Karel Zeman: Pressematerial Die Erfindung des Verderbens

Zurück zum Hauptmenue KAREL ZEMAN

Das 1957 für Deutschland entstandene Pressematerial des Films Die Erfindung des Verderbens möchte ich an dieser Stelle im Originalwortlaut wiedergeben. Den Schriftsatz habe ich dem Original der auf einer Schreibmaschine entstandenen Gliederung (Seitenangabe) und dem vorhandenen Typen nachempfunden. Der Text ist identisch mit dem Origianal: © Filmové Studio Gottwaldov / Ceskoslovenský Státní Film und CESKOSLOVENSKÝ FILMEXPORT 1957. Weitere Angaben und Erläuterungen zur Quelle unter meinem Archiv  CF /7504/ - /Z5/Aufbau: 7 Blatt Filmbeschreibung; 2 Blatt Einige Worte über Karel Zeman; 2 Blatt Jules Verne als Filmautor.


- - - Seite 1 - - -

CESKOSLOVENSKÝ FILM

Pressematerial des Tschechoslowakischen Films


DIE ERFINDUNG DES VERDERBENS

- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -

/Vynález zkázy/


Nach phantastischen Motiven von Jules Verne.


Regie: Karel Z e m a n

mit Zusammenarbeit mit den Mitgliedern

des Studios des Spielfilms und des Studios des Trickfilms

in Gottwaldov


Darsteller:

Professor Roch – Arnošt Navrátil

Ing. Hart – Lubor Tokoš

Jana – Jana Zatloukalová

Artigas – Miroslav Holub

Kapitän Spade – František Šlégr

Ing. Serk – Václav Kyzlink

CESKOSLOVENSKÝ FILMEXPORT, VÁCLAVSKÉ NÁM. 28, PRAHA 2, TELEGR. EXIMPFILM

- - - Seite 2 - - -

EIN WISSENSCHAFTLER ENTDECKT EINEN NOCH NIE DAGEWESENEN EXPLOSIVSTOFF, der in unberufene Hände gelangt, wodurch die ganze Menschheit bedroht wird. Alle Nationen vereinen sich und unternehmen eine energische Aktion,um dieser Gefahr vorzubeugen. Diese Idee wurde vor mehr als einem halben Jahrhundert in Frankreich geboren. Jules Verne bearbeitete diesen Gedanken in einem seiner Romane. Diese Idee hat bis auf den heutigen Tag nicht an Aktualität und fesselnder Wirkung eingebüsst. Im Gegenteil. Und dasselbe gilt auch von Vernes Phantasie, die bisher von niemanden übertroffen und von niemanden für den Film entdeckt worden ist. Für den Filmfreunden ist sie anspruchsvoll, jedoch anziehend. Kurz gesagt: Es gab hier einen Stoff für einen künstlerisch bedeutenden, fesselnden und dramatischen Film.

DIE ANSICHT DES ZUSCHAUERS IST KRITISCHER als die des Lesers vom Ende des vorigen Jahrhunderts. Das filmische Szenarium weist eine andere dramatische Gesetzmässigkeit auf als das Buch. Die filmische Bearbeitung erfordert einige tiefergehende Eingriffe ins Werk, doch im Prinzip bleibt der Film der ursprünglichen Vorlage treu.

DER ERFINDER ROCH ARBEITET AN DER ERFINDUNG EINES FURCHTBAREN EXPLOSIVSTOFFES. Seinem Ziel nahe, wird er mit seinem Assistenten Ing. Hart entführt und in das phantastisch anmutende Milieu einer sich unter dem Meeresspiegel befindenden Piratenstadt gebracht. Die Entführer wollen mit Hilfe des neuen Explosivstoffes die Menschheit einschüchtern. Der Wissenschaftler ist derart in seine Arbeit vertieft, dass er sich gar nicht bewusst wird, wo er eigentlich lebt. Er ist von dem eigenartigen Milieu stark beeindruckt. Er staunt über die technische Ausrüstung, die ihm hier zur Verfügung gestellt wird. Er arbeitet fieberhaft an seiner Erfindung. Dadurch dient er natürlich den Piraten, die sich ihm gegenüber als höfliche, aufmerksame Gastgeber und Mäzene der wissenschaftlichen Forschung und des Fortschrittes verhalten. Assistent Hart kennt das Geheimnis der Erfindung und wird von den Piraten für den Fall in Reserve gehalten, falls der alte Gelehrte versagen sollte.

