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Die Geheimnisvolle Insel - The Mysterious Island Versuch einer Rekonstruktion (I) |
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Informationen zu Buch und
Verfilmungen sind meinen Seiten: Prolog: Wenn man einen Roman als Jugendlicher liest
und viele Jahre später dieses bereits stark abgenutzte Buch noch
immer durchblättert oder liest, dann muss es eine besondere Faszination
ausüben. So geht es mir mit dem Roman Die Geheimnisvolle Insel.
Die ursprüngliche Spannung ist zwar gewichen, aber inzwischen besucht
man gute Bekannte, zeitlose Freunde – die Helden des Buches. |
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QUELLEN /1/ Zeichnung von Jules Verne; Originalquelle leider nicht mehr recherchierbar /2/ Jules Verne: Die Geheimnisvolle Insel; Verlag Neues Leben Berlin1971; CF /1208/ /3/ Jules Verne: Die Geheimnisvolle Insel; Verlag TRIBÜNE Berlin 1956; CF /1205/ /4/ Zeichnung: A. Fehrmann 01/2001 Die Bildzitate wurden folgenden Quellen meiner Collection antiquarischer Sachbücher entnommen /5/ Dr. Karl Braun: Der Erdball, URANUS-Verlag Berlin, 1905 /6/ M. Reymand: Das Weltall, Deutsche Volksbibliothek Berlin, 1900 /7/ A. Hummel: Das Leben der Erde, Verlag F. Fleischer Leipzig, 1870 /8/ G. A. Richter: Die Wunder der Urwelt, Verlag W. Herlet, Berlin, 1912 /9/ R. Bommeli: Die Geschichte der Erde, Verlag von J.H.W. Dietz Nachf., Stuttgart, 1898 /10/ Die Geomorphologie oder Landformenkunde ist ein Teilgebiet der
Physischen Geographie und untersucht die Formen und formbildenden
Prozesse der Oberfläche der Erde und anderer Planeten /11/ Autorenkollektiv: Sonderband FORSCHUNGEN ZUR ALLGEMEINEN UND REGIONALEN GEOGRAPHIE - FESTSCHRIFT FÜR KURT KAYSER zur Vollendung des 65. Lebensjahres; Franz Steiner Verlag GmbH, Wiesbaden 1971; 488 Seiten; Beitrag von Max Derruau (Clermont Ferrand): Die Geomorphologie der "Geheimnisvollen Insel" von Jules Verne (übertragen ins Deutsche von H. Redmer); CF /5741/ Ich danke an dieser Stelle Herrn Diplom-Geograph Stefan Heidland für den Hinweis auf diese Quelle. /12/ ebenda, Seite 72 /13/ ebenda, Seite 73 /14/ ebenda, Seite 75 /15/ ebenda, Seite 77 /16/ ebenda, Seite 81 /17/ Steilküste in der Nähe von Etretat (Normandie), Foto © A. Fehrmann 6/2013 /18/
Aus der Sammlung Volker Dehs: Familie Verne an der Steilküste von
Petite Dalles im Jahre 1899. Ich danke für die Bereitstellung und die
Möglichkeit der Nachnutzung auf meiner Seite.
