Jules Verne In Provins





Quellenangaben:

VORBEMERKUNG: Als Basis dieser Ausarbeitung fand ich in den Verne-Biografien nur kleinere Mosaiksteinchen zum Thema Provins. Umfangreichere Fakten konnte ich den Artikeln:

/1/ Auguste Diot: Jules Verne et Provins [1928] im: Bulletin de la Société Jules Verne n° 37-38 (1976), pp. 101-105

/2/ P.V. (Autorenkürzel): L'écrivain a ses racines dans la cité médiévale im Le Parisien, Lokalseite von Île-de-France & Oise,Seine-et-Marne am 20.1.2006

entnehmen. Sie wurden nicht wörtlich zitiert.

/3/ Postkarte aus meiner Sammlung: PROVINS - Dome de St. Quiriace; ungelaufen, um 1900; CF /21438/

/4/ Die nachfolgenden Informationen zu Paul Garcet beruhen auf den Angaben von Jacques Crovisier: Les cousins Garcet et leur famille, in BSJV n° 193, Dez. 2016, pp. 8-25.

/5/ Fotografie Sammlung Fehrmann

/6/ Bernard Frank: Jules Verne et ses voyages; Flammarion, Paris 1941; Bildzitat von Seite 46; CF /5532/

/7/ Ein in guter Qualität vorliegendes Foto konnte ich nicht beschaffen. Aus rein ästhetischen Gründen habe ich das Bild nachbearbeitet und verfremdet.

/8/ Aufnahme eines unbekannten Fotografen, im Originalformat ovale 15 x 11 cm. Von mir digital restauriert und für die Web-Wiedergabe nachbearbeitet und verfremdet.

/9/ Mail von V. Dehs an Fehrmann v. 5.4.2022





Spurensuche in der Familiengeschichte

Wenn der Bezug zwischen Orten und dem Leben Jules Vernes hergestellt wird, dann wird in der begleitenden Literatur oft die kleinere Stadt Provins im Südosten von Paris liegend vergessen. Zu Unrecht finde ich, denn sie hat einige Verbindungen zur Familie Verne.

Was gilt es von Provins zu wissen? Die rund achtzig Kilometer von Paris gelegene Stadt hat heute über 12.000 Einwohner. Sie galt im Mittelalter als das wirtschaftliche Zentrum der Grafen der Champagne und zählte zu den bekanntesten Orten des damaligen Frankreichs. Der Ruf beruhte zu dieser Zeit auf die dort stattfindenden großen Handelsmessen, denn diese waren ein Bindeglied der Region mit dem Norden Europas und den Wirtschaftsgebieten des Mittelmeers. Im Ergebnis entstanden in der Stadt eine Vielzahl von repräsentativen Gebäuden und Ensembles, die die Basis dafür waren, dass Provins heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Bild unten: Provins um 1900 /3/.

Provins um 1900

Während sich Nantes und Amiens in der Öffentlichkeit als „Jules-Verne-Städte“ geben, wissen nur wenige, dass die Familie Verne ursprünglich aus Provins stammt. Nicht nur, dass die Verwandtschaft über mehrere Generationen direkt im Ort lebte, sie besaß auch im städtischen Umfeld einige Grundstücke. Diese lagen in Chalautre, Gouaix, Soisy, Hermé und Les Ormes. Für die damalige Zeit handelte es sich um recht bedeutende Besitztümer.

Schauen wir uns die Familiengeschichte der Vernes einmal etwas näher an: Der Urgroßvater von Jules Verne, Antoine Verne, wurde am 4. Juli 1728 in Lyon St. Nizier geboren und er starb am 17. Dezember 1807 in Paris. Dort arbeitete er als Notar-Sekretär am Cour des Aides. Damit begründete er in der Linie der Vernes eine Berufstradition. Sein Sohn Gabriel Verne, der 6. Mai 1765 in Paris St. Paul geboren wurde und am 20. Januar 1846 in Provins starb, wurde stellvertretender Richter am Gericht von Provins. Der juristische Staffelstab ging dann an dessen Sohn, Pierre Verne über, der am 5. März 1799 in Provins das Licht der Welt erblickte und am 3. November 1871 in Nantes starb. Er wurde Rechtsanwalt und diesen Beruf führte er dann, so wie es die meisten Kenner der Verne-Biografie wissen, in Nantes aus. Die Juristerei sollte planmäßig nach dem Jurastudium seines Sohnes Jules in Vaters Anwaltskanzlei weitergeführt werden, aber zum Glück aller Freunde des Werkes unseres Autoren, hatte er mit dieser Tradition gebrochen.

