Zu Hause bei Jules Verne in Le Crotoy
 (1869 bis 1871)






Quellenangaben, und vielleicht der Reiz etwas mehr darüber zu lesen? (Die Systematisierung bezieht sich nur auf die Nutzung für diesen Beitrag)

/1/ Aussagen aus Volker Dehs: Jules Verne Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1986 (Detailangaben siehe  CF /5501/ )

/2/ Einige allgemeine Fakten habe ich von Peter Lanczak. Siehe dazu auch seine Seite  Jules Verne in Le Crotoy

/3/ © Fotos: Fehrmann 03/2005

/4/ © Foto: Peter Lanczak 2005

/5/ SNSM / Valetoux / Tarrieu: Dans le sillage de Jules Verne au Crotoy; Sonderausgabe der SNSM (Gesellschaft zur Lebensrettung auf dem Meere) und der Stadt Crotoy Juli 2009; 36 Seiten; Exemplar Nr. 301;  CF /5534/; Siehe Bild unten

/6/ Postkarte um 1900, CF /21216/

/7/ Postkarte um 1900, CF /21215/

/8/ Postkarte um 1900,  CF /21213/

exclusive SNSM Ausgabe 2009

/9/ Postkarte um 1890, CF /21303/

/10/ Postkarte um 1890, CF /21304/

/11/ Postkarte um 1900; CF/21367/; Le Crotoy Chateau de M. Jaques Millevoye

/12/ © Fotos: Fehrmann 09/2021

/13/ Bildmontage von mir: Auf Basis einer Postkarte der frühen 60er Jahre ergänzte ich die Positionen und färbte das Ganze ein.

/14/ Postkarte um 1910; CF /21439/ - Ich bin mir sicher, dass dieses Motiv über Jahrzehnte so in Le Crotoy zu sehen war.


Crotoy ChateauIm März 1869 verließ Jules Verne mit seiner Familie Paris und zog nach Le Crotoy. Der Umzug zu diesem malerischen Fischerort am Bai du Somme kam nicht von ungefähr. Denn er kannte diese kleine Hafenstadt an der Mündung der Somme und die Gegend an der Kanalküste schon von früheren Ausflügen und Sommeraufenthalten. Hier wollte er einen Ausgleich zum hektischen Paris finden. Vielleicht war es aber auch das maritime Flair welches ihn faszinierte, ein Interesse, welches ihm schon mit der Prägung durch seine Geburtstadt Nantes sozusagen mit in die Wiege gelegt wurde.

q21367Erst vor einigen Jahren konnte Klarheit zu den frühen Aufenthalten Jules Vernes in Crotoy gewonnen werden. Erste Besuche Vernes sollen noch vor 1865 statt gefunden haben. In der Quelle /5/ wird dazu ausgeführt, dass ein Louis Serry darüber Informationen von Jaqueline Millevoye erhalten hat. Sie ist eine Nachfahrin der Familie Millevoye, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts im Chateau de Millevoye, in der damaligen Rue de Chateau wohnte. Wie kam es zur Einmietung von Jules Verne? Er soll Kenntnis davon erhalten haben, dass der damals aktuellen Besitzer des Hauses eine Gästewohnung zu vermieten hatte. Bekannt wurde das Haus durch die Familie Millevoye, deren Vorfahre der Dichters der Picardie, Charles-Hubert Millevoye (1782 bis 1816) war. Der schon mit 33 Jahren sehr jung verstorbene Schriftsteller war im 19. Jahrhundert sehr populär. Er war einer der Vorläufer der französischen Romantik. 

Das Chateau heuteSehen wir uns das Gebäude etwas näher an: Auf den Ruinen des alten Schlosses wurde 1820 ein neues prachtvolles Herrenhaus für Herrn Desgardins, dem früheren Bürgermeister, errichtet. Es war traditionell aus rotem Backstein mit Kalkstein-Füllung gebaut worden und es hatte ein regionaltypisches Schieferdach. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde ein bedeutend größerer Seitenflügel angebaut. 1860 wurde das Haus von der Familie Millevoye übernommen. Hier soll Verne mehrfach Einzelaufenthalte gehabt haben, wobei er im Jahre 1866 den ganzen Sommer dort verbracht haben soll.