Kurz nach der Entführung wird Hart durch Zufall Zeuge des Überfalles, der Ausplünderung und der Versenkung eines grossen Handelsschiffes durch die Piraten. Er durchschaut ihre Absichten und stellt sich energisch gegen jegliche weitere Zusammenarbeit mit ihnen. Aus diesem Grunde wird er von Professor Roch separiert

- - - Seite 3 - - -

und unter Schloss und Riegel gehalten. Hart ist nun völlig machtlos. Dennoch gelingt es ihm, heimlich einen kleinen Luftballon zu konstruieren, mit dessen Hilfe er die Aussenwelt über die durch den neuen Explosivstoff drohende Gefahr in Kenntnis setzt. Die Nachricht ruft in der Welt grosse Aufregung hervor und führt dazu, dass sich alle Menschen guten Willens vereinen. Die Hilfe naht. Aber die Piraten besitzen bereits den neuen Explosivstoff. Im kritischen Augenblick erkennt Roch den wahren Sachverhalt und sieht, dass seine Erfindung ungesundem Ehrgeiz und unersättlicher Geldgier dienen sollte. Er begreift nun, dass sich die ganze Welt gegen die kleine Gruppe von Menschen gestellt hat, denen er bisher gedient hat. Die Situation erfordert eine rasche energische Tat - und der Erfinder vernichtet mit eigener Hand sein ganzes Lebenswerk.

DIESE BEGEBENHEIT IST ALT UND ROMANTISCH. Der Film behandelt sie mit einer Art leichten Humors, wie wir etwa die alten Fotografien unserer Grossväter betrachten, die durch den langen Zeitabstand eher an Anmut gewonnen als verloren haben. Die kühnen Vorstellungen des Autors von der Entfaltung der Wissenschaft und der Technik werden im Film so erhalten, wie sie von Jules Verne in seinen Romanen geschildert sind. Diese Vorstellungen sind in mancher Hinsicht bis heute noch nicht in Erfüllung gegangen, doch vieles ist durch die tatsächliche Entwicklung weit überholt. Sie bleiben jedoch als wirkliches Andenken an die Bestrebungen und die Ideale des vorigen Jahrhunderts bestehen, das sich stolz das Zeitalter der Technik und der Erfindungen nannte.

DIE EREIGNISSE UM DIE ERFINDUNG VERSETZEN DEN ZUSCHAUER in das exotische Milieu einer pazifischen Küstenlandschaft. Sie führen ihn in das Zeitalter der Mongolfier-Luftballons, der Stephenson- Lokomotiven und der Dupont-Luftschiffe über die ersten Dampfsegelschiffe und Kreuzer zu Dampfkraftwagen und Unterseebooten. All dies, oder nahezu alles, bekam der Kinobesucher auf der Filmleinwand bereits zu sehen. Aber was er noch nicht gesehen hat, ist die phantastische Welt von Vernes Vorstellungen. Da gibt es z.B. die auf dem Grunde eines erloschenen Vulkans aufgebaute Stadt, wo das Wort “unmöglich“ nicht existiert. Man sieht ein eigenartiges Unterseeboot, das in jede Meerestiefe vordringen und mit seinem Stahlbug jedes Hindernis entfernen kann, das berühmte Luftschiff “Albatros“, das von Dutzenden von Propellern getragen,

- - - Seite 4 - - -

betrieben und gelenkt wird und schliesslich die phantastische Raketenkanone. Man sieht weiter die ungewöhnliche Konstruktion riesiger Vogelschwingen - den ersten Versuch einer Flugmaschine, die schwerer als Luft ist. Und es gibt hier viele weitere Erfindungen, die in der Formgestaltung, die ihnen des Schriftstellers Vorstellungskraft verliehen hat, nie existiert haben und die es auch in Zukunft nie geben wird. Die Filmfreunde, vor altem jedoch die Jugend, rufen nach Abenteuern, nach Romantik und nach phantastischen Filmen. Und gerade hier, in diesem Film, finden sie alles in Hülle und Fülle.

MIT ALLEN ERREICHBAREN KÜNSTLERISCHEN UND REALISIERUNGSMITTELN bemüht sich der Film, der Romanvorlage möglichst treu zu bleiben. Das Gottwaldover Studio besitzt nur ein kleines Atelier, und doch werden hier täglich auf das Filmband exotische, phantastische Landschaften und wundervolle Orte gedreht, wie man sie auf jeder Weltkarte finden kann. Die ganze grundlegende Konzeption des Romans, die durch die Zeit seiner Entstehung bedingt ist, lehnt sich dagegen auf, dass Vernes Gestalten im Film zu Menschen werden, die mit den Augen der heutigen Welt gemessen werden könnten. Dieser Anforderung von zeit- und stilgemässer Treue entspricht die filmische Bearbeitung der Fabel, die Art der Dialoge und die Schaupielerführung - vor allem jedoch die bildnerische Lösung des Bildes.

