Heimathafen Le Tréport





Quellenangaben:

/1/ Dieses Bild dient der reinen Illustration, es ist KEIN Zeitdokument. Ich habe eine Postkarte um 1910 mit der Saint-Michel kombiniert, Personen auf der Mole entfernt und die Vorhandenen "umgekleidet", um den Eindruck des 19. JH zu erwecken

/2/ Postkarte von Treport, alter Hafen ca. 1905; CF/21108/

/3/ © Foto: Fehrmann 2021

/4/ © Foto: Le chronoscaphe - Photographies d'anonymes du XXe siècle; Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der Autoren mit Schreiben durch Aline Héau vom 30.11.2021

/5/ Postkarte aus meiner Sammlung: Le Treport Le port a maree basse, ungelaufen, um 1900, CF /21433/

/6/ SNSM / Valetoux / Tarrieu: Dans le sillage de Jules Verne au Crotoy; Sonderausgabe der SNSM (Gesellschaft zur Lebensrettung auf dem Meere) und der Stadt Crotoy Juli 2009; 36 Seiten; Exemplar Nr. 301;  CF /5534/

/7/ Valetoux: Jules Verne en mer et contre tous, ‎ MAGELLAN ET CIE 2 Nov. 2005;  ISBN-13 ‏ : ‎ 978-2914330886, S. 102

/8/ Die Saint Michel II vor Treport im Jahre 1878. Bildmotiv /21314/ bearbeitet, Ursprung: Sammlung Weissenberg

/9/ Valetoux: Jules Verne en mer et contre tous, zitiert nach der Revue Le Yacht No. 116 v. 29.5.1880

/10/ Dieses Motiv ist inzwischen Gemeingut. Hier eine Wiedergabe aus: Télérama hors série 2/2005 ; CF /6607/; Bildzitat von Seite 27

/11/ Neue Freie Presse - Morgenblatt; Wien am 27. November 1879 Nr. 5419; Zitat von Seite 6; CF /6915/

/12/ Postkarte aus meiner Sammlung: Le Treport Quai Franḉois 1er et le port, ungelaufen, um 1905, CF /21434/

/13/ Autorenkollektiv: NAUTILUS, deutschsprachiger Jules-Verne-Club, Nr. 19, Bremerhaven Mai 2011; dort Volker Dehs: Ein Brief und seine Geschichte (4), Seite 24 ff; CF /6784/

/14/ Schreiben von Dehs an Fehrmann vom 6. Dezember 2021. Siehe auch Vertiefend dazu seine Ausführungen in: BSJV n° 200, Mai 2020, S. 48






Collage Le Treport St. Michel
Le Tréport und sein Hafen


An dieser Stelle möchte ich einen weiteren Ort vorstellen, der in direktem Bezug zu Jules Verne steht. Es handelt sich um den kleinen Fischerort Le Tréport, der der Heimathafen zweier Boote von Jules Verne war. Aber auch andere Bezüge lassen sich herstellen. Reisen wir also gedanklich an die Nordküste Frankreichs ...
Bild oben: Bildmontage Mole in Le Tréport mit der Saint-Michel III /1/

Die französische Kanalküste hat viele Facetten der landschaftlichen Ausformung. An einer der malerischsten Stellen der sogenannten Alabasterküste liegt südwestlich von Le Crotoy der alte Fischerort Le Tréport. Zwischen den höchsten Kreidefelsen Europas hat das kleine Flüsschen Bresle über geologische Zeiträume die bis zu 110 Meter hohen Felsen in seiner Mündung eingekerbt. In der so entstandenen Öffnung der wuchtigen Felsen entstanden dadurch beste Voraussetzungen für einen natürlichen Hafen.
Hafeneinfahrt Le Treport um 1900Der Rhythmus der Gezeiten bestimmte schon immer das Leben von Le Tréport, einem Ort, der heute rund fünftausend Einwohner hat. Seit der Stadtgründung im 11. Jahrhundert beeinflussen Ebbe und Flut den Tagesablauf der Fischer, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts den Ort dominierten. Der Tidenhub ist nicht ohne: Der Gezeitenwechsel bringt eine Änderung des Meeresspiegelniveaus von neun bis zehn Meter. Dies ist eine große Herausforderung an einen Ankerplatz im Hafen. Kleinere Boote liegen noch heute außerhalb des modernen Jachthafens bei Flachwasser einfach seitlich im Schlick, das sogenannte „Trockenfallen“, um dann erst wieder bei steigendem Pegel am Ankerseil zu hängen. Boote oder Schiffe mit größerem Tiefgang mussten früher in einer Tiefwasserrinne verankert werden, um der Tidenschwankung zu trotzen.