Die Nachfahren der Familie Millevoye leben noch heute hier (Aussage aus /5/ 2009).  Links oben eine kolorierte Postkarte um 1900 mit der Aufschrift Chateau du Crotoy, Propriete de M. Jacques Millevoye, offenbar dem damaligen Besitzer /6/ und die s/w Postkarte darunter, ebenfalls aus dieser Zeit, hat die Aufschrift: Le Crotoy Chateau de M. Jaques Millevoye /11/.

Q21303 Le Crotoy - die Ausflügler kommen anHeute liegt das Gebäude am Quai Léonard. Siehe dazu rechts oben eine Aufnahme aus dem Jahre 2005 /4/ die mir freundlicherweise von Peter Lanczak zur Verfügung gestellt wurde. Als er mir ein paar Monate davor das Haus zeigte, war es leider durch Bauarbeiten eingerüstet, so dass ich es nicht selbst fotografieren konnte. Danke Peter..

Als Jules Verne seine ersten Besuche in Le Crotoy abhielt, stand der kleine Fischerort schon im Ruf, die aufkommende Sommerfrische von Paris zu sein. Noch stärker wurde der Touristen- und Besucherstrom als 1872 die günstige Bahnverbindung von Paris zur Côte Picardie fertig gestellt wurde. Siehe dazu auch eine Postkarte aus dem Jahre 1890 (links, /9/). Aber da war die Familie Verne bereits nach Amiens umgezogen. Schauen wir also wieder ein paar Jahre zurück.

Q21304 Le Crotoy - der Marktplatz um 1890Der endgültige Umzug der Familie Verne von Paris nach Le Crotoy ist im Jahre 1869 vollzogen worden. Nur für geschäftliche Dinge reiste Verne noch nach Paris. /1/.

Rechts eine typische Straßenszene aus Le Crotoy: Der Marktplatz um 1890, aber knapp 20 Jahre eher wird es warscheinlich nicht viel anders dort ausgesehen haben /10/.

Die Familie zog in eine kleine zwei-etagige Villa mit einem kleinen Garten dahinter. Dieses Haus lag in der damaligen Rue Lefèvre, später als Straße Chemin de grande Communication - die heutzutage Rue Jules Verne heißt.

Bilder: Unten links das Haus /3/ und rechts daneben die 2015 angebrachte Gedenktafel /12/

Vernes Haus in CrotoySolitude Gedenktafel In diesem Haus mit der Nummer 9 mit dem Namen La Solitude (Einsamkeit) lebte die Familie bis 1871. Bis um das Jahr 2000 wurde es noch privat vermietet, dann sollte es zu einer Stätte der Erinnerung an den großen Sohn Frankreichs umgestaltet werden. Als ich es im Jahre 2005 aufsuchte, war das Projekt noch nicht abgeschlossen. Auch im Jahre 2021 war das Haus nicht besuchbar. Motive vom Gebäude sind oft publiziert worden, selbst als Postkarte gibt es die Ansicht zu kaufen. Nicht so üblich ist die Gartenansicht des Hauses, die ich im Foto /12/ weiter unten zeigen möchte. Leider war die freie Sicht durch eine Mauer etwas versperrt.

Solitude GartenansichtEin Teil der Zimmer des Hauses zeigen in Richtung Hafen und der Blick aus den Fenstern soll damals, zu Zeiten Jules Vernes, noch nicht von anderen Gebäuden versperrt gewesen sein. Nur eine kleine, flachgebaute Werft, mehr ein Schiffsbauplatz, befand sich zwischen Vernes Haus und dem Kai. Um die Dimensionen zu erkennen, bitte ich das Bild weiter unten rechts aus der Vogelperspektive und den Beschriftungen zu betrachten. Dort habe ich die Lage des Hauses eingezeichnet. Aus Richtung Wasser blickend konnte ich heutzutage das Haus Vernes nur zur Hälfte erkennen. Gerade der Ausblick zur See soll seine Liebe zum Meer verstärkt haben.
Blick von Solitude
 

