheit droht eine entsetzliche Gefahr...

Anmerkungen:

Wie öfters in den Romanen von Jules Verne zu lesen, wurde vieles idealisiert. Dies beginnt schon mit der Schilderung der mustergültigen Zustände im amerikanischen "Sanatorium" Healthful House. War es doch weltweit im 19. Jahrhundert üblich, psychisch Kranke in Anstalten einfach wegzusperren, mit fraglichen Methoden ruhig zu stellen und oft wurden sie von der Außenwelt vergessen. Auch die Rollenverteilung mit den Charakteren ist wieder vernetypisch überzeichnet vorgenommen worden: Der wirklich Böse, in Figur des Seeräubers Ker Karraje, dann der anfangs völlig isolierte wahnsinnige Wissenschaftler, der sich später als ein weltfremdes Genie entpuppt und schließlich der junge patriotische französische (!) Pfleger Gaydon. Dazu passt der theatralische Schluss, der auch den originalen Titel Vor der Flagge (des Vaterlandes) verständlicher macht. Der damals in Zentraleuropa übliche regionale Patriotismus, hier am Beispiel Frankreichs, wird deutlich bedient.

q21109 Eugene Turpin ca. 1915Es lässt sich nicht exakt nachvollziehen, wodurch Verne die Anregung zu seiner Person des Thomas Roch fand, auf jeden Fall gab es starke Ähnlichkeiten mit einer lebenden Person: Das war der französische Chemiker Eugéne Turpin (1848 - 1927, siehe Bild links: In seinem Labor um 1915 /6/). Es ist zu vermuten, dass Pressenotizen über dessen Person ihm als Anregung gedient haben könnte.

Hinweis:
Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne empfehle ich das Link Personenregister dieser Domain.

In Folge des Romans kam es zu einem Prozess wegen Verleumdung. Fühlte sich doch der in der damaligen Öffentlichkeit recht widersprüchlich angesehene Chemiker in diesem Roman karrikiert und verleumdet. Aber blicken wir kurz in seine Lebensgeschichte:

q21301 Eugene Turpin 1893Turpin galt als erfolgloser und unter Verfolgungswahn lebender Erfinder, machte dann aber Geschichte. Im Jahre 1884 erfand er den Sprengstoff Mélinite und er revolutionierte damit das damalige Militärwesen. Kurz darauf wurde er ungerechter Weise angeklagt, seine Erfindung an den Feind verkauft zu haben. Eine Verurteilung folgte. Rückblickend muss festgestellt werden, dass Turpin ein Opfer seiner eigenen Regierung wurde. Diese wollte sich die Erfindung möglichst ohne große Kosten vereinnahmen. 

Noch während er inhaftiert war, begann eine Meinungskampagne die sich für seine Rehabilitation einsetzte. Links eine Illustration aus einem zeitgenössischen Artikel vom Januar 1893 /7/, mit einer Parteinahme für Turpin. Und siehe da: Auch in diesem Beitrag ist die Flagge des Vaterlandes eingeblendet worden ...
In einem weiterem Prozess wurde Turpin freigesprochen. 
Turpin wird entlassenRechts unten sehen wir ihn beim Verlassen des Gefängnisses 1893 /4/.

Der vom Leben nicht gerade verwöhnte Turpin sah danach überall Verfolger und Menschen die im schlecht gesonnen waren. 

Turpin vs. Verne / Hetzel

Als Eugéne Turpin durch einen unachtsamen Mitarbeiter aus dem Hause Hetzel mit Parallelen zu seiner Person aus dem oben vorgestellten Roman brüskiert würde, strebt er in Folge einen Prozess gegen Verne und seinem Verleger an. Verne, der sich extra für diesen Vorgang einen der bekanntesten Anwälte nahm, konnte den Prozess gegen Turpin gewinnen. Ganz so haltlos schien aber der Verdacht Turpins nicht gewesen zu sein, hatte Verne doch offenbar die Person des Chemikers in seinem Werk „verarbeitet“. Selbst das Alter der fiktiven Figur im Roman war identisch mit dem des realen Erfinders. Die Parallelen lassen sich nicht wegdiskutieren und es entspricht auch Vernes Arbeitsstil, wie oben schon vermutet, Anregungen aus dem Alltagsleben und der Forschung in seinen Werken zu verarbeiten. Das Verne ohne Blessuren aus dem Verfahren herauskam ist bestimmt nicht zuletzt seiner damals schon vorhandenen Berümtheit und den immer noch vorhandenen öffentlichen Vorurteilen gegenüber Turpin zu verdanken gewesen. 

Manchmal sind die Geschichten hinter einer Geschichte auch nicht ohne ....

Film 1

Erfindung des Verderbens: Verfilmung CSSR 1958

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Hinweis: Beschrieben werden nur in meiner Sammlung befindliche Bücher und Verfilmungen. Dargestellte Bücher sind Beispiele daraus.

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© Andreas Fehrmann 07/2000, letzte Aktualisierung 29. April 2021