Familie Verne als Grundstücksbesitzer

Kehren wir wieder zurück nach Provins. Die oben aufgezählten Liegenschaften in Ort und Umgebung erklären sich durch den Umfang der involvierten Familien und Personen. Jules Urgroßvater Antoine Verne war der Sohn von Fleury Verne und Catherine Tissier. Er heiratete Charlotte Gallet, mit der er drei Kinder hatte. Zu diesen gehörte Gabriel Verne, der oben schon erwähnte Richter in Provins. Er ehelichte 1795 Masthie-Adelaide Prevost (genannt Tante Mimi), Tochter von Jean-Jacques-Pierre Prévost, der als Notar und Friedensrichter ebenfalls juristisch tätig war. Dessen Frau Masthie-Bonaventure Sémillard brachte als Provinserin gleichfalls Erbteile ein. Und so kam es, dass Gabriel Verne im Katasteramt der Gemeinde im Jahre 1844 als Besitzer von über 19 Hektar Land registriert war. Diese Ländereien stammten aus den Nachlässen der Eltern von Frau Verne-Prévost, sowie aus dem Nachlass der Schwester von Frau Verne-Prévost, Marie-Catherine Prévost.

Ein Hinweis an dieser Stelle: Wem es hier in Sachen Familiengeschichte zu unübersichtlich wird, dem empfehle ich meine Seite Genealogie der Familie Verne, denn dort in der Nachkommen-Chronik sind die Namen der Familienangehörigen und deren Beziehungen besser sichtbar.

Jules Verne Großeltern, Gabriel und Masthie Verne-Prévost, starben beide in Provins, Gabriel 1846 und 15 Jahre später seine Frau im Alter von 92 Jahren. Sie hatten vier Kinder. Antoinette Verne erblickte 1795 das Licht der Welt. Sie wurde die spätere Ehefrau von Paul Garcet. Nach Diots Recherchen /1/ soll dieser Professor für Literatur und Geschichte in Paris gewesen sein. Nach neueren Erkenntnissen /4/ ist allerdings verbürgt, dass dieser ein Winkeladvokat war, dessen dubiosen Geschäfte ihn mit dem Gesetz in Konflikt kommen ließen. 1799 wurde Pierre Verne geboren, der Anwalt wurde und nach Nantes zog. Er ist der Vater von Jules Verne. Alphonsine-Rosalie Verne wurde 1806 geboren, ihr folgte 1808 Amelie Verne.

Nachdem sich Paul Garcet nach einer Verurteilung nach Paris absetzte, blieb seine Frau Antoinette in Provins bei ihren beiden unverheirateten Schwestern zurück. Sie wohnten bis zu ihrem Tod in einem Haus am Ende der damaligen Rue des Provents Marais. Dieser Teil der Straße heißt heute Rue Fourtier Masson. Das Haus hat die Nummer 33 und liegt an der Ecke zur Rue La Viniere. Bild unten: Die Situation heutzutage /5/

Das Haus der Tanten

Die Rosen von ProvinsDie drei Tanten von Jules wurden oft von ihm besucht. Hier verbrachte er mehrfach seine Schulferien und in späteren Jahren kehrte er immer wieder regelmäßig dort ein. Jules nannte sie „die Rosen von Provins“, wobei vielleicht Tante Alphonsine-Rosalie als Namensgeber Pate stand.

Bild rechts: "Die Rosen von Provins"  in einem Aquarell aus dem Besitz von Maxime Guillon.  /6/

Aber nicht nur sie waren es, die ihm mit Provins verbanden. Die mittelalterliche Stadt nahm ihn mit ihrem Flair gefangen und inspirierte ihn zu allerlei historischen Gedankenflügen. Dazu kam in seiner Jugendzeit, dass er dort, ebenso wie bei seinem Onkel Prudent in Le Brains (siehe dazu auch: Zu Besuch bei Onkel Prudent), seine um ein Jahr ältere Cousine Caroline Tronson antreffen konnte. Sie war die Tochter seiner Tante Lise (Louise Tronson, geborene Allotte) und Jules’ erster Jugendschwarm, für die er sogar Gedichte schrieb. Aber die Gefühle waren höchst einseitig, denn im Jahre 1847, als Caroline zwanzig wurde, heiratete sie einen doppelt so alten Mann.