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Über den von Sturm gepeitschten Wogen des Stillen Ozeans treibt ein Ballon mit vier Männern, einem Jungen und einem Hund. Es besteht kaum noch Hoffnung auf Rettung. Aller Ballast, selbst die Gondel, ist abgeworfen worden, um den nicht flugfähigen Ballon wenigstens für einige Meilen noch über Wasser zu halten. Die Passagiere klammern sich mit letzter Kraft an das Netzwerk. Da rief ein kräftige Männerstimme: >Land! Land!< .... Ob es eine Insel oder festes Land war, vermochte keiner der Passagiere zu sagen, denn sie wussten nicht einmal, nach welchem Teile der Welt der Orkan sie gerissen hatte. Aber mochte nun dieses Land bewohnbar sein oder nicht: Man musste es zu erreichen suchen – um jeden Preis! Beginnend mit dieser Textpassage, wird eine der berühmtesten Inseln der Weltliteratur vorgestellt - Die Geheimnisvolle Insel, später von den Schiffbrüchigen des Romans Lincolninsel getauft. Die Lage der fiktiven Insel wird von Verne exakt angegeben: Sie befindet sich in seiner Fantasie auf 150°30' westl. L. von Greewich und auf 34°57' südlicher Breite mit einer Größe von ungefähr 600 Quadratkilometern. Wie aber müssen wir uns die Insel vorstellen? Beschrieb doch die Phantasie Jules Vernes eine Insel, die ein Schmelztiegel aller möglichen Landschaftsformen, deren Vegetation und eines phantastischen Spektrums der irdischen Fauna darstellte. Kartenmaterial
Doch lassen wir die Helden des Buches etwas zur Insel sagen: "Ich glaube mich nicht zu täuschen, wenn ich den Umkreis der Insel auf höchstens hundert Meilen schätze ... so hatte die Insel annähernd die Größe von Malta im Mittelmeer; dabei war sie aber bei weitem regelloser und viel reicher an Vorgebirgen, Buchten, Busen oder Creeks. Ihre seltsame Gestalt fiel auf dem ersten Blick auf .... und als man die Umrisse gezeichnet hatte, meinte man, sie gleiche einem phantastischem Tiergeschöpf, einer Art Riesenflossenfüßer, der auf der Oberfläche des Stillen Ozeans eingeschlafen sei." Weiter im Text beschreibt das Buch die Inselgestaltung: Als die Schiffbrüchigen des Romans gleich in den ersten Kapiteln die höchste Erhebung des Eilandes erklommen um die Gegend in Augenschein nahmen, erkannten sie bestimmte Eigentümlichkeiten. Eine Besonderheit der Insel, denn als solche wurde sie sofort erkannt, ist das Rettungseiland, welches nur durch einen Kanal von einer halben Meile vom eigentlichen Festland getrennt ist. Schon dadurch müssen in allen Karten die Proportionen enger gefasst werden. Als nun der Berg erklommen ist, wird die Erscheinung so wiedergegeben: Der östliche Teil des Ufers, auf dem die Ballonbrüchigen gelandet waren, bildete einen weiten Bogen und umschloss eine Bucht, die im Südosten in ein spitzes Kap auslief, das Pencroff auf seiner ersten Forschungstour nicht hatte sehen können, weil es durch eine Landspitze verdeckt war. Im Nordosten sperrten zwei andere Vorgebirge die Bucht, und dazwischen grub sich ein schmaler Golf, der mit dem Rachen eines Riesenhais Ähnlichkeiten hatte.
Nach Vergleich mit der von Verne
gezeichneten Karte ist es offensichtlich, dass sich die Proportionen
unterscheiden. Mit großer Wahrscheinlichkeit korrespondieren die Meilen- und sonstigen Entfernungsangaben meiner
deutschsprachigen Bücher nicht mit
den „originalen“ Gegebenheiten der französischen Entsprechung. Probleme in der Geomorphologie /10/ der Lincolninsel Im Vergleich zu anderen Autoren ist Verne sehr detailverliebt wenn es um geografische Angaben und Erläuterungen geht. Die umfangreichen Beschreibungen fordern Fachleute geradezu heraus die Messlatte der Realität anzulegen. Dies hat vor einigen Dekaden der Franzose Max Derruau (1920 bis 2004) als Geograph mit der Spezialisierung auf die Geomorphologie getan. In seinem Beitrag Die Geomorphologie der "Geheimnisvollen Insel" von Jules Verne /11/ befasst er sich ausführlich mit einer Analyse des Romantextes unter diesem Gesichtpunkt. Aus dieser Unterlage möchte ich einige Aussagen wiedergeben. Verständlicherweise kann ich hier leider nicht alle Details der Ausarbeitung auflisten. Einen großer Mangel der vernschen Fiktion birgt die Lage der Insel in sich. Wie schon weiter oben angegeben, lassen ja die Koordinaten eine Zuordnung auf der Weltkarte zu. "Den ersten Fehler begeht Verne, indem er behauptet, sie befinde sich "etwa in gleicher Entfernung" vom Äquator wie Neu-England, das in Wirklichkeit zwischen dem 41. und 47. Grad nördlicher Breite liegt."/12/ Daraus ableitend folgert Verne strenge Winter für die Insel, die bei Temperaturen zwischen jeweils minus 13 bis minus 22 Grad Celsius liegen. "Während eines strengen Winters jedoch weisen die Monate Juni, Juli und August eine mittlere Temperatur von -13,33°C auf, die etwa der Westsibiriens in den Monaten Dezember bis Februar entspricht!" /13/. Genau dieser Dissens war mir auch schon beim Lesen aufgefallen, zumal die beschriebene doch recht südliche Flora und Fauna nicht passen wollte. Wird doch zum Beispiel in der Nähe des Franklinberges ein Gelände, ähnlich dem zentralafrikanischen Urwald und dessen Flüssen beschrieben. "Dieses Gemisch von Feuer und kleinen Wasserläufen entstammt einer allzu kindlichen Vorstellung von pedologischer und biogeographischer Vielfalt." /14/ Ebenso unwahrscheinlich ist der beschriebene Tidenhub im Meer von über 15 Fuß in drei Stunden. Die Gezeitenschwankungen der kleinen Inseln im Ozean sind jedoch recht gering. Meine Vermutung ist, dass sich Verne von den Gegebenheiten an der französischen Atlantik- oder Ärmelkanalküste zu dieser Aussage verleiten ließ.
