Karl Baedeker – Ein „Vater“ der Reiseliteratur





Karl Baedeker: Geboren am 03.01.1801 in Essen (Ruhr), gestorben 4.10.1859

Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne empfehle ich das Link Personenregister dieser Domain.


QUELLVERWEISE und weiterführende / genutzte Literatur (Die Systematik bezieht sich nur auf diesen Beitrag. Zitate in originaler Schreibweise):

/1/ Jules Verne: Clovis Dardentor 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1071-3 - Pawlaks Collection Jules Verne Band 71. Zitat von Seite 78

/2/ Jules/Michel Verne: Reisebüro Thompson & Co.; 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1092-6 - Pawlaks Collection Jules Verne Band 92; Zitat von Seite 65

/3/ Winfried Löschburg: Von Reiselust und Reiseleid – Eine Kulturgeschichte, Edition Leipzig 1977, 2. Aufl. 1982, L-Nr. 600/109/82; Zitat von Seite 143

/4/ Textzitate von: BAEDEKER, Wir über uns – Verlagsgeschichte auf www.baedeker.com (siehe Bemerkung bei Credits)

/5/ Hans Bauer:  Wenn einer eine Reise tat, Verlag Koehler & Amelang, Leipzig 1971, L-Nr. 698 067 3; Zitat von Seite 187

/6/ ebenda, Zitat von Seite 188

/7/ Karl Friedrich Pfau: Biographisches Lexikon des deutschen Buchhandels der Gegenwart 1890; Microfish 276 (ADB XLVI,181); Stadtbibliothek Cottbus

/8/ Quelle /3/, ebenda, Zitat von Seite 125

/9/ Herausgeber Der große Brockhaus in 20 Bänden; F. A. Brockhaus, Leipzig 1929, Bd. 2

/10/ Herausgeber Meyers Lexikon in 12 Bänden; Bibliographisches Institut Leipzig, 1924; Bd. 1

/11/ Jules Verne: Der Stahlelefant; Fischer Taschenbuchverlag GmbH, Frankfurt am Main 1967, Band 12; ISBN 3 436 01254 8; Zitat von Seite 22

/12/ ebenda, Zitat von Seite 40

/13/ Foto © Fehrmann 8/2004 : Urwaldbahnhof in der Nähe von Beruwela / Indischer Ozean, Sri Lanka

CREDITS / Danke:

An dieser Stelle bedanke ich mich bei Frau Martina Böhringer vom Verlag Karl Baedeker GmbH, die mir mit Schreiben vom 3.9.2003 gestattete, in größerem Umfang von der Homepage BAEDEKER zu zitieren. Gleiches gilt für das zur Verfügung gestellte Bildmaterial.


Hier gelangt man zur LINK-Seite des Personenregisters dieser Domain: Personen aus dem Umfeld Jules Vernes, von denen auf dieser Domain berichtet wird


Karl Baedeker

Autor, Buchdrucker und Verleger

Jules Verne lässt in seinem Zyklus der Außergewöhnlichen Reisen /Voyages Extraordinaires das Panoptikum der ganzen Welt an seinen Lesern vorüber ziehen. Zwangsläufig müssen die Akteure der einzelnen Romane über ein fundiertes geografisches Wissen verfügen. Die überzeugendste Lösung sind dabei Personen, die als sachkundige Führer dienen können. So werden uns oft Helden a la Jules Verne vorgestellt, die omnipotent oder zumindest wissenschaftlich und geographisch umfassend gebildet sind. Denken wir nur an solche Vertreter wie Prof. Arronax, Prof. Lidenbrok, den Geografen Paganel, Kapitän Nemo oder die vielen anderen Seefahrer.

Wie orientiert sich aber eine Person, denen diese Gabe nicht gegeben ist? Die Forderung nach Reiseinformationen steht auch für diesen Personenkreis. Dadurch, dass das Reisen als verbindendes Glied der Romane dient, lernen wir ein weiteres Genre der Literatur kennen, welches Information zum Reisen aus berufener Hand vermittelt: Den gedruckten Reiseführer.

