Collection Fehrmann

Bühnenwerke

von und nach Jules Verne

- Jules Verne im Theater / Les pièces de théâtre / Plays -


Das Buch zu den Theaterstücken:


/3/ Jules Verne & Adolf Philipp d'Ennery: „Les Voyages au théâtre“; Paris 1881, Edition Hetzel, CF /7006/



Hinweise zum Bildmaterial:

/1/ Adolf Philipp d'Ennery in einer zeitgenössischen Darstellung von 1880 aus Olivier & Patrick Poivre D'Arvour: „Le monde selon Jules Verne“ Éditions Mengés, Paris 12/2004; ISBN 2-7441-7920-5; Bildzitat von Seite 110 (Bild wurde von mir stark nachgearbeitet)

/2/ Max Popp: „Julius Verne und sein Werk“ II. Teil: Jules Verne; 8. Kapitel, Zitat von Seite 170 – 171 (Detailangaben siehe Quelle /3/ )

/3/ siehe Buch oben

/4/ Zeitgenössische Künstlerpostkarte (von mir im Format beschnitten): Der Schauspieler Leon Marais am Théâtre du Chatelet als Michel Strogoff im Jahre 1880

/5/ Charles Seignobos: „Jules Verne“ 1886 in »Nord und Süd. Eine Monatsschrift« (Breslau) 38. Jahresband 1886, Seite 299 bis 335 als Beitrag, daraus ist das Zitat, gefunden in Quelle: Directmedia, Berlin 2004, Digitale Bibliothek Band 105 Jules Verne“,(Detailangaben siehe Quelle /12/ )

/6/ Le Theatre; 2. Märzausgabe 1900, Paris, 44 Seiten. Beitrag zur Aufführung Michel Strogoff von Adolphe Aderer auf den Seiten 13 bis 17; CF /7207/

/7/ ebenda, Seite 13

/8/ Sogenannte Vertreterkarte (Werbematerial als Postkarte) des Kaufhauses A Pygmalion in Paris Boulevard de Sebastopol 1900. Dargestellt ist der 1. Akt, 1. Aufzug des Stückes Michel Strogoff; CF /21323/

/9/ CPA von Paris, Koloriert, um 1900; CF /21406/



Eine Sammlung von Theaterplakaten (Posters, Placards, Affiches)

Künstlerpostkarten der Spielsaison 1906 (Performer postcards, CPA de artiste)

Michel Strogoff (Der Kurier des Zaren) 1880

Auch dieses Theaterstück basiert wieder auf die fruchtbare Zusammenarbeit von Jules Verne mit Adolphe d'Ennery (1811 – 1899, Bild links /1/, weitere Details siehe auch bei Voyage à travers l'impossible“). Die eigentliche Vorlage zum Stück schrieb Verne mit dem Band 14 der VE, dem Kurier des Zaren“, erstveröffentlicht in Buchform bei Hetzel im Jahre 1876. Die Entstehungsgeschichte des darauf geplanten Theaterstückes liest sich 1909 in einer etwas verklärten Version bei Max Popp so:

„Der Erfolg des ersten aus seinen Romanen entstandenen Theaterstückes (1874: Le Tour du monde en 80 jours - Reise um die Erde in 80 Tagen, Anmerkung A.F.) hatte unseren Dichter mutig gemacht. Nach dem Erscheinen des »Michel Strogoff«, 1876, erschien er eines Tages in Meudon, einer Vorstadt von Paris, bei seinem Freunde Duquesnel mit einem Paket unter dem Arm. Es war die Reinschrift des »Michel Strogoff«. »Lesen Sie das«, sagte er zu ihm, »und sagen Sie mir dann, ob es ein Stück gibt!« Der Freund las fieberhaft die ganze Nacht durch. »Kommen Sie eilends zu mir,« schrieb er am anderen Tage an Verne, »es läßt sich ein wundervolles Stück aus dem 'Strogoff' machen, kommen Sie, die Szene ist bereit.« Verne kam zwei Tage später. »Wollen Sie das Stück schreiben?«, fragte er den Freund. »Nein!« »Warum nicht?« »Ich bin zu faul dazu; das muß d'Ennery machen, der ist der rechte Mann dafür.« »Und Sie?« »Ich verlange nicht viel. Ich helfe Ihnen, ich helfe dem Stück. Ich will nur Ihr Versprechen, Ihr formelles Versprechen, daß es mir ganz allein gehören soll. Ich brauche eine Million. 'Strogoff' wird sie mir verschaffen.« d'Ennery schrieb das Stück, es wurde 1880 am Theater Chatelet aufgeführt und brachte 1.400.000 Franken! /2/