DER FILM SPRICHT DIE SPRACHE DER KUPFERSTICHE, mit denen die französischen Maler Benett und Riou zu Zeiten Jules Vernes seine Romane illustrierten. Der Film entsteht nach einem speziellen Szenarium, das in Skizze die Situation der einzelnen Einstellungen, ferner die szenische Durchführung und bildnerische Auffassung, dio Ausmasse des Objektives, den Dialog und die Aktion der Schauspieler festhält. Hier musste das künstlerische Feingefühl, die Invention und der technische Erfindungsgeist ausdrucksvoll zum Vorschein kommen. Das ist eine erschöpfende Arbeit, die grosse Begeisterung erfordert. Der Film erzielt die gewünschte Wirkung durch Anwendung verschiedener Mittel: das Filmmaterial ist sepiabraun; das direkte Milieu der Handlung, die Dekorationen, Kostüme und Masken der Schauspieler, die Requisiten und die übrigen Inszenierungsmittel sind mit dem gezeichnetem Hintergrund kombiniert. Die Szene wird auf besondere Art beleuchtet. Die Schauspieler

- - - Seite 5 - - -

bewegen sich in einem phantastischen Trickmilieu. In manchen Einstellungen wird unauffällig und unaufdringlich die Technik des phasierten Films - des Zeichen- und Puppenfilms – verwendet. Jedes Bildfensterchen des fertiggestellten Films erinnert an einen der berühmten Kupferstiche, die am besten die Vorstellungen des Schriftstellers veranschaulichen.

ES GEHT NATÜRLICH UM EIN FILMDRAMA UND KEINESWEGS UM EINE ZEICHNUNG. Die der Phantasie des Autors entsprungenen Erfindungen bewegen sich und dienen ihrem Zweck. Vernes Helden erleben ihre fesselnden Schicksale im romantischen Milieu. Trotz der räumlichem und materiellen Unterschiedlichkeit der einzelnen Komponenten ist es gelungen nach äusserst sorgfältigen Bemühungen zu erzielen, dass sich der Zuschauer von der ersten bis zur letzten Einstellung dieser technischen Kompliziertheit und Formvielfalt überhaupt nicht bewusst wird, und dass der Film als Ganzes in ihm den Eindruck einer stilmässigen, künstlerischen und dramatischen Einheit erweckt.

- - - Seite 6 - - -

Nur so war es möglich, die Anwesenheit der lebendigen Schauspieler auf dem berühmten Luftschiff “Albatros”, in dem Phantastischen Unterseeboot, auf dem Dampfkraftwagen, auf dem fliegenden künstlichen Vogel, und bei der grossen Raketenkanone zu realisieren. Und der grösste Erfolg der geduldigen Arbeit des Regisseurs bildet der Umstand, dass sich der Zuschauer bis zur letzten Einstellung dieser technischen Kompliziertheit und Unterschiedlichkeit nicht bewusst wird.

X X X

Einige Worte über Karel Zeman

Das bahnbrechende Verdienst das Regisseurs Karel Zeman liegt vor allem in seiner unermüdlichen Suche nach neuen Anwendungsmöglichkeiten der Filmtechnik. Es war bereits sein erster Puppenfilm, in dem er auf geschickte Weise das Spiel eines lebendigen Darstellers mit der Welt der belebten Spielsachen zu verbinden wusste. Dieser Streifen brachte ihm gleich in den ersten Nachkriegsjahren grossen und verdienten Erfolg ein. Später folgte eine ganze Filmserie über den bekannten Herrn Prokouk. Diese grossköpfige und grossnasige Figur unbeholfener Bewegungen und wankenden Ganges ist Held einer Reihe witziger, scharf pointierter Episoden, die durch Zemans Phantasie und technischem Erfindungsgeist ungemein an Wirkungskraft gewinnen und die Form von zeitlich und lokal unbegrenzten Sketches annehmen.

Zemans bahnbrechende Bestrebungen haben sich vor allem in dem Film “Inspiration“ geltend gemacht, in dem einer niedlichen Ballettpantomime zarte Glasfiguren - ein Werk der böhmischen Glasmacher - belebte. Und während er im Film “König Lávra“ die Puppen für eine meisterhafte filmische Adaptation des Gedichtes eines tschechischen Satirikers, das auf das Motiv des bekannten Märchens vom König Midas und seinen langen Eselsohren verfasst wurde, zu verwenden wusste, hat er in dem Puppenfilm “Schatz der Vogelinsel“ genau so zweckmässig und wirksam die Technik des Puppenfilms mit jener des Zeichenfilms verbunden.