UrwaldbahnhofSo wundert es nicht, dass gelegentlich Reisende im Gepäck stets eine Quelle fundierten Wissens bei sich haben. Phileas Fogg studiert regelmäßig während seiner Reiseetappen seinen Guide, um sich auf den nächsten Reiseabschnitt seiner  Reise um die Erde in 80 Tagen vorzubereiten. Eines seiner Hilfsmittel war Bradshaw's Continental Railway Steam Transit and General Guide. Bild rechts: Urwaldbahnhof /13/

Neben diesem Beispiel wird in mehreren Romanen oftmals nur von anonymen Hilfsmitteln berichtet, aber es gibt auch Geschichten Vernes mit einem konkreten Namen der mehrmals auftaucht: Baedeker.

In Vernes Roman  Clovis Dardentor (1896 erschienen) gelangen die Reisenden unter anderem auf die Insel Mallorca. Hier gibt der Meister sogar eine exakte Buchempfehlung: „Wenn man ein Land nicht kennt, tut man am besten, seinen Baedeker zu Rate zu ziehen, oder im Fall, daß man dieses treffliche Büchlein nicht zur Hand hat, sich eines lebenden Führer zu nehmen.“/1/. Als ich diese Stelle im Buch fand, wurde mir auch mit einem Schlag klar, woher die detaillierten Fakten des Romans stammen könnten. Impressionen kann man beim Reisen selbst gewinnen, aber Zahlen und Fakten erschließen sich eben nur durch Literaturrecherchen. Neben dem Baedeker wird noch eine andere Quelle konkret in diesem Roman namentlich benannt: Das ist   Ludwig Salvator von Österreich's Buch über die Balearen. Ergo: Lesen bildet!

Aber auch in der Schriftsprache Vernes taucht der Name Baedeker auf. Als bei der Durchquerung Indiens im Roman  Der Stahlelefant (auch bekannt unter: Das Dampfhaus) Reisepläne zur Besichtigung der Stadt Burdwan geschmiedet werden, heißt es: „Dort wollen wir ein bißchen baedekern...“ /11/. Im gleichen Roman gibt es auch eine Aussage zum Umgang mit dem Reiseführer. Denn ein paar Reiseetappen weiter hört man beim Vergleich der Städte Laknau und Khanpur: „Khanpur ist aber mindestens ebenso bedeutend. Die Stadt hat 60 000 Einwohner, aber keinen Stern im Baedeker!“. /12/

Diese Tradition hat der Sohn Jules Vernes, Michel, fortgeführt im Roman  Reisebüro Thompson & Co.  Dieser ist 1907 erschienen und er wurde geschickter Weise unter dem Namen des Vaters erstveröffentlicht. Im Roman lernen wir den „Hilfs-Reiseleiter“ Morgan kennen, der von den zu erläuternden Sehenswürdigkeiten der Reiseziele keinerlei Kenntnisse besitzt. Aber dem Mann kann geholfen werden! So tritt wieder eine offensichtliche Komponente der Bibliothek der Vernes in Erscheinung, die direkt beim Namen benannt wird: Der Baedeker. Im Buch liest sich das so: „Vor der Abreise aus London hatte er sich vorsichtiger Weise eine Sammlung Bücher beschafft, die ihn über die im Laufe der Reise führenden Länder belehren konnten .... Nun durchflog er den Baedeker für die Azoren... „ /2/ Auch in mehreren folgenden Kapiteln beliest sich der Held der Geschichte vor jeder Reiseetappe in eben diesem Reiseführer und er brilliert dann in Folge mit umfangreichen Detailkenntnissen. Heut zu Tage würde man diese Verfahrensweise „Product Placement“ nennen.

Ein "Ur"-BaedeckerNachdem mir die Häufung der angesprochenen Reiselektüre in Vernes Werken aufgefallen war, war in mir natürlich die Neugier erwacht. Was machte für Verne die Faszination und die offensichtliche Breitenwirksamkeit dieses Literaturgenres aus?

Nicht unerwähnt werden darf in diesem Zusammenhang, dass Verne selbst als Sachbuchautor von Geographiebüchern in Erscheinung trat. Vertiefende Hinweise dazu habe ich auf meiner Seite Jules Vernes Geographie und Geschichtsbücher zusammen getragen. Geben seine Geographiebücher zwar keine direkten Reiseempfehlungen, so spiegeln sie doch die natürlichen geographischen Bedingungen und das Leben der Menschen in den beschriebenen Regionen wieder. Beispielhaft habe ich links das Buch   Die Entdeckung der Erde (ab 1864 in Teilen erschienen) in der deutschen Version von 1880 abgebildet.

