Aus der Serie Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen die Hartleben-Prachtausgaben: Originale, Nachbindungen und Buchclub-Editionen im Vergleich

















Quellenangaben:
/1/ Heinrich Pleticha (Hrsg): Jules Verne Handbuch © 1992 Edition Stuttgart im VS Verlagshaus Stuttgart GmbH für die Ausgabe des Bertelsmann Club GmbH Gütersloh, die Buchgemeinschaft Donauland Kremayr und Scherlau Wien und dem Deutschen Bücherbund Stuttgart und den angeschlossenen Buchgemeinschaften. Artikel: Abenteuerliche Reisen zum Mond und Anderswohin, Zitat von Seite 12 (CF /5502/)
/2/ Julius Verne Fünf Wochen im Ballon A. Hartleben's Verlag Wien, Pest, Leipzig 1876 (erste Auflage bei Hartleben im Großformat); Leipzig Druck von Grimme & Trömmel (CF /0113/)
/3/ Julius Verne Fünf Wochen im Ballon Lizenzausgabe des Deutschen Bücherbundes GmbH & Co Stuttgart München mit Genehmigung der Diogenes Verlag AG Zürich; Ausgabe von 1989; Nr. 05215/9 (CF /0101/)
/4/ Volker Dehs / Ralf Junkerjürgen (Hrsg.): Jules Verne – Stimmen und Deutungen zu seinem Werk Schriftenreihe und Materialien der Phantastischen Bibliothek Wetzlar Band 75; 2005 (CF /5708/) Information von S. 266
/5/ Jule Verne: Cinq semaines en ballon... J. Hetzel et Cie, Rue Jacob Paris; 1864 (CF /0112/)
/6/ Informationen aus /4/, Seite 274




Und hier ein Service für Sammler: Ich habe ein Glossar „buchtechnischer“ & „buchgestalterischer“ Begriffe mit Erläuterungen von Mängeln an Büchern zusammengestellt, da es öfters zu Fehlinterpretationen bei Buchangeboten kommen kann.

Was ist eine Prachtausgabe?

Hartleben das OriginalBuchclub die DeckelkopieFür die Bücher der Verne-Ausgaben vom Verlag des Adolf Hartleben unter dem Zyklusnamen Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen, die von 1874 bis 1911 mit 98 Büchern in 63 Bänden in der Ausführung in braunrotem Leinen mit üppiger Goldbedruckung im Format: groß-Oktav (17 x 24,5 cm) erschienen, wurde vom Verlag der Name Prachtausgabe geprägt. Der Name bezieht sich ausdrücklich auf den braunroten Buchdeckel mit Goldverzierung und nicht auf die Innengestaltung der Bücher.

Eine Übersicht der erschienenen Bücher der Gesamtserie habe ich auf meiner Seite A. Hartleben’s Verlag Wien und Leipzig: Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen - Ausgaben von 1874 bis 1911 aufgelistet. In dieser Reihe wurden fast alle Romane der Voyages Extraorinaires aufgelegt, zu den fehlenden Romanen bitte ich die Seite A. Hartleben's Verlag – Verlaggeschichte vertiefend zu lesen. Weitere Ausgabe-Varianten vom A. Hartleben's Verlag sind sind über das vorangegangene Menü erreichbar.
Da im Sprachgebrauch der Begriff Prachtausgaben auch für die modernen Buchclub-Editionen verwendet wird, habe ich diese Bücher im vorliegenden Beitrag gleich mit betrachtet. Bildbeispiele: Links ein Original-Hartleben von 1876 /2/, ebenso wie darunter ein Blick in eines meiner Bücherregale; rechts eine nachempfundene Neuauflage von 1989 /3/.