Zemans Tendenz zur Groteske, die namentlich in seiner Filmserie über Herrn Prokouk zum Ausdruck gekommen ist, hat sich in diesen Filmen vor allem in der Konzeption der Puppen geäussert.

- - - Seite 7 - - -

Seine Märchengestalten werden von einfachen Figürchen mit scharfen charakteristischen Umrissen dargestellt. Die einzelnen Typen und Charaktere werden durch ausdrucksvolles Detail und witzige Körperdeformierung unterstrichen. Die einzelnen charakteristischen Eigenschaften seiner Helden äussert er durch Grimasse und Geste.

Karel Zeman liess sich nie von der Notwendigkeit einer Lösung noch so schwieriger technischer Probleme abraten. Im Gegenteil! Er sann bei der künstlerischen Konzeption des Films geradezu solche Probleme aus und machte sich die Lösung solcher Probleme zur Aufgabe. Dieser Umstand kam besonders klar zum Vorschein, als er den Entschluss fasste, den Film “Reise in die Urwelt“ zu drehen, dessen Realisierung die Anwendung verschiedenartiger neuer Kombinationen der Technik des Trickfilms mit den Aktionen der Schauspieler erforderte. Das phantastisch anmutende Abenteuer von vier Jungen, die eine Reise in die graue Vorzeit unseres Planeten unternehmen, stellte an die schöpferischen Fähigkeiten des Autors die allerhöchsten Anforderungen. In phasierter Bewegung belebte er hier an 150 verschiedene Arten urzeitlicher in Wasser, zu Lande und in der Luft lebender Ungeheuer. Dieses Werk Karel Zemans wurde durch eine wahre Flut von Festspielpreisen sowie zahlreichen ehrenden Anerkennungen seitens der Kritiker von verdientem Erfolg gekrönt, durch den er angeregt wurde, um so angestrengter auch in seinen weiteren Filmen den Weg des Entdeckers zu gehen.

Und die gleiche Anziehungskraft wie die vorerwähnten Themen übte auf ihn auch die unerschöpfliche Phantasie von Vernes Romanen, die für den Film noch immer als unerreichbar galt. Die romanmässige Komposition wirkte auf Zeman besonders verlockend, denn sie versprach eine episch geschlossene Aufstellung der Handlung. Wenn er sich gerade für den Roman “Face au drapeau“ entschlossen hatte, dann wer es vor allem die dramatische Verwicklung von internationaler und zeitgemässer Bedeutung sowie eine Menge von bisher noch nicht gelösten und auf den ersten Blick unlösbar erscheinenden technischen Problemen, die ihn heranzogen. Die Aufgaben, die er sich diesmal gesetzt hat, erfordern eine echte künstlerische Begeisterung, weil er hier nicht nur neue technische sondern auch künstlerische Möglichkeiten entdecken muss.

J. H.

- - - Seite 8 - - -

Jules Verne als Filmautor

Jules Verne – der Autor, der die Jugend mehrerer Generationen durch die zauberhafte Welt der Phantasie geführt hatte – bildete häufig den Born, aus dem Filmschöpfer ihre Inspiration schöpften. Um die Zeit, da sich die Bahnbrecher der Kinematographie durch die neuen, bisher unbekannten Möglichkeiten der Filmkamera berauschten, stellten für sie Vernes Romane eine dankbare Quelle von Entwürfen da. Bereits an der Schwelle der Filmgeschichte hatte Georges Mélies – selbst als „Jules Verne der Kinematographie“ bezeichnet – die phantastischen Geschichten von Expeditionen auf den Mond oder in die Meerestiefen gedreht, wobei er visuell jenes aufzeigte, was dahin auf den Seiten von Büchern nur des Schriftstellers Phantasie festzuhalten und zu schildern vermochte.

Diese ersten Filme nützten in hohem Masse Trickmöglichkeiten aus und wiesen den aus Vernes Romanen atmenden Reiz der Phantasie auf. Vernes Romane dienten später von viele Male als Vorlage für filmische Bearbeitungen, doch der Geist der Buchvorlage ging auf der Leinwand häufig verloren. Manchmal wurde dies durch allzu freie Bearbeitung, ein anderesmal wieder durch grosse auf die Realität gelegte Betonung, die ja im krassen Widerspruch zur Phantasiewelt von Vernes Geschichten steht, verursacht.

