Der „Hausverleger“ Jules Vernes: Pierre-Jules Hetzel






Pierre-Jules Hetzel (1814 - 1886), hier ca. 1870 (Bildausschnitt aus Reproduktion von © H. Poger-Violet, Paris)

Für die Recherche von weiteren Personen im Umfeld von Jules Verne empfehle ich das Link Personenregister dieser Domain.




Hetzel ca. 1870 – 1875 (Quelle unbekannt)







Quellennachweise:

/1/ MAGASIN D'ÉDUCATION ET DE RÉCRÉATION 22. Jahrgang 1886; 2. Halbjahr, Bildzitat von Seite 1 (CF /6605/)

/2/ ebenda, Bildzitat von Seite 3, von mir stark nachbearbeitet (eingefärbt, beleuchtet ....)

/3/ Volker Dehs in  Jules Verne © Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1986, 1988, 2000, 2005, Reinbek bei Hamburg; ISBN 3 499 50358 1; Ausgaben / Registratur CF/5501/ für 3. Auflage 2000 und CF/5525/ für 4. Aufl. 07/2005.

/4/ Hinweis: Die vollständige Anschrift lautete: J. HETZEL ET Cie, EDITEURS, 18, RUE JACOB, PARIS

/5/ Hetzel Grab auf dem Friedhof Cimetiere de Montparnasse – Paris, © by David Conway

/6/ MAGASIN D'ÉDUCATION ET DE RÉCRÉATION 24. Jahrgang 1888; 1. Halbjahr, Bildzitat von Seite 192; CF /6615/

/7/ Kollektiv: P.-J. HETZEL - UN ÉDITEUR ET SON SIÈCLE © ACL Édition, Sociéte Crocus, Saint-Sébastien 1988, ISBN 2-86723-032-9; Bildzitat von Seite 124; CF /5737/

/8/ MAGASIN D'ÉDUCATION ET DE RÉCRÉATION  Jahrgang 1879; 1. Halbjahr, Bildzitat von Seite 367; CF /6635/

/9/ LE CHARIVARI; 1886, Format 29 x 41 cm; CF /6828/.

/10/ Original aus meiner Sammlung; Fa. J. Hetzel & Cie vom 15. Mai 1901; CF /21264/

Der alte Hetzel

Die letzte Fotographie Hetzels kurz vor seinem  Tode in Monte Carlo. /7/

LINK-Empfehlung:

Eine sehr informative französische Seite mit mit den Werken Jules Vernes bei Pierre-Jules Hetzel findet man unter JULES VERNE HETZEL.

Pierre-Jules Hetzel (1814 - 1886) Literat und Verleger

Pierre-Jules Hetzel wurde am 15. Januar 1814 in Cartres geboren. Ab 1827 belegte er in Paris am Collège Stanislas Latein und Französisch und 1834 begann er in Strasbourg ein Rechtsstudium, welches er aber ein Jahr später aufgab. Im März 1836 begann er als Büroangestellter beim Herausgeber Paulin zu arbeiten und 1837 gründeten die beiden ein Verlagshaus. Erste größere Erfolge stellen sich ein, als Werke von Balzac verlegt wurden, 1841 folgten dann Bücher von Victor Hugo und Émile Zola (Faksimile rechts: Aus dem Nachruf von 1886 /1/)

Aber trotz schöner Anfangserfolge gingen die Geschäfte nicht gut. Am Vorabend der 48er Revolution war er nahe dem Ruin. Er suchte sich andere Aufgaben. Infolge seiner politischen Aktivitäten wurde er in der zweiten Republik mit hohen Ämtern betraut. So nahm er nach und nach die Funktion des Kabinettschefs von Lamartine ein, wurde später Sekretär des Generals Cavaignac und er arbeitete im Auswärtigen Amt. Napoleon III. erzwang sich durch einen Staatsstreich am 2. Dezember 1851 diktatorische Vollmachten und er ließ sich im Dezember 1852 zum Kaiser der Franzosen ausrufen. Seine extremen Reaktion auf politische Gegner führte schon 1851 zu einer Flucht der Anti-Napoleonisten, wollte diese nicht deportiert werden oder in französischen Gefängnissen landen. Auch Hetzel flüchtete aus Frankreich, er kam in Brüssel unter. Dort in Belgien wurde er unter anderem der Haupt-Herausgeber von Victor Hugo, der dort ebenfalls im Exil lebte.1859 kehrte Hetzel das erste mal wieder nach Frankreich zurück, aber erst 1861 fasste er endgültig in Paris Fuß. Im Folgejahr nahm er dann seine Verlegertätigkeit wieder auf. Als neue Zielgruppe hatte er Kinder und Jugendliche entdeckt, für die bis dato eigene Literatur nur in Ansätzen vorhanden war.

