Gesundheit und Medizin:

Das Bild der Ärzte im Spiegel des Werkes von Jules Verne



Jules Verne Zitate sind wie gewohnt in blau dargestellt.



Quellenangaben, und vielleicht der Reiz etwas mehr darüber zu lesen? (Die Systematisierung bezieht sich nur auf die Nutzung für diesen Beitrag)

/1/ Jules Verne: Paris im 20. Jahrhundert © Paul Zsolnay Verlag, Wien 1996, ISBN 3-552-04804-9; Zitat von Seite 144; CF /6401/

/2/ Jules Verne: Eine schwimmende Stadt ; 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1019-5 Pawlaks Collection Jules Verne Band 19; Zitat von Seite 119/120; CF /0801/

/3/ Jules Verne: Eine ideale Stadt; Chroniken der Science-Fiction-Gruppe Hannover (SFGH); CHRONIK 199 – September 2002; Herausgeber/Redaktion: Wolfgang Thadewald. Übersetzung von Volker Dehs, Deutsche Erstveröffentlichung. Zitat von Seite 61; CF /K1901/

/4/ Jules Verne: Der Kurier des Zaren; 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1023-3 Pawlaks Collection Jules Verne Band 23 (2. Band vom „Zaren“); Zitat von Seite 15; CF /1406/

/5/ Jules Verne: Ein Drama in den Lüften, Lizenzausgabe des Deutschen Bücherbundes GmbH & Co Stuttgart München mit Genehmigung der Diogenes Verlag AG, Zürich; © 1967 by Diogenes Verlag AG, Zürich; Die deutsche Ausgabe erschien im Diogenes Verlag unter dem Titel „Der ewige Adam ...“; Bücherbundnummer: -05290/2 – Zitat von Seite 183; CF /K0401/

/6/ ebenda, Seite 184

/7/ ebenda, Seite 190

/8/ Jules Verne: Ein Lotterie-Los;  1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1052-7 Pawlaks Collection Jules Verne Band 52; Zitat von Seite 90; CF /2901/

/9/ ebenda Seite 94

/10/ gleiche Quelle wie /5/; Zitat von Seite 23

/11/ Volker Dehs: Jules Verne Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH 1986; Seite 112, Detailangaben siehe Quelle CF /5501/ 

/12/ Jules Verne: Der Findling;  1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1064-0 Pawlaks Collection Jules Verne Band 64 (1. Teil des Findlings); Zitat von Seite 30; CF /3901/

/13/ Jules Verne: Clovis Dardentor;  1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1071-3 Pawlaks Collection Jules Verne Band 71; Zitat von Seite 26; CF /4301/

/14/ ebenda, Seite 51

/15/ Jules Verne: Das Testament eines Exzentrischen; 1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1076-4 Pawlaks Collection Jules Verne Band 76 (1. Teil des Findlings); Zitat von Seite 21; CF /4601/

/16/ Jules Verne: Das Dorf in den Lüften1984 Pawlak Taschenbuchverlag, Berlin, Herrsching. ISBN: 3-8224-1080-2 Pawlaks Collection Jules Verne Band 80; Zitat von Seite 212; CF /4801/


Bildmaterial:


/17/ Bild: Florence Nightingale (1820-1910) als Krankenpflegerin 1854/55 aus: Heinz Goerke: „Arzt und Heilkunde“ Callwey München 1984; ISBN 3-7667-0728-0; Bildzitat von S. 240

/18/ Aus einer alten Hetzelausgabe von Matthias Sandorf: Sarah im Krankenbett

/19/ Jules Verne: Ein Drama in den Lüften, Lizenzausgabe des Deutschen Bücherbundes GmbH & Co Stuttgart München Bücherbundnummer: -05290/2 – Bild /19/ ist aus diesem Buch. (Original von George Roux); CF /K0401/

/20/ Jean Jules-Verne: Jules Verne 1973; Bildzitat von Seite 199, Detailangaben siehe Quelle /5510/ 





Manche Dinge nimmt man beim Lesen recht unbewusst war, vielleicht wird man stutzig wenn man sie in einem weiteren Roman wieder angesprochen sieht, aber irgendwann reift der Gedanke: Es scheint mehr als ein stilistisches Mittel zu sein. So ging es mir, als ich ironische Worte und ziemlich deutliche Kritik an Ärzten und deren Heilmethoden an verschiedenen Stellen in Vernes Gesamtwerk fand. Als ich dann an seine ständigen gesundheitlichen Probleme dachte, habe ich mir bestimmte Dinge zusammengereimt. So habe ich nachfolgend einige Zitate, eigentlich deutliche Spitzen in Richtung Ärzteschaft, ausgewählt und mit den damaligen Gesundheitszustand Vernes, soweit ich diesen aus den Werken seiner Biographen erkennen konnte, in Zusammenhang gebracht. Bei der nachfolgenden Nennung der jeweiligen Erstausgaben ist zu beachten, dass die eigentliche Entstehung eines Romans noch davor liegt, es ist also ein Zeitversatz bei der Betrachtung zu beachten.