Im Grossteil konnten diese Filme, trotz ihrer Mängel, dank der ungeheuren, unveränderten Beliebtheit von Vernes Romanen, bei den Zuschauern grossen Erfolg verzeichnen. Gross und imposant ist das Defilee der Filme, die im Laufe von Jahrzehnten nach den Büchern dieses berühmten französischen Autors, seit dessen Tode bereits ein halbes Jahrhundert verflossen ist, gedreht wurden. Es befinden sich darunter z.B. die amerikanische Version des Romans „Zwanzigtausend Meilen der dem Meeresspiegel“ /1916/ sowie seine vor kurzem im System Cinemascope gedrehten Transkription; die häufigen Verfilmungen des „Kuriers des Zaren“ /auch unter dem Titel „Michael Strogow“/ - von der ersten Realisierung im Jahre 1908 in den USA bis zur neuesten, die im Vorjahr in Frankreich mir Curd Jürgens in der Hauptrolle verwirklicht wurde; die französische Fassung der „Kinder des Kapitän Grant“ im Jahre 1913 und die sowjetische im Jahre 1936; und die „Reise um die Erde in 80 Tagen“, die nach zwei deutschen Versionen nun auf der gigantischen Bildwand im System TODD-AO von neuem Leben gewinnt .....

- - - Seite 9 - - -

Nun muss die Frage gestellt werden, ob bei der sich ständig entwickelnden Filmtechnik der Zauber nicht verloren ging, der sich während der unglaublichen Expeditionen in den Weltraum oder ins Innere der Erde so schlicht und spontan in der Knabenphantasie über den Seiten der Bücher gestaltete, und der sich in des Lesers Phantasie nur auf die Kupferstiche, die für Vernes Romane so typisch sind, stützen konnte. Standen die ersten primitiven Streifen Mélies den Werken Vernes nicht näher als die heutigen auf Grund moderner hochentwickelter Technik geschaffenen Filme?

Zu dieser Ansicht verleiten einige der bisher erzielten Ergebnisse. Gegenwärtig steht jedoch ein Film vor seiner Fertigstellung, der bei der Wiedergabe eines Verne-Romans reichhaltiger als je zuvor aus dem Fortschritt auf dem Gebiet filmischer Ausdrucksmittel Nutzen zieht, und sich der Phantasiewelt dieses Romanschriftstellers keineswegs entfremdet. Es ist dies das Werk des tschechischen Regisseurs Karel Zeman, „Die Erfindung des Verderbens“, das nach Vernes Roman „Face au drapeau“ gedreht wird. Karel Zeman, der als kühner Experimentator mit neuen Möglichkeiten der Trickphotographie bereits mit seinem Film „Reise in die Urwelt“ grossen Erfolg erzielte, wiedergibt Verne mit Feingefühl und Verständnis. Er nähert sich seiner Welt, anstatt sie der kühlen Realität anzupassen, der kein einziger Spielfilm zur Gänze los werden kann, auch wenn er in noch so hervorragender Weise Trickphotographie verwendet. Karel Zeman kombiniert das Spiel von Schauspielern mit der Technik des Puppen- und Zeichenfilms und arbeitet in schöpferischer, manchmal sogar in entdeckerischer Weise mit den Filmtricks. Er verleiht seinen Szenen den Charakter von Stichen, die mit Vernes Büchern unzertrennbar verknüpft sind. Und so werden also grosse und kleine Leser in dem Film „Die Erfindung des Verderbens“ jenes finden, was sie so oft auf den Seiten von Vernes Büchern bezaubert hat.


Nachträgliche Ergänzungen zu Bezügen des letzten Artikel auf Seite 8: Der Curd Jürgens Film  Kurier des Zaren entstand 1956. Und TODD-AO? Das ist ein engl. Breitbildverfahren mit einem Bildseitenverhältnis von 2,2:1. Die Aufzeichnung geschieht entweder unverzerrt auf 65mm-Film oder als Todd-AO-35 mit einem Anamorphoten auf 35mm-Film. Bei der Kinoprojektion wird dieser Vorgang durch ein entsprechendes Objektiv, bei der Filmabtastung durch optische oder elektronische Einrichtungen wieder rückgängig gemacht.

 NACH OBEN - SEITENANFANG

Zurück zum Hauptmenü KAREL ZEMAN

Zur Filmothek (To The Movie Collection)

Zurück zum Film ERFINDUNG DES VERDERBENS

Design Copyright © Andreas Fehrmann – 09/2002, letzte Aktualisierung 30. Januar 2016