Er konnte auf Grund seines eigenen Schaffens den Aufwand und die Akribie anderer Autoren einschätzen. Eine namentliche Nennung von Reiseführern in seinen Werken ist also als Anerkennung zu werten.

Aber blicken wir noch weiter zurück in das beginnende 19. Jahrhundert. Die Welt war im Umbruch. Die Epoche war gekennzeichnet von Kohle und Eisen: Der Riese Dampf hatte seinen Siegeszug angetreten. Plötzlich waren die Entfernungen zwischen den Orten „zusammengeschrumpft“ und eine neue Gruppe von Reisenden hatte sich gebildet: „Das beginnende 19. Jahrhundert brachte uns das Wort >Tourismus<, das um 1800 im englischen Sprachgebrauch auftauchte und 1830 dann in Deutschland geläufig wurde, und Stendhals >Mémoires d'un touriste< von 1838 auch den Touristen. Doch erst mit der technischen Entwicklung der Verkehrsmittel Eisenbahn und Dampfschiff, dem Ausbau eines Verkehrsnetzes und den dadurch initiierten Reisebüros entstanden der organisierte Tourismus und eine >classe touriste<, die zwischen der reichen Oberschicht und den Millionen Arbeitenden gelegene sogenannte >reisende Mittelschicht<“ /3/, kann man unter der Überschrift: Baedeker- und Sommerfrischereisen in genannter Quelle nachlesen. Das Reisen war also nicht mehr auf die notwendige Durchführung von Zweckreisen begrenzt, zunehmend wurden Bildungs- und Vergnügungsreisen unternommen.

Dazu „... wurden verlässliche Informationen über Reisegebiete, Verkehrswege, Übernachtungsmöglichkeiten usw. immer wichtiger. Karl Baedeker (1801 - 1859), Sohn einer alteingesessenen Buchdrucker- und Verlegerfamilie und selbst ein begeisterter Reisender, war einer der ersten, der den neuen Markt für Reiseführer entdeckte und als Autor und Verleger für Reisehandbücher über die Grenzen Deutschlands hinaus erfolgreich tätig wurde. Am 1. Juli 1827 eröffnete Karl Baedeker, der 1801 in Essen geboren und in Heidelberg zunächst zum Buchhändler ausgebildet worden war, bevor er dort ein geisteswissenschaftliches Studium absolvierte, in Koblenz eine Verlagsbuchhandlung. Fünf Jahre später erwarb er den Verlag von Friedrich Röhling, der 1828 u.a. das Buch Rheinreise von Mainz bis Cöln, Handbuch für Schnellreisende des Professors und Historikers J.A. Klein herausgegeben hatte. Das Interesse an einem diese Reise erläuternden, hilfreichen Buch war groß, war doch schon 1827 der regelmäßige Schifffahrtsverkehr zwischen Köln und Mainz mit der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft aufgenommen worden. Bereits im ersten Jahr unternahmen 18.000 Passagiere, zehn Jahre später gar eine Million jährlich die Rheinfahrt. Für die zweite Auflage überarbeitete und erweiterte Karl Baedeker die Rheinreise, so dass man mit deren Erscheinen im Jahr 1835 vom ersten Baedeker-Reiseführer sprechen kann. /4/

Baedecker Schweiz„1830 erschien in England das Red Book, ein rot eingebundenes Handbuch für Reisende mit dem Titel Holland, Belgium and the Rhine. In ihm wurden nicht nur Routen, sondern auch Sehenswürdigkeiten verzeichnet und romantische Touren beschreiben. Erstmalig wurde der Tourismus in vorgegebene Kanäle geleitet, und erstmalig wurde das Sternsystem angewandt, das die >sights< nach ihrer Bedeutung einstufte.“ /5/ „Mit dem in London erfolgreichen Verleger John Murray jun., dessen "Red Books" zu begehrten Reisebüchern der Engländer geworden waren, vereinbarte Karl Baedeker den gegenseitigen Vertrieb der Verlagsprodukte, was die Zukunft des Verlags und das Verlagsprogramm entscheidend prägen sollte.“ ... „Zwei Jahre später führte er die Baedeker-Sterne und - nach dem Vorbild der Reiseführer seines englischen Freundes und Konkurrenten John Murray - den roten Einband mit Goldprägung ein. Die Sterne gelten seither nicht nur als Markenzeichen des Verlags, sie waren lange Zeit auch die höchste Auszeichnung, die es im Fremdenverkehr gab. Karl Baedekers letztes Werk war der 1855 herausgegebene Band Paris und Umgebung. Vier Jahre später starb der als freundlich, gebildet und geschäftstüchtig bekannte Buchhändler und Verleger am 4. Oktober 1859 im Alter von 58 Jahren./4 ff/ Sein Werk und die Geschicke des Verlages wurde von seinen Söhnen weiter geführt. (Bildbeispiel: Baedeker Schweiz 1851, Quelle siehe Credits)