Schon während seines Studiums in Paris (1848 bis 1851) hatte er mit seiner Gesundheit Probleme. So plagten ihn ständige Magenbeschwerden, von denen er annahm, dass er sie von seiner Mutter geerbt hatte. Dadurch musste er eine ausgewählte und gezielte Kost zu sich nehmen, was seine Mittel zusätzlich belastete. In seinem damals unveröffentlichten Roman  Paris im 20. Jahrhundert schrieb er 1863, als er die Zustände im zukünftigen Paris beschrieb: „Was tun? Das ist immer die Frage, außer man ist Arzt, wenn man mit Industrie, Handel und Finanz nichts zu schaffen haben will! Und selbst dann, der Teufel soll mich holen! Ich glaube, die Krankheiten nutzen sich ab, und wenn die Fakultät keine neuen züchtet, dann steht sie bald ohne Arbeit da!“/1/

Florence NightingaleDies ist aus meiner Sicht das erste Zitat, in welchem er versucht, den kausalen Zusammenhang zwischen Ärzteschaft und Krankheiten darzustellen. Hatte er dazu Veranlassung? Es ist der Beginn einer ganzen Reihe ähnlich gelagerter Aussagen. Aus diesen habe ich eine gewisse Unzufriedenheit mit sich und dem von ihm nicht beeinflussbaren Schicksal in gesundheitlichen Fragen herausgelesen.

Im Jahre 1864, Jules verbringt gerade einige Zeit bei seinen Eltern in Nantes, wird er unangenehm von einem neuen Übel heimgesucht: Eine Lähmung der Gesichtsnerven stellt sich zum wiederholtem Male ein. Dabei kommt es zu einer Entstellung des Gesichtes, denn eine Gesichtshälfte ist wie tot. Einher geht dies mit einer zeitweiligen Beeinträchtigung der Koordinierung der Augen. Von der Lähmung kann er sich nicht mehr vollständig befreien. Sie ist mit ein Grund dafür, das sich Jules Verne nach diesem Schicksalsschlag einen üppigen Vollbart wachsen ließ.

So verwundert es nicht, dass sich seine Meinung zur Medizin im allgemeinen nach dem Erlebten nicht besserte. In einen seiner jetzt regelmäßig verlegten Romane wird eine zufällige Heilung durch Naturkräfte als wahrscheinlicher dargestellt, als die Chancen die durch eine medizinische Maßnahme erreicht werden können. (Bild im Text: /17/)

Ende der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts schrieb er den Roman  Eine schwimmende Stadt, der als Vorabveröffentlichung im Zeitraum vom August bis zum September 1870 in "Journal des Débats politiques et littéraires" und dann 1871 in Buchform veröffentlicht wurde. Darin können wir lesen, als das Gespräch auf die Angst vor Blitz und Donner kam: (... Angst ...) >Ich?< sagte der Doktor lebhaft; >der Donner ist sogar mein Freund, und mehr als das, mein Arzt!< >Ihr Arzt?< >Gewiß ist er das! So wie ich hier vor Ihnen stehe, bin ich am 13. Juli 1867 in Kiew bei London vom Blitz getroffen und dadurch von einer Lähmung des rechten Arms geheilt worden, die aller Anstrengungen der Ärzte spottete.< >Der Herr Doktor belieben zu scherzen.< >Durchaus nicht! es ist das eine ökonomische Behandlung, eine Behandlung mittelst Elektrizität. Es lassen sich noch ganz andere authentische Tatsachen dafür anführen, mein lieber Herr, daß der Donner klüger ist, als die geschicktesten Doktoren, und seine Intervention gerade in den verzweifeltsten Fällen oft wunderbar wirkt.<“ /2/