Vernes Beschreibung
des Vulkankegels Franklinberg findet wieder die Zustimmung des
Fachmanns. Gleiches gilt für die Beschreibung des Unterganges der
Insel, soweit es die Aktivitäten des Vulkanismus betrifft. "Doch ist
die Heftigkeit der abschließenden Explosion unwahrscheinlich. Selbst
der Krakatau - bei seinem Ausbruch im Jahre 1883 - hätte es nicht
fertig gebracht, eine 600 Quadratkilometer große Insel zu sprengen."
/16/. Die Ausarbeitung
schließt mit dem Resümee, dass es ein merkwürdiges Nebeneinander von
glaubhaften Beobachtungen und unwahrscheinlichen Hypothesen gibt.
Vieles hätte Verne sich erlesen können, offenbar hat an dieser Stelle
sein sonst so akribisches Rechercheverhalten versagt. "Man muß
annehmen, dass Jules Verne nicht über den neuesten Stand der
wissenschafltichen Forschung (Anm. AF: ..der damaligen Zeit) informiert
war." /ebenso 16/. Bleibt mir zu bemerken, dass das in diesem Roman
verstärkt auftretende Stilemelent, in dem sich bestimmte Situationen
und Handlungen auf geografisch-geologische Besonderheiten aufbauen,
offenbar stark die Fantasie des Autors gefordert hat. Wie hätte Nemo
z.B. die Kolonisten belauschen können, wenn es nicht einen
unterirdischen Zugang vom Meer zum Granithaus gegeben hätte? Dazu zählt
auch die Verschüttung der Nautilus in
der Grotte Dakkar, der unterirdische Seeabfluss im Grantsee, der
wiederum das Granithaus hervorbrachte usw., usw.. Logik und Realität
mussten einer fantasievollen Beschreibung weichen ... Die Erkundung der Insel Jetzt möchte ich zu einer Expedition zur Lincolninsel einladen. Damit wir uns das Ganze besser vorstellen können, will ich ein paar passende Bilder dazu liefern. Ich habe bewusst keine Originalillustrationen gewählt, die ich leicht aus meinen Beständen der über 80 Verne-Editionen diese Romans kopieren könnte. So habe ich an dieser Stelle in meinem Bestand antiquarischer Bücher geblättert, um Übereinstimmungen zu finden. Damit wollte ich neue Sichtweisen auf die literarische Vorlage anbieten. Versuchen wir also die Insel zu erkunden.
Es dauerte nicht mehr lange, da sah man dicht hinter der letzten Biegung, die der Fluss machte, einen Wasserfall durch die Bäume schimmern. Hier stieß das Boot auf Grund, und bald war es in der Nähe des rechten Ufers an einem Stamm festgebunden. (Bild rechts /7/)
Wenn man die Insel nach Westen entlang des Wasserfallbachs durchquerte, gelangte man durch die Wälder des Fernen Westens wieder an die Küste. Dort gab es auch eine Überraschung: „Kurz darauf traten die Kolonisten aus dem Wald heraus und sahen die westliche Küste der Insel vor sich. Doch welch ein Gegensatz zwischen dieser Küste und der östlichen, auf die sie der Zufall geworfen hatte! Hier ragte keine Granitwand empor, es gab keine Klippen und Riffe, ja nicht einmal einen Strand. Der Wald selbst bildete das Ufer, und seine sich über die Fluten neigenden Bäume wurden von den Wogen gepeitscht." (Siehe dazu Bild unten links aus /9/) Das Granithaus
Weiteres Kartenmaterial und andere Details der Insel:
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Copyright © Andreas Fehrmann 01/2001, letzte Aktualisierung 30. August 2018