Die Welt der Technik Jules Vernes: Fahrzeuge / Das U-Boot Nautilus

In seinen Voyages Extraordinaires erlangen besonders zwei Kategorien von Fahrzeugen Berühmtheit: Ballone und U-Boote. Der berühmtesten „technischen Schöpfung“ Jules Vernes - der Nautilus - soll dieses Kapitel gewidmet sein.


Jules Verne Zitate sind wie gewohnt in blau dargestellt (und mit der im zitierten Buch vorliegenden Rechtschreibung).

Quellenangaben, und vielleicht der Reiz etwas mehr darüber zu lesen?

/1/ Volker Dehs: Jules Verne © Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1986, 1988, 2000, 2005, Reinbek bei Hamburg; ISBN 3 499 50358 1 (CF /5501/)

/2/ Christine Fürböck: Mobilis in Mobili – Leben im Meer zwischen Existenz, Imagination und Fiction Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des einer Diplom-Kulturwissenschaftlerin (Medien) an der Fakultät für Medien der Bauhaus-Universität Weimar. Registratur MK/2102, Matrikel 961020;  Jena, 4. November 2002 (CF /5702/ Text: © Christine Fürböck. 

/3/ T. L. Francis: Das große U-Boot Buch - Die Geschichte von 1620 bis heute; © 1998 by Heel Verlag GmbH Wintermühlenhof / Königswinter; ISBN 3-89365-645-6; Bildzitat und Text: Seite 16


Fußnoten der originalen Ausarbeitung von C. Fürböck:

87 Krause, Günter: U-Boote und U-Jagd, 2. korr. Auflage, Militärverlag der DDR, Berlin 1886 (nachf. „Krause G.: U-Boote und U-Jagd“ genannt); Seite 15 f

88 Das Einhüllenboot hatte die Tauchzelle innerhalb des Druckörpers, während das spätere Zweihüllenboot aus einer äußeren und einer inneren Hülle bestand in dessen Zwischenraum die Tauchzellen sowie die Kraftstofftanks untergebracht waren. Krause, 15 f

89 National Geographic Deutschland, Ausgabe 7/2002; Die H.L.Hunley: Geheimwaffe der Südstaaten, Seite 124

90 Krause G.: U-Boote und U-Jagd, Tabelle über Entwicklung der U-Boote

91 weitere Daten: Oberfläche der Nautilus 1011,45 Quadratmeter, Volumen 1500,2 Kubikmeter. Außenummantelung kann nicht nachgeben, weil lediglich aufgehängt nicht genietet, erreicht Geschwindigkeit von 90 kmh. Verne, Seite 139 ff

92 Verne, J.: 20.000 Meilen unter den Meeren, Übersetzung von Martin Schoske, 4. Auflage, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuchverlag, 2001 (nachf. „Verne“ genannt); Seite 139ff

93a.a.O., Seite 133

94 Hergestellt aus Natrium, welches Kapitän Nemo dem Meer entzieht. Er gewinnt es durch die Verbrennung von Meerkohle. Zusammen mit Quecksilber bildet es eine

Verbindung, die im Bunsen-Element das Zink ersetzt. Verne, Seite 94ff

95 Verne, J.: 20.000 Meilen unter den Meeren, Seite 131

96 Verne. J.: 20.000 Meilen unter den Meeren, Seite 138

97 a.a. 0., Seite 117ff

98 Ostwald, Th.: Jules \/erne — Leben und Werk, Seite 77 © Thomas Ostwald: Jules Verne – Leben und Werk; 2. Auflage Verlag A. Graff 1982; ISBN 3-87273-025-8

Besonderer Dank gilt Christine Fürböck, die mir ihre Ausarbeitung /2/ zur Veröffentlichung freigab.



Hier geht es zu meiner Beschreibung des Buches:  20.000 Meilen unter den Meeren







MOBILIS IN MOBILI - oder die Freiheit unter der Meeresoberfläche

In den Jahren 1879/70 wurden die Teile des Romans 20.000 Meilen unter den Meeren erstveröffentlicht. Die darin agierende Nautilus ist darauf hin für Generationen ein Synomym für U-Boote geworden. Technisch wenig versierte Leser schreiben öfters sogar die Erfindung der U-Boote dem Genius Jules Vernes zu. Der Verne-Forscher und Biograph Volker Dehs schreibt in seinem Buch Jules Verne dazu: „... das die >technischen Vorwegnahmen< der Außergewöhnlichen Reisen ihre Quellen in populärwissenschaftlichen Darstellungen aus Zeitungen und Zeitschriften finden, die ausnahmslos in den Jahren zwischen 1850 bis 1870 die öffentliche Diskussion beherrscht haben. Wirklich neu ist allenfalls die herausragende Rolle, die er im Gegensatz zur Dampfkraft der Elektrizität zuweist.“/1/. Betrachten wir also die Entwicklung der Tauch- oder U-Boote und die Umsetzung der Ideen im Werk Vernes.