Am Krankenbett(Bild rechts: /18/) Aber es kommt noch deutlicher. Die nachfolgende Textpassage war der eigentliche Initiator dieses Beitrages von mir. Denn in seiner Kurzgeschichte  Eine ideale Stadt, die unter dem Titel: „Une ville idéale“ am 13. / 14. Dezember 1875 im „Journal d'Amiens“ erstmalig erschien, schrieb er diesen ironischen Seitenhieb, der mit einer Aussage eines Arztes begann: „>Schließlich ist es nicht mehr wie zu Zeiten des Doktor Lenoël und seiner gelehrten Zeitgenossen, Alexandre, Richer, Herbet, Peulevé, Faucon und wie sie alle heißen - tadellose Mediziner, ganz gewiss ... Aber schließlich haben wir doch gewisse Fortschritte gemacht! ...<“ /3/ Worauf der fiktiv in die Zukunft gereiste Jules Verne antwortete: >Ach<, entfuhr es mir, >gewisse Fortschritte! ... Heilen Sie etwa jetzt Ihre Kranken?<“ /3/. Etwas weiter findet sich dann diese Textstelle, die vielleicht auch als Anregung unseres heutigen Gesundheitssystems dienen könnte: „>Unsere Klienten bezahlen uns nur, solange es ihnen gut geht. Fühlen sie sich schlecht, bleibt die Kasse zu! Auf diese Weise haben wir kein Interesse mehr daran, dass sie jemals krank werden. Deshalb gibt es keine Epidemien mehr, oder so gut wie keine! Allerorten blühendes Wohlbefinden, das wir hegen und pflegen, wie ein Pächter seinen Gutsbetrieb in Schuss hält! Krankheiten - bei unserem neuen System würden sie die Ärzte in den Ruin treiben, und diese machen ganz im Gegenteil ein gutes Geschäft.<“ /3/

Sein herauszulesender Frust geht soweit, dass er sogar Anspielungen auf die Fachkundigkeit der Ärzte macht. 1876 konnte man im  Kurier des Zaren lesen: „>Ich behandle Sie mit Wasser<, sagte er. >Diese Flüssigkeit ist das wirksamste Sedativum, das man bei der Behandlung von Verwundungen kennt und wird jetzt auch ganz allgemein angewendet. Die Ärzte haben nur 6000 Jahre gebraucht, um das zu entdecken! Ja, in runder Zahl so gegen 6000 Jahre!<“ /4/

Fritt-FlaccDie bissigste Satire zu diesem Themenkreis schrieb er in der Kurzgeschichte  Frritt-Flacc, auch Der Sturm Sie wurde 1884 bis 1885 unter dem Titel: „Frritt-Flacc“ in „Le Figaro illustré“ (Paris) erstveröffentlicht, im Folgejahr kam dann die Veröffentlichung in Buchform. In der Geschichte wird die Hauptperson so beschrieben: „Ein harter Mann, dieser Dr. Trifulgas, ein mitleidloser Mann; Patienten nimmt er nur gegen Vorausbezahlung an. Sein Hund heißt Hurzof, er ..... dürfte mehr Herz haben als sein Herr.“ /5/ Diese Einschätzung verwundert nicht, hat er doch einen speziellen Arbeitsstil und eine etwas „ungewöhnliche“ Einstellung zu seiner Berufsethik : „>Ein Schlaganfall? Das macht zweihundert Fretzer!< (die dortige Währung – Anmerkung A.F.) stellt Dr. Trifulgas hartherzig fest. >Wir haben aber bloß hundertundzwanzig!< >Dann gute Nacht!< Wieder wird das Fenster zugeschlagen.“ /6/ Doch das Schicksal wird ihn für seine Hartherzigkeit bestrafen! Der Doktor wird zu einem Patienten gerufen, der mystischer Weise er selbst ist (siehe dazu Bild rechts /19/). Ungeachtet aller Versuche stirbt er unter seinen eigenen Händen! Und so endet die Geschichte: Am folgenden Morgen fand man im Hause .... nur noch eine Leiche vor – die Leiche von Dr. Trifulgas. Er wurde in einen Sarg gelegt und mit großen Prunk auf den Friedhof von Luktrop beigesetzt, nachdem er so viele andere Mitbürger dorthin gebracht hatte – ganz genau nach Rezept ...“ /7/

In der gleichen Zeit schrieb er den Roman  Ein Lotterielos, der 1886 erstveröffentlicht wurde. Dort können wir lesen: „>Herr Sylvius<, begann da Hulda, >wünschen Sie vielleicht, daß mein Bruder von Bamble einen Arzt herbeiholt?< > Einen Arzt, meine kleine Hulda? Aber wollt Ihr denn, daß ich gar den Gebrauch meiner beiden Beine einbüße?<“ /8/ Etwas weiter wird sogar mit einem Arzt „gedroht“, aber das ist recht scherzhaft gemeint: >Wie Sie wünschen, Herr Sylvius<, antwortete Hulda, >begehen Sie aber keine neue Unvorsichtigkeit, sonst müßte Joel doch noch den Arzt herbeiholen.< >Was? Drohungen?... Nun ja, ich werde schon vernünftig und ganz artig sein; und so lange ich nicht auf zu knappe Diät gesetzt bin, sollt Ihr an mir den folgsamsten Patienten haben.<“ /9/

