Collection Fehrmann

Jules Vernes „Voyages extraordinaires"

- Band VE 5: Die Kinder des Kapitän Grant – Detail 4: Wo liegt Grant's Insel?













Bildquelle rechts oben im Text: Die Kinder des Kapitän Grant; Zeichnung © Piero Cattaneo; 1977 Schwager und Steinlein Kunstanstalt und Verlag Nürnberg

Bildquelle unten rechts im Text „Ayrton auf der Insel“: Die Kinder des Kapitän Grant; Zeichnung © Werner Klemke; 1953 Verlag Neues Leben Berlin



















CREDITS:

Ich bedanke mich bei Kapitän Bernhard Krauth für die ergänzenden geografischen Hinweise. Da Berhard nicht nur über nautisch / maritime Kenntnisse verfügt, er ist auch begeisterter „Vernianer“, kann er die Fiktion Jules Vernes mit der Realität bestens vergleichen. Bernhard gab mir seine Ausarbeitung zur Veröffentlichung frei.

Das Maria – Theresa – Riff (Insel Tabor)

Eine Untersuchung von Bernhard Krauth

Geschrieben 06.11.1984 in Heidelberg, Überarbeitet 1987, Neufassung und Überarbeitung 15.05.2004 in Bremerhaven

(Collage und Foto: Fehrmann)



 

Wo liegt denn eigentlich die Insel Kapitän Grants?

WiedervereintDie Odyssee der Duncan endete ja, wie der aufmerksame Leser weiß, auf einem Eiland am 37. Breitengrad. Wie durch ein Wunder fanden die Suchenden, als sie den Piraten Ayrton aussetzen wollten Kapitän Grant auf einer einsamen Insel im Pazifik, der Insel Maria Theresia.

Da stellten sich natürlich alle an Bord die Frage: Was stand denn eigentlich im Original der Flaschenpost für eine Positionsangabe, deren Verstümmelung die Suchenden Rund um den Globus führte? Wir erinnern uns noch an die Bruchstücke (siehe dazu auch die Hauptseite zum Buch: Die Kinder des Kapitän Grant):

7. Juni 1862 ........... Dreimaster Britannia ........Glasgow.........gekentert ................. gonien ..............austral ............. an Land ............................... zwei Matrosen ........................Kapitän Gr .......................................... gegangen ...............Kontin gef................... grausam ................... indi ............. .............Dokument geworfen ............................Längengrad und 37°11' Breitengrad ............................Bringt ihnen Hilfe .................verloren

Grant zitierte das Original seiner Flaschenpost aus dem Gedächtnis (hier die entscheidende Stelle):  " .....An Land gegangen sind zwei Matrosen und der Kapitän Grant. Sie haben die Insel Tabor betreten ... und dort haben sie haben das Dokument am 153. Grad Länge und 37. Grad 11 Minuten Breite in das Meer geworfen.." .....
"Wieso den Tabor, es ist doch die Insel Maria Theresia?"-"Das stimmt, Monsieur Paganel. So heißt sie auf den englischen und deutschen Landkarten, auf den französischen aber Tabor."

Damit ist die geographische Lage für die Schiffsbesatzung im Roman und für den Leser geklärt. Grant und seine Kameraden wurden von dort gerettet und der verräterische Bootsmaat Ayrton wurde dort ausgesetzt. Glenarvan verließ mit seinen Freunden die Insel, nicht ohne Ayrton zu versprechen, sich nach einer Zeit, die er zur Läuterung nutzen sollte, an ihn zu denken.

Aber kann man diese Insel auch in der Realität finden?

An dieser Stelle möchte ich Bernhard Krauth zu Wort kommen lassen, der intensivst diesem Problem nachgegangen ist.

Das Maria – Theresa – Riff / Die Insel Tabor

AyrtonDen Roman Die Kinder des Kapitän Grant von Jules Verne habe ich vermutlich das erste mal zwischen 1978 und 1981 gelesen. In diesem Roman beschreibt Verne die Suche nach dem verschollenen Kapitän Grant längs des 37. Südlichen Breitengrades. Dieser wird dann ganz zuletzt auf dem im Südpazifik gelegenen Maria – Theresa – Riff, auf französisch „Île Tabor“, gefunden.