Die nachfolgend kursiv dargestellten Textpassagen basieren auf der Ausarbeitung Die Entwicklung der U-Boote aus: Christine Fürböck: Mobilis in Mobili ... /2/. Die zitierten Fußnoten sind in der linken Spalte erläutert. Dazu erhielt ich von ihr die Rechte zur Veröffentlichung. Meine Ergänzung heben sich durch den Schrifttyp ab. Die Bildzitate sind aus alten Hetzel-Ausgaben, ansonsten werden sie gesondert genannt.

Wie die Tauchgeräte und ihre Einsatzmöglichkeiten, lebte auch die Nautilus in Jules Vernes Roman „20.000 Meilen unter den Meeren“ zwischen Illusion und Wahrheit. Die technischen Begebenheiten zur Entwicklung von U-Booten waren vorhanden, die systematische Erforschung der Meere hatten ebenfalls begonnen, aber eine Erforschung der Meere innerhalb eines U-Bootes, die Existenz im Wasser, blieb der Masse der Gesellschaft bis heute in diesem Umfang verwährt und somit wieder der phantastischen Vorstellungskraft des Menschen vorbehalten. Um die Unterwasserwelt mit einem Fahrzeug bezwingen zu können, mussten ebenso wie beim Tauchen drei Hürden genommen werden. Vorerst musste ein druck- und wasserdichter Körper entwickelt werden, der die Insassen mit ausreichender Atemluft versorgen konnte. Zweitens musste eine Möglichkeit gefunden werden, dem Körper Auf- und Abtrieb zu geben, und ihn somit auf dem Meeresgrund und wieder an die Wasseroberfläche zu befördern. Zuletzt blieb noch das Problem der Fortbewegung im Wasser offen. Das erste tauchfähige Unterwasserfahrzeug wurde 1624 von dem Holländer Cornelius van Drebbel konstruiert. Dabei handelte es sich um einen Holzkörper, der mit gefetteter Tierhaut überzogen war und sich in einer Tiefe von 3 bis 4 Metern fortbewegen konnte. Das Boot war mit sechs Ruderpaaren als Antrieb ausgestattet, die durch Ledermanschetten nach außen führten. Neben den Ruderern hatten noch drei weitere Personen Platz. 1775 baute Bushnell zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges einen walnussförmigen Bootskörper aus Holz und Kupfer, der bereits einen Sprengkörper von 75 Pfund an Bord hatte und damit die englische Fregatte Eagle vor New York angegriffen haben soll. Ein Mann hatte darin Platz, die American Turtle war ebenfalls handbetrieben und tauchte durch Wasserballast87.

Fultons NautilusKapitän Nemos Nautilus hatte ihren Namensvetter bereits 1801. Das U-Boot, von dem Amerikaner Fulton konstruiert, wurde zu militärischen Zwecken eingesetzt. Es hatte eine Länge von 6,5 Metern, einen Durchmesser von 1,95 Metern, war aus Holz mit Kupferbeschlag und das erste zylindrische Einhüllenboot88, das zudem mit neuartigen Torpedos ausgestattet war. Es erreichte bereits ein Tiefe von 8 Metern.

Dieses, für drei Mann Besatzung ausgelegte Boot, soll nach widersprüchlichen Angaben zwischen 1798 und 1800 (1801) konstruiert und gebaut worden sein. Bild aus /3/. Weitere Details dazu und noch andere U-Boote mit Namen NAUTILUS stelle ich auf meiner Seite: Namensvetter der NAUTILUS vor.