Meine PrachtausgabenDa Informationen darüber in der Literatur, in Antiquariaten oder auch im Internet-Handel recht spärlich sind, möchte ich an dieser Stelle noch mal besonders auf Parallelen, aber auch vor allem auf die Unterschiede zu den neueren Buchclub-Ausgaben der 80er und 90er Jahre schreiben. Das Projekt einer „Neuauflage“ der Prachtausgaben realisierte der Deutsche Bücherbund Stuttgart / München und die angeschlossenen Buchgemeinschaften (nachfolgend allgemein als Buchclub-Editionen bezeichnet) in zwei „Fertigungswellen“. Details dazu siehe in : Deutschsprachige Editionen der Werke Jules Vernes – Teil 2. Diese Wiederauferstehung der alten Ausgaben wird umgangssprachlich meist als „Reprint“ getitelt. Dies ist grundsätzlich falsch, da es sich nicht um eine Übernahme des Originalsatzes in Schrift und Bild handelt, nicht mal der Inhalt der Bücher ist identisch. Daher ist auch die im Begleitbuch der Buchclub-Editionen getroffene Aussage von Heinrich Pleticha: „... Die Bände sind bis ins kleinste der Hartleben-Prachtausgabe samt den Illustrationen der Erstausgabe nachgebildet; lediglich die Texte wurden in der Schrift Antiqua neu gesetzt“ /1/ nicht zutreffend. Zum Ersten: Keines der Bücher der Reihe Bekannte und unbekannte Welten ist eine deutschsprachige Erstausgabe gewesen. Im hier gezeigtem Beispiel sieht das in der Realität so aus: Die französische Originalausgabe erschien am 31. Januar 1863 unter dem Titel Cinq semaines en ballon. Voyage de découvertes en Afrique par trois Anglais. Rédigé sur les notes du docteur Fergusson bei Pierre-Jules Hetzel in Paris. Die deutsche Erstausgabe dazu erschien unter dem Titel: „Eine fünfwöchige Luftreise“ in der Zeitschrift DIDASKALIA, Frankfurt a.M. Nr. 222 vom 12. August 1863 bis Nr. 225 vom 18. August 1863. /4/. Als 1876 dieses Buch als großformatige Ausgabe der Serie Bekannte und unbekannte Welten erschien, war es selbst davor schon in der kleinformatigen Reihe Julius Vernes Schriften bei Hartleben erschienen. Und so ging es allen Bänden der großformatigen Serie und damit auch der Prachtausgaben: Bei Hartleben wurden sie bereits vorab in Julius Vernes Schriften oder später in der Collection Verne veröffentlicht. Zum Zweiten, und das ist das Wesentliche, sind die Texte nicht identisch. Alle Texte der Buchclub-Editionen sind Neubearbeitungen bzw. Neuübersetzungen. Nur die wenigsten Bearbeitungen wurden extra für diese Edition erstellt, zwei Drittel basieren auf Werke des Diogenes Verlag's Zürich, über dem sogar Übersetzungen des ostdeutschen Verlags Neues Leben in die Buchclub-Editionen einflossen. Ein kurzes Beispiel der Textunterschiede zeigen auch die ganz unten dargestellten Seiten des Beginns des Romans in den deutschsprachigen Beispielen. Eine Gesamtübersicht der Buchclub-Ausgaben und der Übersetzer bzw. der Basisverlage der Textvorlagen habe ich auf meiner Seite Bekannte und unbekannte Welten - Abenteuerliche Reisen / Bertelsmann Club GmbH Gütersloh zusammen getragen. Die Auflistung dieses Club's steht stellvertretend für alle anderen Ausgaben dieser Reihe, auch für die, die bereits in den 80er Jahren herausgegeben wurden.
OriginaltiteleiBuchclubtiteleiHartleben Deckel Originaldetail
Kommen wir jetzt zum Quervergleich: Die äußere Erscheinung ist weitestgehend identisch, nur zwei Details sind abweichend. Denn auf dem Titel der Originale ist im mittig dargestellten Planeten der durch den Schriftzug Julius Verne überlagert wird, unten eine Bandzählnummer eingedruckt (siehe Detail oben rechts mit dem Eindruck „von Julius Verne IX. Band“). Diese fehlt bei den neugestalteten Büchern. Das zweite Detail in der äußeren Erscheinung ist eine Abweichung am Buchrücken. Denn in den alten Originalen ist der Autor mit Jul. Verne (als Abkürzung fürJulius) und bei den Bücherbund-Ausgaben mit Jules Verne angegeben. Siehe dazu die Bilder ganz oben. Der optisch größte Unterschied im „Innenleben“ der Bücher ist die verwendete Schriftart. Während der Text in den Originalen in Fraktur gesetzt ist, wurden die Neuauflagen in Antiqua gestaltet (vereinfacht also: alt in deutschen und neu in lateinischen Schriftzeichen). In den Originalen ist im Vortitel ein komplettes Impressum mit Verlagsangabe vorhanden (siehe oben links), während bei den Buchclub-Editionen das Impressum in den Büchern auf der letzten Druckseite untergebracht wurde. Bei den Buchclub-Ausgaben wurden zwei optisch zu unterscheidende Varianten verlegt: Die Reihen der Endsiebziger und die der Anfang der achtziger und neunziger Jahre verlegten Bücher haben eine reliefgeprägte Halbleinen-Einbandgestaltung, auf denen zusätzlich die dem Original nachempfundenen Goldprägungen vorhanden sind. Diese Version ist die hochwertigere und damit die beliebtere Auflage. Spätere Varianten kommen ohne Relief und ohne Goldprägung aus, was auf anpreisenden Bildern bei WEB-Angeboten nicht erkennbar ist. In diesen Auflagen wurde die Prägung und das „Gold“ einfach aufgedruckt.
Hetzel 1. Kapitel Hartleben 1. Kapitel Buchclub 1. Kapitel