Für Jules Verne begann jetzt eine Zeit, die zu den schwärzeren Kapiteln in seinem Leben zählt. 1887 stirbt seine Mutter in Nantes, und er selbst ist schwer krank. Aus diesem Grunde kann er erst nach ihrer Beerdigung die Reise nach Nantes zur Erledigung der Erbschaftsangelegenheiten antreten. Kontinuierlich nehmen seine gesundheitlichen Probleme zu. In der in dieser Zeit geschriebenen Kurzgeschichte  Ein Tag aus dem Leben eines amerikanischen Journalisten im Jahre 2889, dessen Erstausgabe im Februar 1889 in der amerikanischen Zeitschrift „The Forum“ (New York) erschien und welche am 21. Januar 1891 mit einigen Änderungen in französischer Sprache unter dem Titel: „La journée d'un journaliste américain en 2889“ im „Journal d'Amiens. Monituer de la Somme“ gedruckt wurde, fand ich eine Textpassage, die von bahnbrechenden Ideen in der Zukunft berichtete: „... Und schließlich (meldete sich) der Arzt, der kühn behauptet, er habe ein todsicheres Rezept gegen Schnupfen ... All diese Phantasten werden natürlich prompt vor die Tür gesetzt.“ /10/ Bei dieser Audienz beim Medienmogul und der Vorstellung dieser Neuerung wurde der Arzt glatt abgewiesen. Sogar die Bekämpfung eines Schnupfens schien Verne selbst in der Zukunft als unrealistisch anzusehen. Leider konnte ich nicht in Erfahrung bringen, ob die verwendete Wortwahl die Eingebung des Übersetzers war, oder ob sie der spitzen Feder Vernes wirklich entsprang. Denn ein „todsicheres Rezept“ sollte kein Arzt verschreiben .... (siehe dazu ganz unten /21/ als Ergänzung dieser These).

Aber Jules Vernes Gesundheitszustand bessert sich nicht mehr. „Jules Verne mag nicht mehr reisen, und kann es auch nicht mehr: Rheumatismus und Gicht bereiten ihm große Schmerzen. Die größten Sorgen bereitet der Magen: Verne wird auf Diät gesetzt und darf nichts als Gemüse essen, dann nur noch Eier- und Milchgerichte, was ihn weiter schwächt. Magenspülungen bleiben erfolglos; die Ärzte vermuten eine Magenerweiterung, zu spät wird man erkennen, daß Diabetes die Ursache ist.“ /11/ schreibt Volker Dehs. Dazu kam, dass er nach dem Attentat Gastons 1886 nie wieder schmerzfrei gehen konnte.

Vielleicht ist dies der Grund, dass das jetzt folgende Zitat noch sarkastischer als die bereits vorgestellten Passagen klingt. Der folgende Wortwechsel zwischen einem Arzt und dem Leiter eines Kinderheims im Roman  Der Findling von 1893 klingt so: „> Na, und wenn sie (die im Heim befindlichen Kinder – Anmerkung A.F.) ihrer Krankheit erliegen<, unterbrach ihn der Doktor, schon nach Hut und Stock fassend, >ist der Verlust, mein' ich, auch nicht so arg....< >Gewiß nicht<, stimmte O'Bodkins zu. >Ich schreibe sie dann in die Rubrik der Verstorbenen ein und ihr Konto wird abgeschlossen. Ist das aber geschehen, so hat niemand mehr Ursache sich zu beklagen<. Mit einem Händedruck verabschiedete sich der Arzt des Hauses.“ /12/

Dagegen klingt ja das nachfolgende Zitat aus  Clovis Dardentor (in Buchform 1896) richtig harmlos, wenn nur die Neugier des Berufsstandes ein Thema ist: „>Oh, meine Herren<, entschuldigte sich der Doktor Bruno, >meine Fragen mögen wohl indiskret erscheinen. Doch das beruht auf meiner Tätigkeit... ein Arzt muß alles wissen, selbst das, was ihn gar nichts angeht. Sie verzeihen also... <“ /13/ Aber sein Ton wird im gleichen Roman wieder schärfer, als er seinen Helden folgende Worte in den Mund legte: „>Am letzten Ende<, fuhr der Doktor fort, >mein' ich, Sie werden doch einmal sterben.< >Warum soll ich denn sterben, da ich doch niemals einen Arzt konsultiert habe?... Ihr Wohlsein, meine Herrn!<“ /14/ Und da war sie wieder, die Anspielung von „Arzt“ und „Tod“.