Bild oben: Die Hafeneinfahrt von Le Tréport um 1905 bei Flut /1/. Bild unten: Fast die gleiche Sicht heutzutage bei Ebbe. Gut zu erkennen sind die trockengefallenen Boote neben der Tiefwasserrinne außerhalb der Sperrmauern des eigentlichen Hafens, der rechts außerhalb des Sichtbereiches liegt. Im Bildhintergurnd liegt Mers-les-Bains /2/
Hafen von Le Treport 2021

Der Leuchtturm von Le Treport 2021Die Tiefwasserrinne wurde unter König Louis Philippe beginnend um 1840 durch Ausheben und Vergrößern der Fahrrinne geschaffen. Diese Rinne hatte seit dieser Zeit selbst bei Niedrigwasser noch eine Tiefe von rund drei Meter, später wurde sie noch mehr vertieft. Fast gleichzeitig mit dieser Aktion erhielt der Hafen eine große steinerne Mole, deren äußerste Position seit 1844 von einem steinernen Leuchtturm seeseitig begrenzt wird.

Bild rechts: Der Leuchturm im Jahre 2021 /3/

So entwickelte sich der Küstenhafen als Ausgangspunkt für den Schiffsverkehr nach England und den Häfen der Nordsee, vor allem aber als Fischereihafen.

report Fischereihafen 1906Bild links: Der Fischereihafen von Le Tréport bei Flut im Jahre 1906 /4/

Aber die Lage am oft stürmischen Kanal hat es in sich: Auch heute noch kann bei starkem Südwest- bis Nordwestwind die Hafeneinfahrt für Segelboote schwierig oder fast unmöglich sein. Stürme in Kombination mit Flutlagen schieben Wassermassen an die Küste, die die Mole unter sich begraben können. Es gibt spektakuläre Fotos, auf denen durch Riesenbrecher nur noch die obere Hälfte des Leuchtturms sichtbar ist.

Treport, der Hafen bei Ebbe - um 1900
Bild rechts: Ein Teil des Fischereihafens bei Ebbe, Blick in Richtung Meer, um 1900 /5/

Erst seit Ende des 19. Jahrhunderts hat Le Tréport einen tidenunabhängigen kleinen Hafen, der landwärts hinter einem Schleusentor des Flüsschens Bresle liegt. Die Fischerboote im Bild rechts sind unterhalb der Schleusen und abseits der Fahrrinne trocken gefallen. Mit ihrer flache Bauform sind sie dazu geeignet. Durch die Schleusenanlage können Boote und Schiffe ständig auf bis zu viereinhalb Meter Wassertiefe rechnen. Heutzutage nutzen verstärkt Freizeitsegler (vor allem Kielboote), aber auch Fischer diese Möglichkeit, um direkt in Altstadtnähe einen Ankerplatz zu finden.

Jules Verne besucht den Ort

Die Saint Michel II in Le TreportMit meiner etwas umfangreicheren Einleitung wollte ich die Situation im Hafen von Le Tréport verständlich beschreiben. Er bot seit dem 19. Jahrhundert Anlege- und Ankermöglichkeiten, die im Flachwasserhafen von Le Crotoy einfach nicht vorhanden waren. Aber der Reihe nach: Die ersten Berührungspunkte mit Le Tréport  hatte Jules Verne schon bei seinen ersten Bootsausflügen. So machte er von Le Crotoy startend im August 1868 mit der Saint-Michel I einen Törn, der die Route Le Havre, Saint-Vaery, Dieppe, Le Tréport und Berville als Ankerplätze beinhaltete /6/. Weitere Reisen mit seinem ersten Boot, auch Einzeltouren nach Tréport, folgten.

Die dann im Jahre 1876 von Stapel gelaufene Saint-Michel II, immerhin mit einem Tiefgang von 2,25 Meter /7/ und aufgelegt als Kielschiff, durfte im Gegensatz zum ersten Boot nicht trockenfallen. Denn die daraus entstehenden Schräglagen verbieten sich ab einer gewissen Schiffsgröße.

Bild links: Die Saint-Michel II bei der Hafeneinfahrt Le Tréport 1878 /8/

Saint Michel III 1880 in Le TreportLe Crotoy, noch Hafen der kleinen Saint-Michel I schied daher für das neuerworbene Boot aus. So fand es in Le Tréport seinen Heimathafen. Das die dann im Jahre 1877 erworbenen Jacht Saint-Michel III mit einer Länge von 31 Metern und einem Tiefgang von 2,9 Metern /9/ im gleichen Hafen zu Hause war, war nur konsequent.