Zur oben getroffenen Aussage der unterschiedlichen Inhalte und Gestaltungen, hier noch ein praktisches Beispiel. Am Anfang das französische Original /5/, dann die Hartleben-Ausgabe /2/ und als letzte die Bücherbund-Ausgabe /3/ (Alle Beispiele habe ich am Rande beschnitten). Der Stich des franz. Originals wurde für Hartleben neuangefertigt. Der Namenszug des Illustrators und des Stechers sind aus dem Bild entfernt worden, die Konturen sind nur ähnlich und der Titel wurde ins Deutsche übersetzt. Der Bücherbund hat nicht Hartleben übernommen, sondern das franz. Original. Schon wieder ein Beleg für die Unkorrekte Aussage des Bücherbund-Begleitbuches (oben zitiert unter /1/). Gleichzeitig ist auch deutlich der unterschiedliche deutsche Text zu erkennen.
Nachträglich hergestellte Prachtausgaben

Die Hartleben Edition BEKANNTE UND UNBEKANNTE WELTEN... gab es in zwei verschiedenen Formen: Als Lieferungshefte oder komplett als Buch. Wer diesen Fakt so nicht kennt, kann, wenn er eine gebundene Ausgabe der Lieferungshefte in den Händen hält vermuten, dass es sich um eine Neubindung zum Zwecke der Restauration handelt. Bücher dieser Art sind zu erkennen an alten individuellen Bindungen und meist zusätzlichen Vorsatzbildern, die die Buchreihe erkennbar machen. Bei Hartleben sollen die Lieferungshefte ab 1874 in 6 Serien mit insgesamt 397 Heften noch vor den gebundenen Ausgaben herausgebracht worden sein. Diese privaten Nachbindungen sehen aber nicht wie die Prachtausgaben aus. Aber schon damals gab es eine Alternative: Die prachtvollen Einbanddeckel konnte man nachkaufen und schon sah der private Bund fast wie das Original aus (siehe die Auszüge aus mir vorliegender Werbung). Für den Laien ist dies beim Erwerb eines Buches schwer erkenntlich. Hauptmerkmal: Der blaue Farbschnitt fehlt umlaufend, denn Farbschnitte werden selten bei Nachbindungen durchgeführt. Dazu kommt, dass der Vorsatz (der angeklebte Spiegel am Buchdeckel) im original braun ist, helle Vorsätze zeigen immer (!) individuelle Bindungen an. Zu den buchtechnischen Begriffen empfehle ich meine Seite Buchtechnisches Glossar, dort sind alle Details mit Bildern erläutert.


