Jules
Verne im Umfeld von Nantes - in Brains |
Quellenangaben: /1/
Faltblatt: Laissez-vous conter Nantes - sur le pas de Jules Verne,
Herausgeber: Musée Jules Verne - Ville de Nantes - Bibliothèque
Municipale
Nantes, Text von Agnes Marcetteau, ca. 2010 /2/
Volker Dehs: Jules Verne – Biographie; Arthemis
& Winkler / Patmos Verlag GmbH & Co KG 2005, ISBN
3-538-07208-6; Seite
15
/3/
Angabe nach William Butcher: Jules Verne – The Definitive Biography;
Thunder’s Mouth Press New York 2006, ISBN 1-56025-854-3
/4/
Angabe nach Jean Jules-Verne: Jules Verne; Macdonald
and Jane’s London and New York 1976; ISBN 0 356 08196 6; Seite 9
/5/
Yves Lostanlen: Brains … vous connaissez?;
Editions des Paludiers, La Baule, 1978; Angaben aus dem Kapitel: Chez
L’Oncle Prudent (Bild unten)
|
Zu Besuch bei Onkel Prudent
Bei
einem Besuch in Nantes
fiel mir ein Faltblatt der Tourismusinformation zum Thema Jules Verne in die
Hände, in dem auf der letzten Seite unter der Überschrift: „Für einen
umfassenderen Rundgang …“ der spartanische Hinweis stand: „Im Südwesten
… nach
einer Überquerung der Loire … kann man immer noch La Guerche
en
Brains sehen, das Haus des Onkels Prudent Allotte de la Fuÿe.“ /1/.
Keine
weiteren Angaben und keine detailliertere Ortsbeschreibung. Meine
Neugier war
geweckt. Als Jules Verne kurz nach seinem Abitur im September 1846 im Alter von 18 Jahren auf dem Anwesen seines Onkels weilte, schrieb er seiner Mutter: "Ich habe so viel Spaß, ich kann mich nicht überwinden, den Ort meines Vergnügens zu verlassen.“ /5/ Warum er seinem Onkel Prudent, den er eigentlich mochte, später einen nicht so angenehmen Namensvetter im Roman Robur der Eroberer gegeben hat, kann ich nicht nachvollziehen. Volker Dehs vermutet, dass dazu vielleicht Vernes Erkenntnis der späteren Jahre beigetragen hat, dass der Wohlstand seines Großonkels offenbar auf dem schmutzigen Geld des Sklavenhandels beruhte. Wie dem auch sein, der sich bester Gesundheit erfreuende Prudent starb im Alter von 94 Jahren in Brains. Das Anwesen wurde nach seinem Tod im Jahre 1860 verkauft. (Bild weiter unten rechts: La Guerche /11/) Nach
Auswertung des Stadtplans von Brains war ich etwas ratlos. Wie findet
man ein
Gebäude, welches La Guerche hieß oder heißt, wenn es in keinem
Plan
eingezeichnet ist? Nach Konsultation eines Internetlexikons /6/ erhielt
ich die
Information, dass der Ort Brains in der Vergangenheit von den
historischen
Personen „… Le Plessis, Le Pesle,
Loriére, La Sauvagerie, La Pilaudiére und La Guerche geprägt wurde. Das
Château
von Le Plessis war im Besitz von Pierre-Suzanne Lucas de La
Championnière, Leutnant von François de Charette
während des Krieges in der Vendée von 1793-1796. Das
Château von La
Guerche war bis ins 17. Jahrhundert von Le Pesle abhängig. Jules
Verne
wurde dort von seinem Onkel Prudent Allotte de la Fuÿe, Besitzer ab
1828,
während seiner Sommerferien begrüßt …“ Ein anderer französischer
Artikel zu
Brains ergänzte noch: „Jules Verne machte zahlreiche
Besuche in Brains, bei seinem
Onkel in La Guerche und bei Freunden in Le Plessis“. Jetzt
hatte ich zwei Ortsbezeichnungen,
die in Brains in Beziehung zu Jules Verne standen: Das Château Le
Plessis und das Château La Guerche. Das
Anwesen der besuchten Freunde konnte ich einfach identifizieren, denn zur
Geschichte von Brains /7/ fand ich zum architektonisch / historischen
Erbe
folgende Fakten: „Das Château Le Plessis war Anfang des
19.
Jahrhunderts im Besitz von Pierre Lucas-Championnière, Bürgermeister
von Brains
von 1803 bis 1828“. Dazu beschaffte ich mir die links dargestellte
historische
Postkarte
/8/, die das Gebäude zeigt. Noch heute ist der
Gebäudekomplex fast
wie im alten Zustand erhalten. Da Onkel Prudent ab 1829
als
Bürgermeister Championnière ablöste /9/, liegt es nahe, dass die
angesprochenen
Freunde aus der Familie derer von Championnière stammten und dass diese
zum
Bekanntenkreis des Onkels gehörten. Die
exakteste Beschreibung zum Wohnsitz des Onkels fand ich im Beitrag: Les
vacances
von Cécile
Compère /10/,
die ich nachfolgend frei übersetzt und ergänzt wiedergebe: Zwölf Kilometer südöstlich
von Nantes im Dorf
Brains kaufte Prudent um 1827/28 das Anwesen La Guerche. Dazu
gehörte
ein Haus mit Wirtschaftsgebäuden und umliegende Grundstücke mit achtzig
Ar
Größe. Das Haus und seine Nebengebäude hatten als Einfahrt eine lange
Privatzufahrt.