Aufgrund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes hatte sich Verne Mitte der 90er Jahre vorgenommen, keine Reisen mehr anzutreten. Seine letzte nachweisliche Reise trat er im Winter 1896/97 gezwungener Maßen nach Paris an. Zeitgleich zu Papier gebracht, konnte man im Roman  Das Testament eines Exzentrischen 1899 lesen, dass es nur eine Frage der Anzahl der Ärzte ist, um die Bedrohung für Leib und Leben zu erhöhen. Aber manchmal stirbt man eben auch ohne Arzt, so wie hier geschehen: „Dieses prächtige Musterbild eines Nordamerikaners erfreute sich einer eisernen Gesundheit. Nie hatte ein Arzt ihm nach dem Puls gefühlt, nie einer seine Zunge geprüft, ihm in den Hals gesehen, die Brust beklopft oder das Herz behorcht, niemals war seine Körpertemperatur mittelst Thermometers gemessen worden. Und an Ärzten fehlt es in Chicago gerade nicht ... Man hätte also sagen können, daß eigentlich keine Maschine - und wäre es eine von hundert Ärztekraft - im Stande gewesen wäre, ihn aus dieser Welt zu reißen und in eine andere zu befördern; dennoch war er nun gestorben, ohne Hilfe der medizinischen Fakultät - und infolge dieser überraschenden Leistung stand eben sein Leichenwagen jetzt vor dem Tore der Oakswoods Cemetry.“ /15/

In dem 1901 herausgegebenen Roman  Das Dorf in den Lüften lässt er nochmals seine Argumentationskette „Arzt“ - „Krankheit“ - „Tod“ aufleben. Obwohl schon mit eigenen Worten als „unziemlich“ charakterisiert, muss er die Bemerkung wohl trotzdem loswerden: „Hier muß man also zugeben, daß, obwohl ein Arzt, den man sogar zum König gemacht hatte, im Dorfe lebte, die Sterblichkeit nicht zugenommen hatte. Eine etwas unziemliche Bemerkung über den Ärztestand, die Max Huber aber doch nicht unterdrücken konnte.“ /16/

Jules Verne Im TotenbettSchreibbesessen wie er ist, versuchte er der Krankheit zu trotzen. Er hatte, wie oben bei seinem Biographen zitiert, Probleme mit dem Magen, leidet schwer unter dem Grauen Star - der ihm fast zur Erblindung führt - und dazu kommt auch noch ein Schreibkrampf in der rechten Hand. Trotzdem versucht er bis zum Schluss zu schreiben, auch wenn seine Texte immer schwerer lesbar werden. Nach langem Leiden starb Jules Verne am 24. März 1905 (siehe dazu Abschied nehmen von Jules Verne). Bild links: Jules auf dem Sterbebett /20/.

NACHTRAG: Meine Betrachtung birgt ein Risiko in sich. Denn alle Zitate beziehen sich auf deutsche Übersetzungen. Aus diesem Grunde habe ich möglichst aus dem Original nahe kommenden Quellen zitiert. Ich hoffe, dass die Übersetzungen sachkundig erfolgten, nicht das der Sarkasmus ein Stilmittel der Übersetzer war. Aber die Anzahl der gefundenen Textstellen sollte meine Befürchtung relativieren ...

ERGÄNZUNG:

Zum todsicheren Rezept gegen Schnupfen in Ein Tag aus dem Leben eines amerikanischen Journalisten... schrieb mir Bernhard Kraut am 22.11.2005: Die Originalformulierung aus dem Journalisten nach der französischen Vorlage (Jahr 2890 und nicht 2889) lautet: „Et cet autre, plus audacieux, ne prétendait - il pas qu'il possédait un remède spécifique contre le rhume du cerveau?...“ d.h.: „Und dieser andere, noch dreister, gab er nicht vor das er im Besitz eines Wundermittels gegen den Schnupfen sei?...“

Leider habe ich die Version aus Hier et demain, auf der die deutsche Übersetzung beruht, und die ja von Michel Verne modifiziert wurde, nicht vorliegen. Also Jules Vernes Feder entspringt die spitze Bemerkung des "Todsicheren Rezeptes" nicht, aber vielleicht die der von Michel?

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Copyright © Andreas Fehrmann – 11/2005, letzte Aktualisierung 19. Januar 2020