Die Brandtaucher des deutschen lngenieurs Wilhelm Bauer ging ebenfalls in die Geschichte ein. Es war das erste Unterseeboot aus Eisen, musste allerdings weiterhin durch Muskelkraft angetrieben werden. Sein erstes Schiff ging allerdings aufgrund von Sparmaßnahmen seiner Geldgeber mit einer zu dünn gebauten Außenwand verloren. Mit seinem zweiten U-Boot, einem knapp 16 Meter langen Stahlkörper, führte er nach Fertigstellung 1855 über 130 Tauchfahrten erfolgreich durch und stellte einen Tauchrekord von vier Stunden auf. Aufgrund ihrer unsichtbaren und lautlosen Fortbewegung unterhalb der Meeresoberfläche stellten sie in erster Linie ein Objekt militärischer Begierde dar, bevor sie später dann ebenfalls zum Erforschen des Meeres genutzt wurden. So gelang es einem Untersee-Boot 1864 erstmalig ein feindliches Kriegsschiff zu versenken. „Zwei Minuten später rammt die „Hunley“ ihren Spier unterhalb der Wasserlinie in die Steuerbordflanke des Kanonenboots. Als sich das U-Boot zurückzieht, zündet eine Reißleine den Torpedo. Die Explosion sprengt das Heck der „Housatonic“ weg.‘89 Das noch muskelbetriebene Unterseeboot und seine achtköpfige Mannschaft kehrten nicht von ihrem Einsatz zurück. Nach den muskelbetriebenen wurden mit der Industrialisierung später dampfbetriebene U-Boote konstruiert, aber erst mit der Erfindung der Elektrizität 1870 konnten die U-Boote in ihrer Antriebskraft entscheidend verbessert werden. Bis zur Entstehung von „20.000 Meilen unter den Meeren“ waren mindestens 25 besatzungsfähige U-Boote gebaut worden, mit denen erfolgreiche Tauchfahrten abgeschlossen wurden90. Jules Verne eilt mit der Beschreibung seines U-Bootes, der Nautilus, seiner Zeit erneut voraus. Aus den bekannten technischen Konstruktionen von Unterseebooten Ende des 19. Jahrhunderts baute er sich ein nahezu perfektes und zu diesem Zeitpunkt undenkbares Gefährt, welches sich in der Zukunft annähernd wiederfinden lässt.

Vernes NautilusUndenkbares Gefährt, da Kapitän Nemo sich bereits mit Leichtigkeit in einem voll elektrifizierten U-Boot durch die Weltmeere bewegte, obwohl es noch um 1900 nicht selbstverständlich war, dass jeder Haushalt über eigene Stromanschlüsse verfügen konnte. Ergänzende Hinweise dazu kann man meinen Beitrag „Die Welt der Technik Jules Vernes“: Elektrizität – Kapitel 1: Die Beleuchtung- allgemein entnehmen, dort wird unter anderem auf die Beleuchtung der Nautilus (inklusive Bildbeispiel) detaillierter eingegangen).

Nemos Nautilus hatte bereits eine beträchtliche Länge von 70 Metern, die wie ihr Namensvetter von 1801 zylindrisch konstruiert ist, jedoch an den Enden konisch verläuft.

Wie auch im obigen Bildzitat aus der alten Hetzelausgabe ersichtlich, hatte Vernes Nautilus eine durchaus moderne, fast futuristische Form. Dieser Idealform näherten sich die Rumpfform der U-Boote erst wieder im 20. Jahrhundert. Diese schlichte aber effektive Form, die Verne mit seinen Illustratoren umsetzt (in „20.000 Meilen ...“ und der „Geheimnisvollen Insel“), wird von vielen Lesern oft ignoriert, da die bildliche Umsetzung der Designer der Walt Disney Studios im Film von 1954 (Siehe meine Seite zur Richard Fleischer Verfilmung  20.000 Meilen unter dem Meer) das Bild der Vorstellung von der Nautilus' Vernes stark geprägt hat. Gerade die verspielte, stilistisch an viktorianische Technik erinnernde Umsetzung der Film-Nautilus hat das geistige Bild dieses Schiffes geprägt. So sind Varianten des „Disneybootes“ noch heute sogar auf Buchtitel von 20.000 Meilen ... zu finden.)