ZeitungswerbungPierre-Jules Hetzel hatte aber auch eigene schriftstellerische Ambitionen und neben den Namen den er sich als erfolgreicher Verleger des 19. Jahrhunderts machte, wurde er unter dem Pseudonym P.-J. Stahl als Schriftsteller bekannt. Diesen Namen wählte er 1840, in einer Zeit, als er mit Alfred de Musset und Tony Johannot zusammen arbeitete.

Bekannter jedoch als der Schriftsteller Stahl wurde er durch seine publizistische Tätigkeit. Der Thematik dieser Seite geschuldet, betrachte ich schwer- punktmäßig natürlich Verne. Das schriftstellerische Werk Jules Vernes kann von diesem Publizisten nicht getrennt werden. Als Verne, inspiriert von dem Ballonabsturz eines Freundes, seinen ersten Roman Fünf Wochen im Ballon (1863) fertig stellte, hatte er Probleme einen geeigneten Verleger zu finden. Der Legende nach soll Hetzel sofort den Wert des Buches erahnt haben.

Mit Fünf Wochen im Ballon beginnt Jules Vernes Sternstunde als Literat. Hetzel erkannte den Wert des Autors und er reagierte entsprechend. „1865 wird Verne als exklusiver Hausautor unter Vertrag genommen: Für ein Monatsgehalt von 750 Francs soll er jährlich drei Romane verfassen. (Der Vertrag wurde später auf 1000 Francs für 2 Romane pro Jahr erhöht.) Das Verne trotzdem zum reichen Mann wird, hat er neben seinen Romanen, auch den äußerst erfolgreichen Theateraufführungen zu verdanken. 1867 bringt Hetzel in einer großformatigen illustrierten Reihe die »Voyages extraordinaires« (Außergewöhnlichen Reisen) heraus, die Vernes Arbeit einen programmatischen Charakter geben.“ /3/ Hetzel machte nicht nur Eigenwerbung, viele Leser werden die teilweise sogar farbigen Plakate des Verlages schon einmal gesehen haben, man schaltete auch großzügig ganzseitige Werbung in populären Zeitungen. Siehe dazu rechts oben beispielhaft die Anzeige aus der Zeitschrift LE CHARIVARI aus meiner Sammlung /9/. Weitere Plakate, Anzeigen und Werbebeilagen sind über den vorgenannten Link erreichbar.

Hetzel in seinem Werk

Bereits 1864 gründete Hetzel mit Jean Macé ein illustriertes Magazin für die ganze Famile, das  MAGASIN D'ÉDUCATION ET DE RÉCRÉATION, bei dem von Anfang an auch sein neuer Zögling Jules Verne dabei war. Gleichzeitig konnte Hetzel unter seinem Pseudonym eigene Werke veröffentlichen. Das Magasin war für viele (aber nicht für alle) Werke Vernes die erste Form der Publikation, daher wurde es auch bekannt als eine Periodika der Verne-Vorveröffentlichungen.

Pierre-Jules Hetzel ging mit Jules Verne eine Verleger-Autoren-Zweckehe ein. Diese wurde, wie oben erwähnt, am 11. Dezember 1865 durch die vertragliche Bindung Hetzel – Verne besiegelt. Die Schreibpflicht die daraus erwuchs, hatte allerdings auch ihre Tücken: Man kann beim Werksstudium - so nenne ich auch großzügiger Weise meine Art des gründlichen und wiederkehrenden Lesens - erkennen, dass dabei auch einige Lückenfüller entstanden. Schnellschüsse, die der verlegerischen Verpflichtung dienten, die aber Zeit schaffen mussten, um größere Bücher vorzubereiten. Die prächtig gestalteten Ausgaben der Voyages Extraordinaires wurden bald zum Markenzeichen des Verlagshauses Hetzel et Cie. (siehe /4/). Geschäftsorientiert wie Hetzel war, lag immer ein Erscheinungsdatum der jährlich zweimal erscheinenden Prachtausgaben vor dem Weihnachtsgeschäft (Details siehe in Voyages Extraordinaires meiner Übersicht).