Chatelet mit Strogoff WerbungDiese doch mit einem Fragezeichen zu versehende, idealisierte Darstellung zeigt aber nicht die ganze Realität. Wir erkennen zwar, dass es im Theatergeschäft, daher auch der Name, um Geld geht – aber die Wirklichkeit war noch spannender. Nach der Bühnenbearbeitung sollte das Stück 1880 im Théâtre du Chatelet zwar aufgeführt werden, aber beinahe wäre es anders gekommen.

Bild rechts: Das Chatelet um 1900 mit der großflächigen Werbung für Strogoff, Blick von der Seinebrücke /9/

Der von Popp oben angesprochene Duquesnel hatte nämlich zwischenzeitlich die Rechte an dem Stück an den Betreiber des „Théâtre de la Porte Saint-Martin“ abgetreten. Durch vertragsrechtliche Klauseln konnte er die Aufführungsrechte wieder in seine Hand bekommen und am 17. 11.1880 kam es dann zur Uraufführung im Chatelet. Das Stück kam auf insgesamt 2.502 Aufführungen! Es gehörte bis 1939 zum Spielplan des Hauses. Welches andere Theaterstück kann solch eine kontinuierliche Bespielung von fast 60 Jahren an einem Hause aufweisen? Ich glaube damit wurde Theatergeschichte geschrieben.

IllustrationEine Veröffentlichung des Stückes in Buchform gab es bereits in einem Sammelband 1881 bei Hetzel. Es handelt sich um Jules Verne und Adolphe d'Ennery's: „Les Voyages au théâtre“, dort ist es auf den Seiten 265 bis 375 zu finden (Titel des Buches siehe links oben, das nebenstehende Bild ist eine Bildmontage von mir aus dem Frontispiz dieses Buches /3/)

Um die Inszenierung inhaltlich zu beschreiben, lasse ich einen Zeitzeugen zu Wort kommen: 1886 schrieb der Publizist Charles Seignobos (1854 bis 1942) die nachfolgende Inhaltsangabe des Stückes:

Michael Strogoff war von Anfang an bestimmt, einem anständigen Volksdrama zum Rahmen zu dienen, welches das Publikum ebenso wohl durch die überraschenden Abenteuer des Helden, als durch die malerische Ausstattung interessiren sollte. Die Handlung trägt sich in verschiedenen wenig bekannten Ländern zu, von denen jedes ein Tableau liefern konnte, in dem man seine malerischen Seiten, den allgemeinen Anblick, die ethnischen Typen, Costüme u.s.w. finden konnte. Das Hauptthema, welches dann durch tausend dramatische Ereignisse complicirt wird, ist an sich sehr einfach. Michael Strogoff, ein Courier des Czaren, wird von dem Kaiser beauftragt, dem in Irkutsk und Sibirien commandirenden Großfürsten eine wichtige Depesche zu überbringen. Die Tartaren sind in die russischen Provinzen eingefallen, und die kaiserliche Botschaft kann einen großen Einfluß auf die Resultate der Campagne haben. Strogoff spart keine Anstrengung, keine Opfer, um zur rechten Zeit zu kommen. Aber ein Russe, ein Verräther, Namens Ogareff, hat sich an die Tartaren verkauft, deren Führer und Hauptanführer er geworden ist. Er schlägt die Truppen seines eigenen Landes, macht eine große Zahl von Gefangenen, unter denen sich auch Michael Strogoff befindet, der zuerst unbekannt bleibt, dann sich aber selbst verräth, indem er sich auf Ogareff in dem Augenblicke wirft, wo seine Mutter, die sich weigert, ihn zu erkennen, den ersten Knutenhieb empfangen soll. Ogareff ergreift den Courier, bemächtigt sich des Briefes des Zaren und läßt Michael Strogoff mit einem glühenden Eisen, mit dem man ihm vor den Augen vorbeifährt, blenden. Dann wendet er sich nach Irkutsk, wo er zum Besten der Tartaren den kaiserlichen Courier, dessen Namen er angenommen, spielen will.