Nemo nimmt Besteck aufDas Stahlschiff91 bestand aus zwei Rümpfen, einem inneren und einem äußeren, welche durch Stahlkammern in T-Form verbunden waren. Wie die vorangegangenen Bauversuche verfügte auch die Nautilus über beflutbare Kammern, die allerdings für die Funktionstüchtigkeit im hinteren und im vorderen Teil des Schiffes angelegt worden waren. Zusätzlich hatte es Kammern mit einem Fassungsvermögen von 100 Tonnen, mit denen das Schiff geregelt in die Tiefe sinken und wieder auftauchen konnte. Völlig untergetaucht, verdrängte das 1356,58 Tonnen schwere U-Boot eine Menge von 1500 Kubikmeter Wasser92. Auch bei der Besteuerung wurden die realen Ansätze aufgenommen und weiterentwickelt. So verfügt die Nautilus über gewöhnliche Steuerruder für die Steuerung nach Backbord und Steuerbord, weiterhin aber an der Außenwand befestigte Flügel, wie sie bei Flugzeugen zum Einsatz kommen. Mii diesen frei beweglichen Flügeln wurde es möglich, den Abstiegs- sowie den Aufstiegswinkel zu bestimmen. So wurden die Tauchfahrten jedenfalls in der Vorstellungskraft des Menschen genauestens kalkuliert und völlig sicher - selbst für Notfälle war vorgesorgt. Möglich wurde dies aufgrund eines entscheidenden Vorteils: die Besatzung der Nautilus verfügte bereits über eine Energiequelle, die jederzeit und für alle Zwecke einsetzbar war, sie sorgte für Licht, Wärme und dafür, dass die technischen Geräte funktionierten, was beim Menschen noch Illusionen erzeugte. „Ganz offensichtlich haben Sie entdeckt, was die Menschheit eines Tages zweifellos auch noch entdecken wird: die wahre dynamische Kraft der Energie93 - „Diese Energie ist die Elektrizität‘94, wie Kapitän Nemo erklärte, als würde es sich hierbei um eine täglich angewandte und daher bekannte Energie handeln“95. „Der gewonnene Strom fließt nach hinten, wo er über mächtige Elektromagnete auf einen eigens konzipiertes System von Hebeln und Zahnrädern wirkt, dass dann die Bewegung auf die Schraubwelle überträgt. Die Schraubwelle hat einen Durchmesser von sechs Metern, das Gewinde misst sieben Meter fünfzig, wodurch es die Schraube auf bis zu hundertzwanzig Umdrehungen pro Sekunde bringt.96

Gerade diese Antriebskraft und die komplette „Elektrifizierung“ des Bootes machen den zukunftsweisenden Teil der „U-Boot-Schöpfung“ aus. Aus diesem Grunde habe ich dem Antrieb der Nautilus ein Extrakapitel gewidmet, nachzulesen unter: Elektrizität – Kapitel 3: Antriebskraft. Dort gehe ich auch auf die Details der konzeptionellen Lösung Vernes ein, wir besuchen gemeinsam den Maschinenraum und betrachten weitere Anwendungsfälle der Elektrotechnik auf der Nautilus. Ergänzt wird der Beitrag durch verschiedene andere Antriebskonzepte in weiteren Büchern Jules Vernes.

Neben den technischen Details, bei denen er die Funktion der Motoren nicht näher beschreibt, wird die Nautilus weniger als reiner Gebrauchsgegenstand sondern eher als luxuriös ausgestattetes Museum mit Wohncharakter gesehen. Die Nautilus verfügt nicht nur über eine gewöhnliche U-Bootausstattung, sondern über eine Bibliothek mit bis zu 10000 Werken in mehreren Sprachen und aus verschiedenen Themenbereichen sowie einem Saal, der einem Museum von unschätzbarem Wert glich. Bilder bekannter Maler aus allen Epochen, Schätze verschiedener Kulturen aber auch Sammlungen wertvoller Erzeugnisse und Lebewesen des Meeres, schmücken diesen Raum und auch hier stellt Verne die imaginäre Welt in seinen gewohnten Details vor97. „Der Leser erkennt anhand dieser detaillierten Angaben, wie sehr sich Verne in seine „Konstruktionen“ hineindachte und sie scheinbar logisch erklärte, so daß beim Leser der Eindruck entstehen mußte, daß sie durchaus möglich wären. Tatsächlich hat Verne dann auch einiges so exakt beschrieben, daß auch noch der heutige, technisch besser versierte Leser stutzt und schließlich meint, daß diese Konstruktion tatsächlich funktionsfähig sei.“98 Das Naturphänomen des Riesen-Narwals wird zu einer wissenschaftlichen Meisterleistung, einem technischen Phänomen. Die Ursache seiner extremen Schnelligkeit, der Wendigkeit und der phosphorizierende Schwanz, der enorme Wasserstrahls, der ganze Schiffe überflutet, und letztendlich die mysteriösen Lecks in den Schiffswänden werden durch die Erläuterungen von Kapitän Nemo nacheinander, für Aronnax und seine Gefährten und somit auch für den Leser, aufgeschlüsselt. Letztendlich bleibt auch die Nautilus als ein Teil der Erzählung zwischen Illusion und Wirklichkeit stehen, da eine Entdeckungsfahrt in einem Unterseeboot an sich möglich geworden ist, aber in einem solchen Rahmen für die Öffentlichkeit ein Traum bleiben wird.

zurück zum Menü JV maritim
zum Menü "JV maritim"
zurück zum Menü 20.000 MEILEN ...
zum Menü "20.000 Meilen unter den Meeren"
zurück zu TECHNIK & VISONEN
zum Menü "Technik & Visonen"

Copyright © Andreas Fehrmann 12/2003, letzte Aktualisierung 25. Februar 2018

Zur Seitenübersicht (Site - Map) zum NAVIGATOR