Die Institution Hetzel hatte aber nicht nur das Recht der exklusiven Veröffentlichung der Werke Vernes, Hetzel nahm auch direkten Einfluss auf die Manuskripte. Es bildete sich eine Bindung, die weit über die eines Verleger–Autoren-Bezugs hinausging. So hat Verne nachweislich bei Hetzel Orientierungen zum Schreiben erhalten. Gleichzeitig pflegte er zu ihm freundschaftliche Beziehungen und er bat ihn auch in privaten Fragen um Rat. Verne-Kritiker bemängeln oft, das Verne sich kritiklos den Änderungswünschen, meist aus Verkaufsorientierung, unterwarf. Bereits beim ersten Band, den berühmten Fünf Wochen im Ballon kam es vor Veröffentlichung schon zur Überarbeitung aufgrund von Hinweisen Hetzels. Die enge Zusammenarbeit der Beiden ist öfters Gegenstand von Grundsatzbetrachtungen oder Ausführungen zur französischen Literatur geworden.
So breit wie die Vielfältigkeit der Auswertenden ist, so breit ist auch das Meinungspektrum und die Sichtweisen der Betrachtungen. So ist bei der Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Helene Harth zu lesen, dass die Zusammenarbeit Hetzel-Verne und deren daraus entstandenen Werke auch unter dem Aspekt eines erheblichen Defizits naturwissen- schaftlicher Bildung in Frankreich zu sehen war. Dieses galt es aufzuholen. Dazu wurden den jungen Menschen „fiktional eingekleidete Informationen über die großen geographischen, naturwissen- schaftlichen und technischen Entdeckungen des 19. Jahrhunderts zur Verfügung gestellt“. Dies bestätigend mache ich ergänzend geltend, dass trotz der hehren Ziele nicht zuletzt der ökonomische Erfolg eine Triebkraft Hetzels war. Auch für Verne war es eine existenzsichernde Allianz. Obwohl in der Sekundärliteratur oft zu lesen ist, dass Verne nicht unerhebliche Mittel durch seine Bühnenstücke verdiente, war der Vertrag mit Hetzel für ihn eine sichere Bank. Der materielle Erfolg machte Verne unabhängiger und er war in der Lage zu reisen, oder sich solche Dinge wie die Jachten Saint Michel zu leisten.

Firma Hetzel Versandavis

An dieser Stelle, links zu sehen, ein Dokument aus dem Verlage J. Hetzel. Es ist ein Versandavis aus dem Jahre 1901, mit dem mehrere Jules Verne Bücher (u.a. Meister Antifer) zu einem Buchhändler nach Brüssel expediert wurden (Original /10/).

Das Grab zur Entstehungszeit

Aber kehren wir wieder zu Pierre-Jules Hetzel zurück. Wie die meisten von uns, war auch er nicht frei von menschlichen Schwächen. So wurde ihm von mehreren Seiten Narzissmus vorgeworfen. Er schmückte u.a. mit seinem Konterfei öfters seine Druckwerke. Siehe dazu beispielhaft das Bildzitat links oben /8/ mit dem Kind im Arm. Dort stand er Modell für die Gestalt des Vaters in mehreren gezeichneten Alben für das erste Lesealter, deren Autor er selbst war. Später bot er sich sogar als Modell für die Darstellung des Titelhelden Mathias Sandorf dem Illustrator Léon Benett an. Darüber nachdenkend kam ich zu der Auffassung, dass ein Teil dieser Darstellungen neben der Pflege des eigenen Egos auch ein Teil seiner Verlegertätigkeit war. Eben nicht nur Bestätigung seiner Person, sondern auch ein Mittel, sich werbewirksam durch ein Bild zu platzieren. Lachen uns nicht heutzutage von jedem Plakat Gesichter an, die irgendetwas verkaufen wollen?

JP Hetzel im Alter(Bild links im Braunton: Hetzel in einem Stich: 1876; Quelle /2/) Bereits 1873 hatte Pierre-Jules Hetzel die Leitung seines Hauses an seinen Sohn Louis-Jules weitergeben, obwohl er immer noch Entscheidungen mit beeinflusste. Am 17. März 1886 beendete Pierre-Jules Hetzel sein Leben in Monte Carlo. Nicht zuletzt auch für Jules Verne ein schwerer Schlag. Hetzel wurde auf dem Friedhof Cimetiere de Montparnasse in Paris beigesetzt. Siehe dazu das Bild rechts oben, ein zeitgenössischer Stich von 1888 /6/. Eine aktuellere Darstellung um 1995 ist rechts unten zu sehen /5/. Im MAGASIN D'ÉDUCATION ET DE RÉCRÉATION - 22. Jahrgang 1886 (2. Halbjahr) wurde ein umfangreicher Nachruf zum Künstler und Verleger Hetzel gestaltet. Daraus ist auch das ganz oben rechts gezeigten Bildzitat entnommen worden.

Das Grab heuteDie Verlagsgeschäfte wurden nun endgültig von Hetzels Sohn weitergeführt. Im Jahre 1914 wurde der Verlag von Hetzel jr. an Hachette verkauft. Dieses Haus übernahm dann die Nachfolge der Erstauflagen der postum erschienenen Verne-Werke (z. B. 1919 mit  Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac) und gab später die immer wiederkehrenden Neuauflagen der klassischen Voyages extraordinaires heraus.

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Copyright © Andreas Fehrmann - 09/2000, letzte Aktualisierung 29. April 2021