Verne bringt das gleiche Riff nochmals in seinem Roman Die geheimnisvolle Insel zur Sprache. Er beschreibt es als eine bewohnbare, ca. 8 km lange und ca. 3 km breite Insel, welche sich etwa 100 Meter über den Meeresspiegel erhebt, vulkanischen Ursprungs und „seit langer Zeit bekannt“. Als Lage gibt er 37° 11‘ südliche Breite und 153° westliche Länge (vermutlich nach dem Meridian von Paris) an.

Ich begann mich dafür zu interessieren, ob es dieses Riff bzw. diese Insel überhaupt gibt. Ich weiß nicht, wann und wo ich es das erste mal verzeichnet fand, nur das es fast nirgends verzeichnet ist. Dann habe ich mich längere Zeit damit nicht mehr beschäftigt. Etwa 1982 stieß ich wieder auf das Riff auf einer Weltkarte von „Mairs Geographischen Verlag“. Da kam ich auf die Idee in Atlanten nach der Karte zu suchen. Ich fand unter anderen im „Knaurs Großer Weltatlas“ (Lizenzausgabe des „Times Atlas of the World“) die Insel unter der Lage 37° Süd und 151° 10‘ West wieder.

Um 1983 begann ich mich immer stärker für Karten und Atlanten zu interessieren, was mir in Folge dann zu einem meiner Hobbys geworden ist. In der zweiten Jahreshälfte packte mich der Ehrgeiz, näheres über das Riff zu erfahren. Ich kam auf die Idee, an das Auswärtige Amt in Bonn zu schreiben, da ich in einer Broschüre gelesen hatte, das Amt habe eine Bibliothek mit u.a. 3000 Atlanten. Dies tat ich dann auch am 3.Oktober 1983, mit dem Erfolg zu hören, das über das Riff nichts bekannt sei. Eine Kopie einer Karte aus einem russischen Atlas im vermutlichen Maßstab 1: 20 Mio über die Region lag bei. Nach diesem Briefwechsel ruhte die Angelegenheit erst einmal.

Dann bekam ich die Information, das die deutschen Seekarten vom Deutschen Hydrographischen Institut in Hamburg (heute: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie BSH) hergestellt werden. Ich schrieb im Februar 1984 das Institut an. Dieses teilte mir ebenfalls mit, daß ihnen nichts bekannt sei, außer das die Lage 151° 13‘ West sei, und das das Riff in den neuesten englischen Seekarten gar nicht mehr verzeichnet sei (was nicht ganz stimmte, es wird bis heute weiter östlich verzeichnet, siehe weiter unten im Text). Außerdem teilten sie mir die Anschrift des englischen Hydrographischen Dienstes mit.

Am 25. März 1984 schrieb ich also nach England. Postwendend erhielt ich Antwort. Man teilte mir mit, das die Position 1983 auf 36°50‘ Süd und 136°39‘ West neu festgelegt worden sei, und daß die Existenz des Riffes als zweifelhaft anzusehen sei. Die Grundlage zu dieser Einschätzung und Neu – Positionierung war ein Schreiben, das beigefügt war, und von dem ich eine grobe Übersetzung nachfolgend gebe:

Mein SextantDas Riff wurde zuerst in ... erwähnt am 1. Oktober 1856 als das Ergebnis eines Berichtes des „Sydney Morning Herald“ sowie mindestens zweier anderer Zeitungen, welche die gleiche Nachricht brachten, nämlich die „New Bedford Mercury“ und Honolulu’s „The Friend“.

...Im November 1982 schrieb uns ein Mr. Henry Stommel vom „Woods Hole Oceanographic Institut“ um uns zu mitzuteilen, daß das „New Bredford Whaling Museum“ ein Logbuch der „Maria - Theresa“ habe, welches aussagt, daß ihre Position am 16. November 1843 bei 37° Süd und 137° West war, sowie das ein Buch namens „Amerikanische Aktivitäten im Zentralpazifik von 1790 – 1870, Vol. 4“ vom Maria – Theresa – Riff folgende Auslegung habe, zitiert nach dem Bericht des „New Bedford Mercury“ vom 25. Oktober 1844:

„Entdeckung im Pazifischen Ozean – wir hörten vom ‚Sydney Herald‘ das ein gefährliches Riff entdeckt wurde von dem Kapitän Tabor des Walfängers Maria – Theresa aus diesem Hafen (New Bedford) am 16. November 1843 bei 37 Grad Süd und 151 Grad 13‘ West“

Das Buch trägt die Anmerkung: „Report in Newburyport Kurier“ 29. Oktober 1844, gäbe das Datum als 15. November an, sei jedoch genauso identisch.