Familienleben

Provins 1861Einen Eindruck des Familienlebens in Provins geben zwei 1861 aufgenommene Gruppenfotos wieder. Das bekanntere Motiv zeigt Jules Verne mit einer typischen Brokergeste, die oft als Winken interpretiert wird. Der junge Verne nahm aber damit Bezug auf seine damalige Tätigkeit als Makler an der Pariser Börse. Dieses Motiv ist in fast jeder illustrierten Verne-Biografie zu finden. Bild links /7/

Nicht so verbreitet ist das unten dargestellte zeitgleich aufgenommenes Bild /8/, welches vor einigen Jahren aus der Sammlung von Eric Weissenberg versteigert wurde. Auch bei dieser Aufnahme versucht sich Jules wieder in Szene zu setzen, diesmal streckt er dem Fotografen die Zunge heraus. Bei den damals aufwändigen Plattenaufnahmen ein Ärgernis, weil erst nach der Entwicklung der Platte erkennbar war, das das Bild für ein seriöses Familienalbum nicht geeignet ist. Ich vermute, dass dieser Spaß dazu führte, dass diese Aufnahme für über hundert Jahre im Provins 1861Familienarchiv verschwand. Bei der Zuordnung der Personen des Bildes half mir Volker Dehs: „Von links nach rechts sieht man Marie und Anna Verne, dann Pierres Schwestern Alphonsine und Amélie (beide sind schwer auseinanderzuhalten, es könnte also auch umgekehrt sein), Honorine, Jules, Sophie, Pierre, Pierres Schwester Antoinette Garcet, dann ihr Enkel Paul und ihr Sohn Alphonse, dessen Bruder Henri und seine Frau Antoinette. Die drei Damen unten sind Pierres Mutter Masthie, Honorines Tochter Valentine (möglicherweise auch Suzanne, aber ich neige eher zu Valentine) und schließlich Paul Garcets kleine Schwester Berthe.“ /9/

Spurensuche

Man könnte vermuten, dass Jules Verne nur Kurzbesuche in Provins abhielt. Dazu gab es aber schon 1928 die Aussage von Diot /1/, dass Jules nach seinen Recherchen manchmal sogar mehrere Monate lang dort wohnte. Hier liegt eine gewisse Grauzone in der Biografie der Vernes vor. Das es aber immer mal wieder etwas Neues gibt, zeigt der Fakt, dass erst vor einigen Jahren bekannt wurde, dass Verne neben seinen familiären Beziehungen auch noch andere Kontakte in Provins hatte. Im Museum der Stadt soll es einen Brief des Schriftstellers vom 9. April 1883 geben, den er an Louis Rogeron, dem damaligen Bibliothekar von Provins, richtete. Aus der Korrespondenz soll hervorgehen, dass Verne ihm für die Übersendung von Dokumenten dankt und ihm im Gegenzug Exemplare seiner neuesten Bücher verspricht (Aussage aus /2/). Sind wir gespannt, was weitere Recherchen vor Ort ergeben.

Provins GedenktafelEine touristische Spurensuche vor Ort in Sachen Jules Verne wird nicht sehr erfolgreich sein. Zwar gibt es zur Erinnerung an Jules Verne und seinem Besuchsziel am ehemalige Haus der Tanten eine Gedenktafel (Bild rechts /5/), und ein paar Querstraßen weiter gibt es auch eine nach Jules Verne benannte Straße,aber einen historischen Ausflug zu den Vernes können wir nur noch in Gedanken antreten..

Ich hoffe, dass ich durch diese Faktenverdichtung zum Thema Jules Verne in Provins das Interesse der Verne-Freunde an diesen Ort erhöhen konnte.

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Copyright © Andreas Fehrmann – 5/2022, letzte Aktualisierung 17. Februar 2023