Bild rechts: Die Saint-Michel III liegt 1880 im Hafen von Le Tréport /10/

Dazu habe ich ein interessantes Zeitdokument in einer Wiener Zeitung vom 27. September 1879 gefunden. Dort teilt man den Lesern mit, dass Verne nach einer Reise nach Schottland wieder in Treport anlegte.
ZeitungsmeldungBild links: Das Faksimile aus der Zeitung Neue Freie Presse /11/

Anfang der 80er Jahre des 19, Jahrhunderts verlegte Verne den Heimathafen der Saint-Miche III von Le Tréport nach Nantes.

Ein umfangreicher Exkurs über Jules Vernes Schiffe ist auf meiner Seite Jules Vernes Jachten Saint-Michel I, II & III zu finden.

Treport, am Kai - um 1905 Die Fischerstadt hatte noch einen anderen Vorzug: Im Jahre 1872 wurde die Bahnlinie Tréport – Épinay – Villetaneuse (bei Paris) in Betrieb genommen. Damit war der Ort durch Querverbindung auch von Amiens, in dem die Vernes seit 1871 lebten, per Zug erreichbar. Nicht nur der aufkommende Tourismus profitierte von dieser Verbindung, es ist zu vermuten, das auch Verne diesen Vorteil in den 70er Jahren nutzte. Dies galt in dieser Zeit bestimmt auch für seine geladenen Gäste der Schiffsreisen, mit denen er vor allem mit seiner Dampfjacht umfangreiche Ausflüge und Reisen unternahm. Die Ankunft am Kai könnte so ähnlich wie auf dem Postkartenmotiv rechts /12/ ausgesehen haben. Zu den durchgeführten Reiseaktivitäten empfehle ich meine Seite Familie Verne geht auf Reisen, dort sind Details zu den Reiserouten und deren Teilnehmer zu finden.

Verne hatte den Ort vor allem als Hafen „angelaufen“, interessanterweise ergaben sich daraus aber noch andere Kontakte. So schreibt Volker Dehs, Vernes Korrespondenz auswertend /13/, dass dieser Beziehungen zu Philippe von Orléans (1838 bis 1894), dem Enkel des 1848 vertriebenen Königs Louis Philippe, unterhielt. „Jules Verne hatte die Familie von Orléans in dem Hafenstädtchen Le Tréport kennen gelernt, wo die Saint-Michel regelmäßig ankerte und in dessen Umgebung des Schloss von Eu, der Sitz der königlichen Familie, stand. Hier war Verne mehrmals vor 1883 als Gast geladen gewesen.“ Die öfters angesprochene Teilnahme Vernes beim Procedere der offiziellen Verbannung der königlichen Familie aus Frankreich im Jahre 1886 konnte Volker inzwischen widerlegen. Verne stand zwar auf der „Liste der Personen, die sich auf Schloss Eu oder nach Le Tréport begeben haben, um Se. Durchlaucht vor Seiner Einschiffung zu verabschieden“, aber es kam anders. Nach einem Zeitungsbericht vom L'Écho de la Somme vom 9. September 1894 auf Seite 1, hat sich Verne aufgrund seiner Verletzung (Anmerkung A.F.: Schussverletzung nach dem Angriff seines Neffen) von dem Monarchisten Béguéry aus Amiens vertreten und entschuldigen lassen /14/. Zwar war er nicht persönlich anwesend, aber seine royale Gesinnung kann er nicht leugnen.

Nachtrag

Treport Binnenhafen 2021Das Le Tréport eine Reise wert ist, zeigt sich in den Sommermonaten: Die Einwohnerzahl steigt auf das Doppelte an, die Touristen erobern die Küste und deren Orte. Neben den touristischen Angeboten Le Tréports ist auch der nördlich der Bresle liegende Ort Mers-les-Bains, der scheinbar mit Tréport verwachsen ist, ein Ziel der Besucher.
Bild rechts: Der geschützte Binnenhafen von Le Tréport heute  /3/

Aber im Frühjahr und Herbst kann man dort entspannt auf Entdeckungstour gehen. Noch ein Hinweis außerhalb der empfohlenen Ziele der Reiseführer: Wenn man die malerische Altstadt Le Tréports durchquert, kann man, nur zirka 300 bis 400 Meter entfernt von Mole und Leuchtturm,im neueren Teil der Stadt die Rue Jules Verne besuchen. Dort kann man dann im Restaurant Le Jules Verne einkehren. Leider war es im September 2021 geschlossen.

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Copyright © Andreas Fehrmann – 12/2021, letzte Aktualisierung 7. Dezember 2021