Die so genannten Gelben Prachtausgaben

Verlag Michel BeispielDieser Begriff geistert durch viele Buchangebote oder in Diskussionen der Bücherfreunde. Er ist irreführend. Da er aber öfters bei Buchauktionen und Verkäufen zu finden ist, hier einige Erläuterungen: Erstens wurde der Name Prachtausgaben in der Werbung des Verlages Hartleben für die broschierten und in Schmuckleinen gebundenen Buchdecken in rostrotem Leinen mit der Goldprägung geschaffen (die Buchdeckel konnten wie schon erläutert unter diesem Namen sogar für individuelle Bindungen separat erworben werden (siehe dazu /6/ und meine obigen Beispiele). Prachtausgabe kennzeichnet also wie schon ganz oben erläutert, den Buchdeckel und nicht den Inhalt. Und Zweitens handelt es sich bei den so genannten Gelben Prachtausgaben um Nachbindungen der 30er Jahre des Berliner Verlages Michel, der restliche Buchblöcke von Hartleben 1929 bis 1930 weiterverarbeitete. Bildbeispiel links: Innenleben von 1879 und Buchdeckel von einer Bindung aus dem Mai 1929, was durch Anzeigen des Verlages Michel nachgewiesen wurde. (CF /1706/). Sichtbar auch an der Schreibweise des Autors. Innen „Julius Verne“ wie im 19. Jahrhundert bei Hartleben üblich, und außen „Jules Verne“. Ein zweiter Beweis sind die unterschiedlichsten Jahrgänge der Bücher, wenn zwei Bände zusammengebunden wurden. Oft sind Ausgaben die mehrere Bandzählnummern auseinander liegen zusammen oder das zweite Buch im Sammelband ist sogar älter als das vorn eingebundene Exemplar. Dies lässt sich gut in meiner bebilderten Listung der Leinenausgaben des Verlages Michel erkennen:   Bildliste MICHEL
Michel BroschurDiese Ausgaben gab es in zwei unterschiedlichen Gestaltungsformen: Einmal in gelben Leinen wie oben links dargestellt oder broschiert (heute würde man Paperback oder Softcover sagen) wie darunter dargestellt (Beispiel CF /8805/). Die Bücher sind grundsätzlich an dem markanten Schiftzug Jules Verne im oberen linken Teil des Titels erkennbar. Trotz gleichem alten Inhalts, können diese Nachbindungen also keine „Prachtausgabe“ sein. Leider kommt es öfters zu Fehlinterpretationen über das Alter des Buches. Geschuldet der oben genannten Eigenschaft, dass üblicherweise bei Hartleben das komplette Impressum mit Jahreszahl auf dem Vortitel zu sehen ist, steht dann eben dort die Jahreszahl des alten Drucks der übrig gebliebenen Bunde. Ein professioneller Buchhändler sollte die moderne Bindung und Beschriftung aber vom älteren Inhalt unterscheiden können.
Die Unterscheidung im Alter sollte auch bei Buchkäufen und Auktionen beachtet werden. Ich selbst habe viele Ausgaben in dieser Version in meiner Sammlung (siehe rechts, ein Teil meiner Bücherregale), dadurch habe ich preisgünstige alte Leseexemplare. Denn eine preisliche Differenzierung ist notwendig. Man sollte nicht 50 Jahre jüngere Bücher in Gelb zum gleichen Preis kaufen wie die Originale in Rostrot. Das verdirbt den Markt. Weitere Details dazu auf meiner Seite Deutschsprachige Editionen der Werke Jules Vernes – Teil 1.

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Copyright © Andreas Fehrmann – 1/2008, letzte Aktualisierung 6. Februar 2016