Bild oben: Die Gartenansicht des Hauses Solitude. Bild rechts: Der Bick vom Haus Solitude heutzutage in Richtung Meer. Allerdings aus der Perspektive ebenerdig vor dem Haus stehend /12/

Tendentiell halte ich diese Aussage aus der Sekundärliteratur für überspitzt, denn nach meiner Einschätzung war dieses Gefühl schon seit seiner Jugend  ihm verankert. Siehe dazu meine Ausführungen im Beitrag: 
Nantes maritim - Die Vaterstadt Jules Vernes als Tor zur Welt. 


Die Lage des Verne-HausesBild rechts: Eine Lagedarstellung der Anordnung von Jules Vernes Haus Solitude, der Straße zum Wasser und der ehemalige Schiffsbauplatz /13/.


Schiffsbau in Le Crotoy


Bereits im Jahre 1867 hatte Jules ein Fischerboot erworben, welches er durch die Umbauten seetüchtiger machen wollte. Wie in mehreren Biografien ausgeführt, beauftragte er dazu einen "Schiffsbauer vor der Haustür" mit dem Umbau des Fischereibootes. 1868 war es dann soweit: Sein erstes Boot, die SAINT MICHEL wurde fertiggestellt. Später wurde sie in der Literatur St. Michel I genannt. Der kleine Michel Verne nahm die Schiffstaufe vor. Es war ein Boot von 8 bis 10 Tonnen, getakelt wie die Fischerboote in der Bucht der Somme.

Le Crotoy SchiffbauMan darf an dieser Stelle nicht an eine richtige Werft denken. Es war mehr ein Reparaturplatz für Fischerboote. Dies war in fast allen Fischerdörfern damals gang und gebe. Bei Hochtide wurden die Boote an Land gezogen, gestützt und in dieser Position repariert. Ein Neuaufbau erfolgte an gleicher Stelle. Siehe dazu das Bild links /14/.

Die Aufnahme weiter unten links auf der alten Postkarte von der Seeseite aufgenommen, zeigt die Reparatur einer Fischerbarke. Der Schiffsbauer hatte sein Domizil an der Stelle, an der im 20. Jahrhundert ein Kino errichtet wurde. 2005 war dort das Restaurant La Potinière, welches dann zirka zehn Jahre später zum Hotel La Baie Du Somme wurde.

Blick vom Strand

Ein Fischerbott währnd der Reparatur

Bild links – Eine Barke zur Reparatur auf "Trockendock" am Strand des Fischereihafens um 1900 /7/. - Bild rechts – Der Blick vom Hafen, dort wo links der Schiffsbauplatz war (zur Zeit der Aufnahme 2005: Restaurant La Potinière). Am Ende der Straße ist Vernes Haus Solitude in der ehemaligen Straße Chemin de grande Communication Nr. 9 zu sehen. /3/. Bild ganz unten: Ausschnitt aus einer handcolorierten Postkarte um 1900, der die Gesamtansicht des Hafens mit den Reparaturplätzen gut zeigt. /8/

Crotoy der Hafen

Le Crotoy und fest damit verbunden    sein Boot St. Michel inspirierten Verne nachhaltig. So schrieb Verne seinen Roman 20.000 Meilen unter den Meeren meist an Bord seines Bootes. Aber während er sich auf den Wellen der Somme oder des Kanals wiegte, langweilte sich seine Frau Honorine fast zu Tode. Im Jahre 1871 zog die Familie nach Amiens um. Diese Stadt befindet sich nur 60 Kilometer süd-östlich von Le Crotoy. 

Nachbemerkung: Romane und Kurzgeschichten in denen Le Crotoy vorkommt konnte ich nicht finden.

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Copyright © Andreas Fehrmann – 10/2005, letzte Aktualisierung 5. Mai 20222