Wir schrieben an das „New Bedford Whaling museum“, ... welches uns später mit einer Kopie des Logbuches über die komplette Reise der Maria Theresa versah. Diese Kopie zeigte, daß die Maria Theresa nie in einem Bereich von 100 Meilen von der im „Sydney Morning Herald“ genannten Position an dem fraglichen Tag war, sondern mehrere hundert Meilen entfernt bei 36° 50‘ Süd und 136° 39‘ West. Ferner scheint es als sehr zweifelhaft, ob in dieser Position je ein Riff gewesen ist, den die eintragung in dem Original – Logbuch wechselte von „sahen Brecher/ Brandung“ zu „sahen den Blast von Walen (englisch: „saw breackers“ zu „saw breaches“).

Jedoch haben wir keinen Beweis zur Widerlegung der Aufzeichnungen – obwohl wir nun mehrere genaue Positionen haben.

Wie sie wissen, ist die Arbeitsweise aller hydrographischen Dienste niemals eine verzeichnete Gefahr zu streichen, bis man sich offiziell selbst von der (Nicht-) Existenz überzeugt hat und die Gefahr ohne Bedenken gestrichen werden kann.

Auf Grund dieser Studie wurde diese „Gefahr“ auf die neue Position (die des Logbuches) in den Seekarten verlegt, wo das Riff bis heute zu finden ist. Man sieht also, weshalb die Existenz des Riffes sehr fragwürdig ist.

Nachdem ich soweit gekommen war, schrieb ich am 13. Mai 1984 einen Brief an das New Bedford Whaling Museum, um eine Kopie der Logbuchseiten vom genannten Datum zu erhalten. Ein Angestellter des Museums antwortete mir dann am 4. Juni, daß ein Auszug der Reise der „Maria – Theresa“ unter dem Kapitän „Asaph P. Taber“ vom 11. Oktober 1842 bis 30. Januar 1844 auf Mikrofilm vom Nationalarchiv in Washington erhältlich sei. Anstregungen in dieser Hinsicht brach ich ab, weil mir die Kosten dafür als Schüler damals zu hoch waren. Auch versuche, an Satellitenfotografien zu kommen, scheiterten, allerdings vor allem aus anderen Gründen.

Auf der Internetseite des Walfangmuseums wird man leider nicht nach dem Logbuch der Maria Theresa fündig, wohl aber nach dem Kapitän, der tatsächlich „Asaph P. Taber“ und nicht „Tabor“ hieß. Es hat den Anschein, daß also die alten Zeitungsartikel mit der Meldung nicht nur die Position falsch verbreitet haben... In jedem Fall ist nach diesen Zeitungsartikeln weltweit das Riff in die Karten eingetragen worden, so daß auch Jules Verne Kenntnis davon erlangen konnte. Und das die Franzosen dieses Riff in den früheren Karten mit dem Namen des Kapitäns (wie er in der Meldung erscheint) verzeichnet haben, dafür habe ich ebenfalls eine Bestätigung gesehen. Insofern hat sich Verne lediglich an verfügbares Quellenmaterial seiner Zeit gehalten. (Zitat Ende)

Bemerkung von A. Fehrmann: Gab es denn wirklich diese Quellen – oder wird es die Insel auch weiterhin nur in unserer Phantasie geben, angeregt durch die Bücher Jules Vernes?

Diese Frage klärte sich m August 2006, als mich Bernhard mit zwei französischen Kartenfunden überraschte. Diese möchte ich nachfolgend als Ausschnitt (stark von mir bearbeitet, mit eingebundenen Quellen in den Bildern) zeigen. Es gab sie – die französischen Karten des 19. Jahrhunderts mit den Eintragungen der Insel TABOR. In denen konnte sich Jules Verne die Anregungen holen. Aber auch Karten haben im Sinne des wissenschaftlichen Fortschritts ein gewisses „Verfallsdatum“ - und darum werden wir die Insel eben heute nicht mehr finden ....

Karte 1
Karte 2

To Menue: In Search of the Castaways Zum Menü: Die Kinder des Kapitän Grant – In Search of the Castaways – Les Enfants du capitaine Grant


Copyright © Andreas Fehrmann - 03/02, letzte Aktualisierung 22. Januar 2016