Im Biographischen Lexikon des deutschen Buchhandels las sich das 1890 so: „Karl Bädeker ... ist der Gründer einer Buchhändlerfirma, die sich jetzt ausschließlich mit der Herausgabe von >Reisehandbüchern< befasst. Jetzt wohl in Hunderttausenden von Exemplaren verbreitet, hat der >rothe Bädeker< eine beneidenswerte Popularität erlangt als zuverlässiger Rathgeber des kleinen Vergnügungsreisenden wie des Touristen im großen Stile.“ .... „Von den Bädekerschen Reiseführern sind eine ganze Reihe erschienen .... Einzelne von ihnen haben bereits die 20. Auflage überschritten und die meisten sind in das Französische und Englische übertragen worden, sodaß sich ca. 50 selbständige Werke ergeben ...“/7/

Was aber war eines der Geheimnisse des Erfolgs? „Baedeker bereiste und erwanderte Länder ständig neu und errang so eine Genauigkeit und Aktualität, wie sie bei Büchern dieser Art bisher völlig unbekannt waren. Kein Wunder, daß sein Name in der Welt zu Begriff und Synonym für Solidität und Zuverlässigkeit wurde und seine Empfehlungen von Hotels, Besichtigungen und einzelnen Kunstwerken weit verbreitet waren.“ /8/ Bei dieser Popularität war es also nicht verwunderlich, das selbst Jules Verne und sein Sohn diesen Klassiker nutzen und zitierten. So kann ich mich nur Meinung dieses Zitats von Hans Bauer anschließen: „Baedeker besaß kein Monopol, und wie er sich vom Red Book hatte anregen lassen, so nahmen andere Verlage seinen Gedanken auf. Seinen Weltruhm vermochten sie aber nicht zu schmälern.“/6/
Wer sich neben den Fakten des o.g. Link zur Firma Baedeker für weitere Zahlen interessiert, hier ein Angebot von mir:



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Die Baedeker Buchhändlerfamilie „führt seinen Ursprung zurück auf Dietrich B. (1860 – 1716) aus Bremen, später Buchdrucker in Bielefeld. Seine Enkel waren die Brüder Zacharius Gerhard Dietrich B. (1750 – 1800) Buchdrucker in Essen, und Franz Gotthilf Heinrich Jakob B. (1752 – 1825) zuletzt Generalsuperintendant in Dahl. Deren Nachkommen sind die Gründer einer Reihe buchhändlerischer Firmen geworden, die zum Teil noch heute bestehen (Anm. Autor: Stand 1929). Gottschalk B. (1178 – 1841) der Sohn von Zacharias B. Ist der Gründer der Firma G. D. Baedeker in Essen (1798) die als Verlags- und Sortimentsbuchhandlung und Buchdruckerei bestand. Die Druckerei samt >Rheinisch-Westfälische Zeitung< wurde 1903 abgegeben. Karl B.: Die Firma wurde 1827 in Koblenz gegründet und 1872 nach Leipzig verlegt. Inhaber ist heute (Anm. Autor: Stand 1929) Hans B. (seit 1899), Ernst (seit 1909) und Dietrich (seit 1922) .... /9/

Und noch ein paar Details: „1872 siedelte der Verlag nach Leipzig über. Unter Mitarbeit hervorragender Gelehrter erlangten die Reisehandbücher Weltruf. Des Gründers jüngster Sohn Fritz (*4.12.1844) und die Enkel Hans (*29.7.1847), Ernst (6.6.1878) und Dietrich (*3.10.1886) führten das Geschäft weiter...“ /10/


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Copyright © Andreas Fehrmann – 10/2003, letzte Aktualisierung 26. April 2021