Des Gesichts beraubt, findet dieser eine junge Russin, Namens Nadia, die ihren nach Sibirien verbannten Vater aufsuchen will, und er hofft, Ogareff noch zu überholen. Beide erleben eine Reihe von Abenteuern, entgehen unzähligen Gefahren, doch gelingt es Ogareff, vor ihnen zum Großfürsten zu gelangen und sich ihm als Michael Strogoff (Bild rechts: Der Schauspieler Leon Marais als Strogoff /4/) vorzustellen. Als dieser mit Nadia nach Irkutsk kommt, ist der Verräther gerade im Begriff, den Tartaren die Stadt zu überliefern, und um die Sache zu erleichtern, hat er einen Theil der Stadt angezündet. Sofort werfen sie sich auf den gefrorenen Fluß und unter den lodernden Flammen gelangen sie in den Palast. Dort, im heißen Kampfe mit Ogareff, der ihn immer für blind hält, zeigt Strogoff plötzlich, daß er sehend ist, denn er trifft ihn in's Herz. Er erklärt Nadia, daß der Anblick der schlechten Behandlung, die man seiner Mutter zu Theil werden ließ, ihm die Augen so mit Thränen gefüllt hatte, daß als das glühende Eisen seine Augäpfel berühren wollte, die Thränen sich in Dampf verwandelten und so seine Augen bewahrten. Trotzdem hatte er Alle an seine Blindheit glauben lassen, weil er daraus gegen die Feinde des Czaren hatte Vortheil ziehen können. Michael Strogoff kommt zum Großfürsten, wird erkannt, erzählt den Verrath Ogareffs, ertheilt Fingerzeige, wie man die Tartaren abwenden könne; als dann die Russen gesiegt haben, heirathet er Nadia, deren Vater begnadigt wird, findet seine Mutter wieder und Alle kehren nach St. Petersburg zurück.

Die Erzählung wird durch das Dazwischentreten zweier Journalisten belebt, der Eine, ein Engländer, Harry Blunt, der Andere, ein Franzose, Alcide Jolivet, die sich zuerst aus Brotneid hassen, dann aber intime, unzertrennliche Freunde werden; die unzerstörbare Kaltblütigkeit des Ersteren, die sorglose, geistreiche Heiterkeit des Letzteren geben alle Augenblicke der Folge von dramatischen Ereignissen eine pikante Wendung.“ /5/

q21323 Strogoff Chatelet 1900 Die Aufführung im Chatelet Spielsaison 1900:

q7207q7207 Seite 13Die neu besetzte und noch prachtvoller ausgestatte Aufführung im Frühjahr 1900 fand wieder ein begeistertes Publikum. Als Ivan Ogareff war M. Decori und als Sangarre Mlle. Dionne zu sehen. Die opulente Ausstattung diente als Motiv vieler Postkarten und Publikationen. Umfangreich kommentiert wurde das Stück in der Zeitschrift Le Theatre im März 1900 /6/. Aus dieser ist das unten gezeigte Detail /7/, welches als Vorlage der links dargestellte Vertreterkarte (Werbe-Postkarte) des Kaufhauses PYGMALION /8/ diente.

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