In deren Mitte auf halbem Weg lag ein Teich. Diese Allee führte zu dem
Grundstück der Allottes (einem anderen Teil der Familie), welches La
Grillonnerie genannt wird. Es liegt in der Nähe des Marktfleckens
(Le
Bourg) Brains und seiner Kirche. Darstellungen des Gutshauses La
Guerche
zeigen, dass es ein langes Haus ist, dessen Dach mit vier Kaminen
gekrönt ist.
An einem turmähnlichen Anbau war auf dessen Dachspitze eine Fahne
angebracht.
Alle Fenster hatten Fensterläden auf beiden Etagen. Im Jahre 1850 gab
es einen
Brunnen, der aber im Jahre 1878 nicht mehr vorhanden war. Passend
dazu fand ich in einem
Buch /11/ das ganz oben rechts gezeigte farbige Bild unter der
Bezeichnung: Propriete
de
la Guerche,
dessen Entstehungszeit aber leider nicht angegeben war. In
einer Publikation von 1978 /5/ stieß ich auf weitere Fakten und auf
die Wiedergabe
des Hauses aus einer anderen Perspektive (Bild rechts: Aus /5/,
optimiert und eingefärbt). Bei meiner Suche zu Fakten
des historischen Brains war ich mehrfach auf Ausarbeitungen des
Heimatforschers Yves Lostanlen gestoßen. Also lag die Vermutung nahe,
dass Lostanlen ein echter "Auskenner" war. Jetzt recherchierte ich
zielgerichtet nach dessen Publikationen. Schließlich wurde
ich fündig: In einem regionalgeschichtlichen Bulletin /12/ stellte er
1990 seine
gefundenen Fakten zum Thema Brains und Jules Verne vor. Da ich diesen
Beitrag noch nicht in Veröffentlichungen der Sekundärliteratur über
Vernes
Schaffen gefunden hatte, musste ich die Broschüre unbedingt haben. Es
dauerte eine Weile, bis ich diese, nur regional vertriebene Unterlage,
endlich kaufen konnte. Aber es lohnte sich: Ich konnte noch zusätzliche
Hintergrundinformationen gewinnen und ich fand eine gute fotografische
Darstellung des Anwesens.
Dieses
Foto (oben, aus /12/, von mir eingefärbt) von Pierre
Fréor, zeigt das Anwesen La Guerche in den 50er Jahren.
Die vom
Autor geschaffene Skizze zur Lage innerhalb Brains im Jahre 1827 habe
ich auf
einen aktuellen Stadtplan übertragen, um so eine genauere Vorstellung
zu
erhalten. Siehe nachfolgend /13/:
Damit
wurde auch die Beschreibung von Cécile Compère zu Leben erweckt.
Noch bevor ich diese Skizze kannte, machte ich bereits im Netz
virtuelle
Stadtrundgänge, ich wollte unbedingt Prudents Anwesen finden. Eine
Suche nach
dem Château La Guerche in einer Straße gleichen Namens war
erfolglos.
Dann versuchte ich den Weg aufgrund der von Cécile Compère zitierten
Beschreibung nachzuvollziehen. Einfach war die Zuordnung des
Ausgangspunktes:
Die Kirche und der Markflecken Le
Bourg. Dann gibt es heute eine Sackgasse mit
dem Namen La Grillonnerie. Dies könnte der Rest der
beschriebenen
Zufahrt zu den
Allottes sein. Wie sich auf der von mir später gefundenen Skizze aus
dem
Bulletin zeigte (siehe oben), war ich auf dem richtigen Wege. Wenn man
von dort eine
gedachte Linie in Richtung Westen weiterverfolgt, gelangt man genau auf
die heutige
Straße Rue de la Guerche. Die damals vorhandene Zufahrt ist heute nur
noch ein
Teil als schmaler
Fußweg vorhanden und der Teich ist zugeschüttet. Die Zufahrt lässt sich
im östlichen Teil nicht mehr
komplett nachvollziehen, da Grundstücke verschiedener Eigentümer den
Weg
versperren. Der Straßenverkehr wird jetzt nördlich vom ehemaligen Weg
über die
heutige Rue Jules Verne geleitet. Als ich in der Straße La Guerche die
visuelle
Suche auf die zweite Reihe der Gebäude ausdehnte, wurde ich fündig: Die
Adresse La
Guerche Nummer 8 ist das von mir gesuchte Gebäude – das ehemalige Haus
von
Onkel Prudent. Es ist, wie weiter unten dargestellt, hinter einem
vorgelagerten Gebäude zu erkennen
/14/.
Schon
seit Bestehen des
Anwesens gehörte zu La Guerche ein Komplex von Einzelgebäuden.
Zu Zeiten
Jules Vernes bildete das Zentrum der Liegenschaft das Hauptgebäude, in
dem die
Familie des Prudent Allotte und seines Dieners wohnte. Im gleichen Areal
gab es zwei
weitere Haushalte: Den der Familie von René Legeay, einem Arbeiter, der
dort
mit seiner Frau und acht Kindern lebte sowie die Familie von Pierre
Doré, der
mit seiner Frau, seinem Sohn, seiner Schwiegertochter und seinen drei
Enkelkindern den zweiten Haushalt stellte. Pierre Doré war der
bewirtschaftende
Bauer von Prudents Ländereien /15/. Ich
konnte La Guerche
direkt von meinem Schreibtisch aus besuchen – bis ich mal wieder in
dieser
Region bin, um mir das Gebäude in der Realität anzusehen. |
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© Andreas Fehrmann – 1/2020, letzte Aktualisierung 4. Mai 2022